Wir haben eine neue Politik einzuleiten, seit wir wissen, dass es auch in unserem Land BSE-Fälle gibt. Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat nach dem ersten BSE-Fall in Deutschland unverzüglich gehandelt, und der lag bekanntlich einige Wochen vor dem ersten BSE-Fall in Baden-Württemberg.
Anfang Dezember letzten Jahres haben wir innerhalb weniger Tage auf die neue Situation reagiert und die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz unserer Verbraucher, flächendeckende BSE-Tests und umfangreiche Kontrollen bei Futtermitteln und Lebensmitteln umgesetzt. Darüber hinaus sind wir initiativ geworden und haben Bund und EU aufgefordert, ein EU-weites, umfassendes und unbefristetes Tiermehlverfütterungsverbot zu erlassen. Wir haben auch gefordert, es notfalls im nationalen Alleingang durchzusetzen.
Wir haben uns für eine Verschärfung der bestehenden Aussonderungspflicht für Risikomaterialien eingesetzt. Wir haben uns für die Einführung geänderter Schlachtmethoden eingesetzt. Die Forderung, keine Längsspaltung der Wirbelsäule vorzunehmen, ist eine Erkenntnis aus dem Gespräch mit den Wissenschaftlern vom letzten Dienstag. Wir haben diese Forderung aufgenommen, obwohl uns Fachleute sagen, dass das eine totale Umstellung der Schlachtung in allen Schlachthöfen bedeutet. Aber es muss davon ausgegangen werden, sagen die Wissenschafter, dass Risikomaterial auch in der Wirbelsäule ist, also muss es aus der Schlachtkette entfernt werden.
Wir sind für eine offene Deklaration der Futtermittel, für eine Positivliste der zugelassenen Inhaltsstoffe. Wir sind
Meine Damen und Herren, die BSE-Krise hat dramatische Auswirkungen auf unsere heimische Landwirtschaft – drastische Preis- und Absatzeinbrüche. Nicht nur Rinderhalter sind inzwischen betroffen, sondern zunehmend auch andere Betriebe. Zur Bewältigung der Krise ist kein aktionistischer Richtungswechsel in der Agrarpolitik erforderlich, sondern sind integrierte Konzepte nötig, um das Vertrauen der Verbraucher in heimische Lebensmittel zurückzugewinnen.
Ich nenne nur eine Überschrift: „Festhalten am Leitbild des bäuerlichen Familienbetriebs“. Wenn Berlin, wie Sie sagen – bisher ist das nur angekündigt, Herr Maurer –, eine völlig neue Agrarpolitik einleiten will, dann sage ich Ihnen: Ich habe nur festgestellt, dass die neue Landwirtschaftsministerin Künast bei allen drei Forderungen, mit denen sie vor drei Tagen nach Brüssel gefahren ist, keine Zustimmung bekommen hat. Sie wird sehen, wie gering der Spielraum nationaler Agrarpolitik in der integrierten Europäischen Union inzwischen geworden ist.
Wenn Sie eine andere Agrarpolitik einleiten: Willkommen in Baden-Württemberg! Sie werden keine Schwierigkeiten mit dieser Landesregierung bekommen. Sie werden Schwierigkeiten bekommen mit der Landesregierung in Schleswig-Holstein, mit der Landesregierung in Niedersachsen und mit sämtlichen Landesregierungen in den ostdeutschen Ländern.
Reden wir einmal in einem halben Jahr oder in einem Jahr darüber, was Sie von diesen Ankündigungen durchgesetzt haben.
Ich sage Ihnen: Wir werden in diesem Land dabei bleiben: Bäuerliche Familienbetriebe, bodengebundene Landwirtschaft, artgerechte Tierhaltung, flächenbezogene und damit nicht produktionssteigernde Förderung,
Belohnung von umweltgerechter Produktion, das sind die Merkmale unserer Agrarpolitik in Baden-Württemberg.
Ich halte vielerlei für notwendig und möchte das auch wiederum nur in Stichworten hier noch einmal sagen:
Erstens: Kontrolle auf allen Ebenen der Lebensmittelerzeugung, von der Futtermittelherstellung bis zum Verbrauch, von der Geburt eines Tieres bis zur Ladentheke. Anders kommt das Vertrauen der Bürger nicht zurück.
Fünftens: Verlässliche Rahmenbedingungen für unsere Landwirtschaft, um gesunde Nahrungsmittel zu erzeugen.
Zum Ersten, zur Kontrolle: Die Zuständigkeiten für Ernährung, Lebensmittelüberwachung und Veterinärwesen sind im Land – ich sage es noch einmal – seit 1996 im Ministerium Ländlicher Raum gebündelt. Um dem Verbraucherschutz auf allen Ebenen der Lebensmittelerzeugung in noch größerem Umfang zu entsprechen, werden wir die Kontrollen in der Lebensmittelüberwachung intensivieren. Dazu werde ich eine Arbeitsgruppe Ernährungssicherheit beim Regierungspräsidium in Tübingen einrichten, die als Vor-Ort-Arbeitsgruppe schnell, schlagkräftig und effizient eingreifen und auf aktuelle Probleme reagieren kann. Sie wird auch personell entsprechend ausgestattet. Transparenz in der Kontrolle, gläserne Kontrolle, das ist unsere Antwort auf die Verunsicherung der Verbraucher. Deswegen werden wir Berichte über die Tätigkeit der Lebensmittelüberwachung künftig aktuell und ständig im Internet veröffentlichen.
Zur Information der Verbraucher: Kontrolle und Transparenz sind wichtig. Genauso wichtig sind die Information und Beratung der Verbraucher. Die Arbeit unserer Ernährungszentren hat sich bewährt. Sie informieren aus einer Hand über Qualitäts- und Sicherheitsstandards, angefangen von der Lebensmittelerzeugung bis hin zur Zubereitung. Aufbauend auf den Erfahrungen der vorhandenen Ernährungszentren, werden wir an jedem Landwirtschaftsamt eine Koordinierungs- und Beratungsstelle für gesunde Ernährung einrichten, flächendeckend im ganzen Land.
Diesen Einrichtungen kommt eine besondere Bedeutung zu, denn sie werden die Informationsangebote der verschiedenen Beratungsträger koordinieren, bündeln, ergänzen. Ich verspreche mir hiervon eine effiziente und umfassende Verbraucheraufklärung.
Eine weitere wichtige vertrauensbildende Maßnahme ist die so genannte „gläserne Produktion“, die unser Landwirtschaftsminister Gerhard Weiser eingerichtet hat und die wir weiterführen und ausweiten müssen.
Zum dritten Punkt, der Intensivierung der Forschung: Ich habe aus einem BSE-Hearing, das ich durchgeführt habe, die Erkenntnis gewonnen, dass unsere Anstrengungen in der Forschung mittel- und langfristig ansetzen müssen. Sie müssen alle Bereiche der Forschung erfassen, Grundlagenforschung und anwendungsorientierte Forschung. Notwendig sind eine nachhaltige Verstärkung und eine Vernetzung der Forschung. Professor Beyreuther hat Kontakt zu allen Forschern, hat mit ihnen zum Teil gemeinsame Forschungsvorhaben laufen, auch mit Forschern anderer Länder, auch in Großbritannien. Es wird also Doppelarbeit vermieden.
Wir stellen als Land jedes Jahr – für die nächste Legislaturperiode ist das mein Vorschlag an das Parlament – 3 Millionen DM für die Forschungsprojekte zur Verfügung. Unser Wissenschaftsminister hat zusammen mit Professor Beyreuther im Kontakt mit den Forschungseinrichtungen bereits ein Grundkonzept erarbeitet, das in der nächsten Kabinettssitzung der Landesregierung zur Beschlussfassung vorgelegt wird.
Der Bund und die Europäische Union sind gefordert. Wir brauchen einen Forschungsschwerpunkt BSE und Creutzfeldt-Jakob-Krankheit.
Zu den Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft, dem vierten Punkt der notwendigen Maßnahmen, die ich angesprochen habe: Wir leben nicht auf einer agrarpolitischen Insel –
das wird die neue Bundeslandwirtschaftsministerin noch merken –, wir leben in einem Europa offener Grenzen. Deshalb braucht unsere Landwirtschaft hierfür auch EUund bundesweit einheitliche Rahmenbedingungen, und zwar gleichwertige Kontroll- und Sicherheitsstandards.
Zweitens: Im Blickwinkel der derzeitigen Probleme steht die Überprüfung der gegenwärtigen Standards in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelerzeugung. Problematische Erzeugungspraktiken müssen im Hinblick auf Tierschutz, auf Umweltbelastung und auf Gesundheit ausgeschlossen werden. Ich habe als einer der Ersten das Thema „Antibiotika im Tierfutter“ angesprochen und bin – das sage ich ganz offen – für ein generelles Verbot von Antibiotika im Futter.
Das gilt aber nicht, wenn ein Tier krank ist. Das ist ein völlig anderer Fall. Ich habe auch das Thema „überlange Tiertransporte“ angesprochen und werde auch an diesem Thema bleiben. Das ist mir ein besonderes Anliegen.
Wir fordern in Baden-Württemberg weiterhin den ökologischen Landbau, aber wir fordern eben nicht nur den ökologischen Landbau. Wir brauchen gesunde Nahrungsmittel aus jedem landwirtschaftlichen Betrieb. Ökolandbau – darauf hat vorhin vor allem Herr Kollege Kiefl hingewiesen – muss sich am Markt durchsetzen, wenn er Bestand und Zukunft haben soll.
(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Dann muss man aber auch etwas dafür tun! – Gegenruf des Abg. Weiser CDU)
Meine Damen und Herren, die Ministerin hat es aufgezeigt: Die Fördermaßnahmen für den Ökolandbau, den Sie von den Grünen vorhin als Wunder dargestellt haben, sind in diesem Land im Ländervergleich überdurchschnittlich.