Protokoll der Sitzung vom 01.02.2001

Ihnen liegt ein gemeinsamer Wahlvorschlag der vorschlagsberechtigten Fraktionen der CDU und der SPD für diese Wahl vor. (Anlage) Wenn eine förmliche Abstimmung nicht begehrt wird, stelle ich fest, dass durch das Haus die in dem gemeinsamen Wahlvorschlag genannten Damen und Herren zu Mitgliedern und zu stellvertretenden Mitgliedern des Stiftungsrats der Stiftung „Pragsattel – Theaterhaus Stuttgart“ gewählt werden. – Es wird keine förmliche Abstimmung begehrt. Damit stelle ich fest: Es ist so beschlossen.

Meine Damen und Herren, damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Neuorganisation der Naturschutzverwaltung und zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes – Drucksache 12/5916

Für die Aussprache nach der Begründung durch die Regierung hat das Präsidium gestaffelte Redezeiten bei einer Grundredezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Das Wort hat Frau Ministerin Staiblin.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich bitte darum, unabweisbare Gespräche nun wirklich nach draußen zu verlegen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für die Neuorganisation der Naturschutzverwaltung – –

(Anhaltende Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich darf Sie jetzt wirklich bitten, wenn Sie sich unterhalten müssen, dies außerhalb zu machen.

Bitte, Frau Ministerin.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die Neuorganisation der Naturschutzverwaltung sowie für die parallel laufende Aufhebung des Devolutivrechts im Denkmalschutzgesetz lege ich heute den erforderlichen Gesetzentwurf vor. Wie Sie wissen, war in der Koalitionsvereinbarung festgelegt, dass 44 Stellen von den BNLs in die untere Naturschutzbehörde – sprich Landratsämter – einzugliedern sind. In der Koalitionsvereinbarung steht aber auch, dass die Funktionsfähigkeit der Bezirksstellen für Naturschutz und Landschaftspflege erhalten bleiben soll.

So haben wir, denke ich, einen guten Kompromiss gefunden, einen Kompromiss dahin gehend, dass 22 Stellen von den BNLs in die untere Naturschutzbehörde eingegliedert werden, nicht wie vorgesehen 44 Stellen. Ich möchte anmerken und betonen, dass wir dadurch für die Naturschutzverwaltung 22 zusätzliche Stellen schaffen.

Die bisherige Beratung allein durch die ehrenamtlichen Naturschutzbeauftragten hat schon aus rein zeitlichen Gründen ihre Grenzen, wenn es beispielsweise um die Aufstellung von Kreispflegeprogrammen, um die Verhandlungen mit Landwirten oder um die Erstellung von Gutachten für die Landschaftsschutzgebiete geht.

Auswirkungen auf die Bezirksstellen: Die Naturschutzverbände, meine Damen und Herren, haben überwiegend den Grundsatz begrüßt, die unteren Naturschutzbehörden fachlich zu stärken. Allerdings haben sie sich dagegen ausgesprochen, dafür Personal der Bezirksstellen für Naturschutz und Landschaftspflege in Anspruch zu nehmen. Sie haben insbesondere darauf hingewiesen, dass dieses Personal für die neu auf die Naturschutzverwaltung zukommenden Aufgaben bei Natura 2000 von den Managementplänen über die Verträglichkeitsprüfung hin zum Monitoring und Berichtswesen dringend benötigt wird.

Die Kritik übersieht allerdings, dass wir die Bezirksstellen durch die Verlagerung von Aufgaben auf die unteren Naturschutzbehörden wesentlich entlasten werden, nämlich genau im Umfang der Aufgaben jener 22 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an die untere Naturschutzbehörde gehen sollen. Die Bezirksstellen werden sich daher in Zukunft stärker als bisher auf ihre Kernaufgaben, insbesondere im konzeptionellen Bereich sowie bei der Ausweitung und Betreuung von Naturschutzgebieten und Natura-2000Gebieten, konzentrieren können. Die Routineaufgaben werden weitgehend auf die unteren Naturschutzbehörden verlagert.

Die Stärkung der unteren Naturschutzbehörden kann selbstverständlich nur eintreten, wenn nicht im Gegenzug Stellen auf Kreisebene abgebaut werden, wenn also die Zahl der derzeitigen Kreisökologen bei den unteren Naturschutzbehörden auf dem Stand vom 1. Januar 2000 gehalten wird. Die hauptamtlichen Naturschutzfachkräfte bleiben Landesbedienstete, und sie bleiben unter der Dienstaufsicht des Ministeriums Ländlicher Raum, auch wenn dafür eine ganze Reihe weiterer Gesetze, zum Beispiel das Landesverwaltungsgesetz und das Ernennungsgesetz, geändert werden müssen. Damit stellen wir sicher, dass der

amtliche Naturschutz nicht aufgesplittet wird, sondern staatliche Aufgabe aus einem Guss bleibt.

Ein weiterer Punkt der Neuorganisation betrifft die Naturschutzbeauftragten. Ihr bisheriges Devolutivrecht wird in ein Vorlagerecht umgewandelt. Das bedeutet: Sie erhalten für Fälle, in denen nach ihrer Auffassung die Naturschutzbelange besonders schwer beeinträchtigt werden können, das Recht, den Sachverhalt der oberen Behörde, das heißt dem Regierungspräsidium, vorzulegen. Damit ersetzen wir die bisherige Automatik, dass beim Abweichen von der Meinung des Naturschutzbeauftragten das gesamte Verfahren in der nächsthöheren Behörde entschieden werden muss.

Auch im Denkmalschutzgesetz wird das Devolutivrecht abgeschafft. Es wird ersetzt durch ein Vorlagerecht des Präsidenten des Landesdenkmalamts für die Ausnahmefälle, in denen Belange des Denkmalschutzes besonders schwer beeinträchtigt werden können. Auch hier wird der höheren Denkmalschutzbehörde nur die einzelne Streitfrage zur verwaltungsinternen Entscheidung vorgelegt.

Wichtig für uns war dabei, dass das Devolutivrecht im Naturschutz und im Denkmalschutz gleich behandelt wird. Dies ist durch den vorliegenden Entwurf gewährleistet.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, dem vorliegenden Gesetzentwurf zuzustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Das Wort hat Herr Abg. Göbel.

Sehr verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Vortrag der Frau Ministerin fällt es mir relativ leicht, zu diesem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen, weil technische Fragen bereits geklärt wurden.

Es ist richtig, dass die Veränderung auf einer Koalitionsvereinbarung beruht. Wir haben uns die Sache in den vergangenen Jahren – so kann man mittlerweile sagen – sehr gut überlegt. Es hat zweifelsohne Diskussionsbedarf gegeben, und das wird sich im Ausschuss möglicherweise zum Teil wiederholen, weil die Veränderung schon einschneidend ist und weil wir bisher mit der Arbeit unserer Bezirksstellen und deren Mitarbeitern im Grunde recht zufrieden sein können.

Aber nichts ist so gut, als dass es nicht besser sein könnte. Mit diesem Satz möchte ich die vorgesehenen Veränderungen begründen. Wir haben durchaus noch die Möglichkeit, auf dem Gesetzgebungsweg mehr Bürgernähe – so möchte ich es nennen – zu praktizieren, mehr unserem Prinzip zu entsprechen, dass Entscheidungen vor Ort zwischen den Beteiligten getroffen werden können. Ich glaube, dazu ist der Gesetzentwurf ein sehr guter, ein gangbarer Weg. Wir werden also dem Gesetzentwurf, den wir ja wollten, in der vorgelegten Form zustimmen.

Ich will die Veränderungen kurz begründen. Ich denke, es ist wichtig, dass ein Bürger, der ein Baugesuch für den Außenbereich gestellt hat, nicht auf einen Vor-Ort-Termin mit

jemandem warten muss, der aus einem Regierungspräsidium kommt und oft weite Wege hinter sich bringen muss, mit jemandem, der zwar über ein hohes, aber doch über ein sehr spezialisiertes Wissen verfügt. Dieser sagt möglicherweise am Ende eines Außentermins: „Diesen Teil kann ich absegnen. Aber bei jenem Teil bestehen noch Fragen der Bodenqualität.“ Bei uns hat einmal jemand geschrieben, ein Schweinemaststallstandort mit Alpenblick sei nicht zu akzeptieren.

Das sind Dinge, die die Bürger natürlich auf die Palme bringen. Es stößt bei ihnen überhaupt nicht auf Verständnis, wenn ein weiterer Vor-Ort-Termin – das kann oft bis zu drei oder vier Terminen reichen – abgehalten werden muss. Ich meine, da ist es besser, dass wir in den Landratsämtern oder bei den kreisfreien Städten die Naturschutzbeauftragten mit ihrer Fachkenntnis haben. Dann kann das Gespräch wirklich ohne großen Aufwand vor Ort gesucht werden und müssen Gegensätzlichkeiten nicht so stark hervortreten. Ich denke, es ist auch wichtig, dass sich diejenigen, die Entscheidungen mit zu treffen haben, nicht wieder in die Anonymität zurückziehen können, sondern bei dem jeweiligen Landratsamt angesiedelt sind.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich meine, die Neuorganisation der Naturschutzverwaltung kann auch zu einer gewissen Kostenersparnis führen. Es wird wohl so sein, dass künftig schon bei Vorplanungen Kontakt miteinander aufgenommen werden kann und sich mancher Verwaltungsakt vielleicht sogar erübrigt.

Ich glaube auch, dass die Verantwortlichen in den Kommunen auf diese Veränderung warten. Die Bürgermeister und die Fachleute im Bauwesen zum Beispiel sind durchaus gewillt, die bisher bestehenden Kontakte noch enger zu knüpfen und damit schnelle Lösungen zu suchen, sei es zum Beispiel in Bezug auf Bauvorhaben oder auf eine Straßenbaumaßnahme. Solche Maßnahmen wird es ja immer wieder geben.

Die Frage der Versetzung der Mitarbeiter hat da und dort sicherlich einigen Unwillen ausgelöst. Ich denke aber, das, was wir hier vorhaben, ist zumutbar und kann auch dazu führen, dass die Spezialisierung etwas ausgeweitet wird. Auch kann es sein, dass sich zum Beispiel Fachleute über Kreisgrenzen hinweg ergänzen, sodass sich die Verteilung der hohen fachlichen Qualität bei den bestehenden Bezirksstellen nicht nachteilig auswirken muss. Im Gegenteil, es könnte sogar zu Synergieeffekten kommen.

Ich glaube auch, dass bei dieser Gesetzesänderung der Wegfall des Devolutivrechts eine entscheidende Frage ist. Aber es ist im Gesetzentwurf sichergestellt – das ist unser Wille –, dass sich derjenige, der mit einer Entscheidung nicht einverstanden sein kann, an die nächsthöhere Stelle, sage ich jetzt vereinfacht, wenden kann. Damit kann er jederzeit eine Diskussion auslösen, die in überschaubarem Rahmen auch in der Öffentlichkeit verantwortet werden muss. Ich meine, auch von daher werden solche Entscheidungen künftig vorher vielleicht besser überdacht.

Für das Denkmalschutzgesetz gilt im Grunde die gleiche Veränderung. Ich meine, es braucht niemand Angst zu haben, dass der hohe Wert des Denkmalschutzes nun plötz

lich infrage gestellt würde. Im Gegenteil, ich glaube, das Bewusstsein in unserer Bevölkerung, schützenswerte Bauten zu erhalten, ist heutzutage so groß, dass darüber niemand mehr leichtfertig hinweggehen kann. Dann ist es richtig, wenn die Entscheidung in der Kommune gesucht werden kann, aber auf der anderen Seite nach dem Gesetzentwurf – ich nehme an, dass Sie ihn alle gelesen haben – letztlich doch noch die Möglichkeit besteht, in Streitfällen eine höhere Ebene mit dem betreffenden Thema zu befassen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, so viel in wenigen Minuten zu dem Gesetzentwurf. Wir haben lange über ihn nachgedacht. Wir haben es uns mit ihm auch in der Koalition nicht einfach gemacht. Aber ich glaube, mit dem, was jetzt vorliegt, kann man getrost in die Zukunft gehen. Er dient dem Wohle des Umweltschutzes,

(Lachen des Abg. Kretschmann Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Kretschmann Bündnis 90/Die Grü- nen: Das ist aber nicht Ihr Ernst, Herr Kollege!)

er dient aber auch dem Wohle der kommunalen Zusammenarbeit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort hat Herr Abg. Dr. Caroli.

(Zurufe)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! 1996 wurde von der Firma GMO im Auftrag des Staatsministeriums eine Untersuchung der baden-württembergischen Naturschutzverwaltung durchgeführt. Was war das Ergebnis? Eine beachtliche Leistungsfähigkeit der Bezirksstellen für Naturschutz wurde festgestellt, und es wurde empfohlen, die bestehenden Strukturen und die Personalausstattung im Wesentlichen zu erhalten. Was hat die Regierung gemacht? Genau das Gegenteil. Von den regierungstragenden Fraktionen wurde in eine Koalitionsvereinbarung die Zerschlagung in einer Formulierung hineingeschrieben, die immer noch ansteht, auch wenn man die Reduzierung von den bisher geplanten 44 Stellen auf 22 Stellen begrenzt hat.

Meine Damen und Herren, wenn ein Gutachter heute Vorschläge zu machen hätte, würde er flexible Einheiten vorschlagen, in denen Expertenwissen gebündelt ist, Schnittstellen wegfallen und eine einheitliche Beratung aller Ansprechpartner gesichert ist. Das nenne ich moderne Verwaltung: eine Agentur als eigenständiger Leistungsbetrieb mit Kosten- und Leistungsrechnung und dezentraler Budgetverantwortung.

Wenn man noch überlegt, dass auch neue Aufgaben auf die Bezirksstellen zugekommen sind, zum Beispiel die Umsetzung der FFH-Richtlinie, dann muss man einfach sagen: Wir bräuchten dringend diese optimal und effizient arbeitende Behörde, so wie sie es bisher gewesen ist. Warum

um Himmels willen wollen Sie sie vor diesem Hintergrund zerschlagen?

(Abg. Capezzuto SPD: Ja, warum?)

Die angebliche Stärkung der unteren Naturschutzbehörden ist Etikettenschwindel, weil gleichzeitig mit der Aufteilung der Fachreferenten auf die Kreise das Zusammenwirken von Experten mit den entsprechenden Synergieeffekten verloren geht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen – Abg. Haasis CDU: Genau das findet doch statt!)