Protokoll der Sitzung vom 20.02.2001

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

a) Aktuelle Debatte – Auswirkungen der Regierungserklärung der Bundesministerin Frau Künast auf die Landwirtschaft in Baden-Württemberg – beantragt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

b) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums Ländlicher Raum – Bisherige und geplante Maßnahmen der Landesregierung gegen die Gefahren durch BSE – Drucksache 12/5835

c) Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme des Ministeriums Ländlicher Raum – Maßnahmen zur Zukunftssicherung der Landwirtschaft in Baden-Württemberg – Drucksache 12/5878

d) Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Stellungnahme des Ministeriums Ländlicher Raum – Kontrolle der BSE-Schutzmaßnahmen – Drucksache 12/5887

Meine Damen und Herren, der durch drei Fraktionsanträge ergänzte Tagesordnungspunkt soll nach den Regeln der Aktuellen Debatte ablaufen. Das Präsidium hat dafür die übliche Gesamtdauer von 50 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Redner in der zweiten Runde gilt jeweils eine Redezeit von fünf Minuten; die Redezeit kann also nicht verbunden werden. Ich bitte die Mitglieder der Landesregierung, sich ebenfalls an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.

(Abg. Teßmer SPD: Die reden überhaupt nicht; die sind gar nicht da! – Abg. Bebber SPD: Vergebli- che Liebesmüh!)

Schließlich darf ich erneut und hoffentlich nicht vergeblich auf § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung verweisen, wonach die Aussprache im Rahmen der Aktuellen Debatte in freier Rede zu führen ist.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: In freier und geheimer Rede!)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Schäfer.

(Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grünen nimmt Unterlagen mit ans Rednerpult. – Abg. Bebber SPD: Was hat er denn dabei? – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: In freier und geheimer Rede!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben heute ein großes Publikum für die Agrarpolitik.

(Abg. Teßmer SPD: Da sehen Sie, wie wichtig die Regierung die Agrarpolitik nimmt! – Abg. Göbel CDU: Das wird Sie nicht wundern!)

Mich wundert natürlich nicht, wie die Agrarpolitik bei der CDU besetzt ist. Aber in der Agrarpolitik passiert ja einiges, und auf der EU-Ebene und auf der Ebene der Bundesregierung haben wir eine deutliche Verlagerung von agrarpolitischen Schwerpunkten.

Sie von der CDU sind der Meinung, dass in Baden-Württemberg schon immer alles richtig gemacht wurde und dass daher kein besonders großer Veränderungsbedarf besteht.

(Zuruf des Abg. Göbel CDU)

Das sieht man auch, wenn man in die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zu BSE hineinschaut.

(Abg. Bebber SPD: Wenn man sie genau liest, ist es schon ein bisschen anders!)

Sie haben auch einen ehrenamtlichen Staatsrat eingestellt und wollen damit wahrscheinlich kaschieren, dass es auch in Baden-Württemberg an allen Ecken und Enden brennt, vor allem in den Bereichen, die jetzt wirklich im Mittelpunkt stehen.

Durch unsere Anfragen und durch Anfragen der SPD zu diesem Thema ist das mehr als deutlich geworden. Sie waren ja nicht einmal in der Lage, auf die einfache Frage, wie viele Personen in Baden-Württemberg für die Futtermittelkontrolle zuständig sind, eine konkrete Antwort zu geben.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Ich kann Ihnen gern vorlesen, wie Sie sich dazu geäußert haben. Es heißt: für jedes Regierungspräsidium je ein Referent mit 10 bis 20 %, je eine Sachbearbeiterin mit 30 bis 100 % und je ein Probenehmer mit 30 bis 85 %.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Das ist Unkenntnis zu 100 %!)

Das ist Unkenntnis zu 100 %, und das ist die Art und Weise, wie in einem zentralen Punkt, der jetzt für die Landwirtschaft sehr wichtig ist, nämlich bei der Sicherheit

von Futtermitteln, die Transparenz hergestellt wird, die auch von der Regierung gefordert wird. Damit hatten Sie bisher nichts zu tun.

Sie müssen dann zugestehen, dass Sie sich jetzt darum bemühen, acht neue Leute im Bereich der Futtermittelkontrolle einzustellen. Wenn ich das mit den 10 bis 20 % einmal überschlage und dann optimistisch rechne, komme ich zu dem Ergebnis, dass bisher vielleicht fünf bis sechs Stellen damit beauftragt waren. Wenn Sie jetzt noch acht einstellen wollen, dann ergibt sich mehr als eine Verdoppelung. Das zeigt aber auch, wie es bisher in diesem Bereich aussah.

Kommen wir zu den nächsten Bereichen, die für BadenWürttemberg von großer Bedeutung sind, und schauen wir uns zum Beispiel neben dem Bereich der Lebensmittelüberwachung, der genauso im Argen liegt, an: Wie ist der Zustand der Kontrollen? Frau Ministerin Staiblin, Sie haben ja schon bei den Tiermehlverschleppungen im Rinderkraftfutter sehr großzügig agiert und meinten, bis zu 1 % Verschleppungen könnten toleriert werden.

(Abg. Teßmer SPD: Sie ist halt tolerant!)

Sie ist sehr tolerant. – Das ist ein sehr großes Problem nicht nur für Bauern und Verbraucher. Aber diese fatale Strategie, die im Bereich BSE so problematisch ist, fahren Sie in allen anderen Bereichen auch. Ich kann nur sagen: Es hat mich wirklich erschüttert, dass Sie auch im Bereich des gentechnisch veränderten Saatguts kein Problem mit Verschleppungen sehen.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Sie ist halt tolerant!)

Ich kann einmal zitieren:

Winzige Spuren gentechnisch veränderten Saatguts sind für Mensch und Umwelt unschädlich.

(Abg. Teßmer SPD: Ach, ja! – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Am Kaiserstuhl ist man tolerant! – Zuruf des Abg. Göbel CDU)

Das ist genau die Strategie, die jetzt eigentlich geändert werden sollte. Ich kann einmal sagen, wie andere Länder auf diese Situation reagieren.

(Abg. Hauk CDU: Das ist die Strategie Embryo- nenschutzgesetz! – Gegenruf des Abg. Teßmer SPD: Oje, hör auf!)

Ich zitiere aus einer dpa-Meldung:

Landwirte in Frankreich haben damit begonnen, den versehentlich ausgesäten Genraps zu vernichten. In Schweden muss der mit gentechnisch veränderter Saat verunreinigte Raps auf staatliche Anordnung zerstört werden. Die Landesregierung von Baden-Württemberg und die britische Regierung planen dagegen weiterhin keine entsprechenden Maßnahmen.

Das ist Ihre Strategie, wie Sie damit umgehen, wie Sie vorsorgenden Verbraucherschutz betreiben.

(Abg. Göbel CDU: Von wann ist denn die Presse- mitteilung, Herr Schäfer?)

Diese Pressemitteilung ist vom Mai dieses Jahres.

(Abg. Kiel FDP/DVP: Vom Mai dieses Jahres? – Abg. Göbel CDU: Was haben Sie für einen Kalen- der? Ich denke, die ist vom letzten Jahr!)

Das ist ein Zeichen dafür, wie Sie bisher in allen Bereichen einen Schlendrian betrieben haben. Das heißt auch, wenn Sie in der Situation – –

(Zuruf des Abg. Göbel CDU)

Wollen Sie jetzt reden? – Wenn Sie keinen Veränderungsbedarf sehen, dann heißt das auch, dass Sie dann offensichtlich mit dem Schlendrian weitermachen wollen.

Aber gehen wir doch zu dem aktuellen Problem. Sprechen wir über die Veränderung des MEKA und das angeblich so ökologische Programm, das den ökologischen Landbau in Baden-Württemberg so gut fördert. Sie wissen ja selbst, dass selbst nach der Novellierung, die Sie jetzt vorgenommen haben, ein konventionell wirtschaftender Betrieb zum Beispiel im Bereich des Weizenanbaus bei Kombination aller Maßnahmen – sei es Halmverkürzung, Verringerung der chemischen Stickstoffdüngung, Erweiterung des Drillreihenabstands und, und, und – mehr Punkte bekommt als ein Betrieb, der im Rahmen des biologischen Anbaus einen kompletten Verzicht vornimmt und prinzipiell auf chemisch-synthetische Dünger verzichtet. Damit fördern Sie die Form der konventionellen Landwirtschaft mehr als den ökologischen Anbau. Auch da haben Sie nicht begriffen, dass jetzt wirklich die Wende der Agrarpolitik in Richtung Umweltverträglichkeit auf der Tagesordnung steht, sondern Sie sind nach wie vor bereit, die konventionell wirtschaftenden Betriebe mehr zu fördern als die ökologisch wirtschaftenden.

(Abg. Göbel CDU: Jetzt bin ich mal gespannt, ob Sie die Frau Künast mehr überzeugen können vom ökologischen Landbau!)

Da besteht bei Ihnen natürlich auf jeden Fall noch immer ein Nachholbedarf.

(Abg. Göbel CDU: Bis jetzt haben Sie noch keinen Erfolg!)

Sie meinen, das alles wäre nur in der Vergangenheit so gewesen, es habe nur da Versäumnisse und Probleme gegeben. Ich habe die Ministerin im Landwirtschaftsausschuss darauf aufmerksam gemacht, dass die Landwirte unter dem extremen Druck durch BSE hin und wieder auch dazu neigen – weil die Herden vielleicht getötet werden, wenn sie einen BSE-Fall haben –, die Rinder auf die eine oder andere Art und Weise, die nicht der Legalität entspricht, zu entsorgen.

(Abg. Göbel CDU: Das ist doch eine Unterstel- lung!)