Protokoll der Sitzung vom 03.02.2000

Einige von Ihnen sind darauf eingegangen, und ich will es deshalb auch tun: Was wir heute in der Zeitung zum Thema „Gewalt am Tatort Schule“ lesen, ist nicht identisch mit Gewalt in der Schule. Dies ist kein rhetorisches Brimborium. Auf diese Unterscheidung lege ich großen Wert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Eva Stanienda CDU: Richtig!)

Der Kollege Braun, der Vorsitzender der Jugendenquetekommission war – er ist gerade nicht da –, hat noch vor ungefähr einem Jahr gesagt, dass die Polizeikriminalstatistik im Blick auf das Thema „Gewalt in der Schule“ ein untaugliches Instrument sei

(Abg. Christine Rudolf SPD: Richtig!)

und wir andere Instrumente bräuchten. Deshalb rate ich uns sehr, das, was an Daten vorliegt, zunächst einmal daraufhin auszuwerten, welcher Aussagewert für die Schule und für uns darin überhaupt liegt. Tatsache ist, dass wir bundesweit von etwa 1 % gewaltbereiter Schüler und Schülerinnen ausgehen. Wer die gegenwärtigen Zahlen heranzieht, käme auf 0,25 %, wobei es mir widerstrebt, die Frage der Bedeu

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

tung von Gewaltbereitschaft in einer Gesellschaft wieder an statistischen Daten festzumachen.

(Abg. Seimetz CDU: Richtig! – Abg. Dr. Puchta SPD: Sehr richtig!)

Zweitens: Die Frage von Gewaltbereitschaft und ihrer Ursachen lässt sich erst in dem Moment wirklich bearbeiten, in dem wir die Statistik über die Opfer, über die Gewalterfahrung von jungen Menschen haben. Wir wissen, dass Gewalterfahrung, das Opfer von Gewaltbereitschaft Erwachsener zu sein, eine viel weiter verbreitete Erfahrung junger Menschen ist als die eigene Gewaltbereitschaft.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Da stehen Sie aber im Widerspruch zu Ihrer Fraktion!)

Deswegen sage ich auch an die, die die Daten erhoben haben, dass es gut und eigentlich auch im Sinne der öffentlichen Debatte über Gewalt ist, wenn man Daten, die man erhebt, mit denen bespricht, die sie angehen – das sind unter anderem unsere Schulen –, wenn man klarstellt: Es gibt nicht einfach eine steigende Gewaltbereitschaft in den Schulen, sondern auf dem Gelände von Schulen. Deshalb werden wir das tun, was wir in den vergangenen Jahren kontinuierlich getan haben, nämlich die Zusammenarbeit zwischen Innenministerium, Sozialministerium und Kultusministerium im Blick auf kontinuierliche Maßnahmen zur Gewaltvorbeugung, zur Prävention auszubauen.

Wir werden zweitens – ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Punkt ist – in diesem Bereich nicht allein Lehrerfortbildung betreiben, sondern auch Eltern einbeziehen.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Ja! – Zuruf der Abg. Christine Rudolf SPD)

Wir werden die Jugendreferenten der Polizei als gute Partner unserer Schulen weiterhin einladen, und wir werden in den nächsten Jahren, liebe Frau Rudolf, ganz gewiss mehr Schulsozialarbeit brauchen. Die Jugendenquete hat einen ersten Ansatz geliefert. Er ist in den Fraktionen doch unbestritten. Aber Sie wissen genauso gut wie ich, dass allein mit dem Thema Schulsozialarbeit nicht schon eine Antwort im Bereich von Gewalt gegeben ist.

Meine Damen und Herren, ich sage es noch einmal sehr dezidiert: Ich werde nicht zulassen, dass der Eindruck entsteht, unsere Schulen seien Horte der Gewalt inmitten einer ansonsten friedlichen Gesellschaft. Das dürfen wir nicht zulassen,

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

das ist Diffamierung einer ganzen Generation.

(Abg. Ingrid Blank CDU: Ja!)

Deshalb bitte ich fraktionsübergreifend: Lassen Sie uns dieses Thema nicht zum Zankapfel zwischen uns machen. Hier sollten wir gemeinsam arbeiten und auch gemeinsam junge Menschen vor Klischees, die nicht in Ordnung sind, bewahren.

Ein weiteres Thema: In den letzten zehn Jahren ist im Bildungswesen – das wird für die nächsten zehn Jahre noch

ganz verstärkt gelten – das Stichwort Internationalisierung bedeutsamer geworden. Wir stehen mit unseren Schulen nicht mehr allein in einem nationalen oder regionalen Wettbewerb, wir stehen längst in einem internationalen Wettbewerb. Zukunftschancen der jungen Generation heißt: Chancen schaffen in einem internationalen Wettbewerb. Deshalb haben wir das Euregiolehramt eingerichtet. Das mögen Sie jetzt auch wieder nicht gut finden. Das habe ich auch nicht anders erwartet. Immer, wenn Sie etwas vielleicht gut finden könnten, erwähnen Sie es lieber gar nicht.

(Abg. Zeller SPD: Habe ich etwas dagegen gesagt? – Zuruf der Abg. Christine Rudolf SPD)

Aber es ist einzigartig. Das gibt es an zwei Pädagogischen Hochschulen. Ich bin davon überzeugt: Das wird nicht allein dem Fremdsprachenlernen, sondern auch dem zweisprachigen Lehren und Lernen zugute kommen, und das ist ein wichtiger Schritt zur Internationalisierung unseres Bildungswesens.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Wer mehr zweisprachiges Lernen will, muss die Fremdsprache in die Grundschule bringen.

(Abg. Dr. Puchta SPD: Aber rechtzeitig!)

Ja, aber erst muss man Lehrer ausbilden und dann den anderen Schritt machen. So ist es immer noch.

Deshalb sagen wir: Auch in Zeiten, wo das finanziell nicht leicht sein wird, führen wir die Fremdsprache ab Klasse 1 ein; aber wir führen sie so ein, dass es solide ist, dass die Lehrer und Lehrerinnen gut vorbereitet sind, dass die Frage Englisch oder Französisch geklärt ist, und es ist keine Frage, dass wir nicht eine Fremdsprache ab Klasse 1 und nur Englisch einführen werden, sondern Französisch, die Sprache unserer Nachbarn, hat in diesem Land eine hohe Bedeutung, und die behält sie.

(Beifall bei der CDU – Abg. Zeller SPD: Sie haben es doch für 2001 angekündigt!)

Wir müssten doch verrückt sein, wenn wir jetzt mit einer neuen Maßnahme hinter dem zurückfielen, was wir mit dem Programm „Lerne die Sprache des Nachbarn“ erreicht haben. Nur, lieber Herr Zeller, wenn mich jetzt jeden Tag irgendjemand fragt, wie denn das Konzept genau aussehe, kann ich nur sagen: Das sage ich dann, wenn es fertig ist, wenn die Finanzierung geklärt ist und wir wissen, wie es geht. So geht Politik,

(Abg. Capezzuto SPD: Vorhin haben Sie von Ge- meinsamkeit gesprochen!)

nicht Schlagzeilen produzieren, sondern mit Konzepten dann hinausgehen, wenn man fertig ist. Genau das tue ich.

(Beifall bei der CDU – Abg. Zeller SPD: Wer pro- duziert denn Schlagzeilen? Sie haben gesagt, 2001 wollten Sie es einführen! Wo ist das Konzept? Wir wollen wissen, wie Sie es machen!)

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

Das werden Sie sehen. Welches Datum haben wir heute? 3. Februar 2000.

(Abg. Zeller SPD: Aber was machen Sie im Januar 2001? Da ist der Fremdsprachenunterricht ange- kündigt! – Abg. Dr. Puchta SPD: Wir machen nicht alles anders, aber alles besser!)

Ein Kultusminister Zeller würde das alles anders machen. Das mag ja sein. Aber warten Sie jetzt ab.

(Lebhafte Unruhe)

Dritter Punkt: das Thema Medien. Herr Maurer hat schon vor ein paar Wochen gesagt, dass die Niederlande jetzt unser großes Vorbild seien. Der Ausschuss war in den Niederlanden, und jetzt sind Sie informiert

(Abg. Dr. Puchta SPD: Reisen bildet!)

jawohl – und bringen Ihre Vermerke. Wir wussten allerdings auch schon vorher, dass die so weit sind. Dafür hätte man gar nicht hinfahren müssen.

(Abg. Zeller SPD: Aber Sie haben nichts daraus gelernt! – Abg. König REP: Ich war auch dabei und habe nicht so viel Gutes gesehen!)

Sie wissen doch, dass Baden-Württemberg mit Beginn dieser Legislaturperiode gesagt hat: Wir werden eine Medienoffensive auf den Weg bringen, die beides miteinander verbindet: Technik und Ausstattung einerseits, pädagogische Entwicklung andererseits. Sie wissen, dass in keinem Land der Bundesrepublik Deutschland so viele Lehrer – –

(Abg. Christine Rudolf SPD: Hören Sie doch auf!)

Nein, ich höre überhaupt nicht auf.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Was soll das denn?)

In keinem Land ist die Lehrerfortbildung im Bereich der neuen Medien so weit wie bei uns.

(Abg. Zeller SPD: Spitze, das wissen wir! Diese Platte kennen wir!)

„Spitze“ haben Sie gesagt. In keinem anderen Land gibt es 1 600 innovative Schulprojekte, die sich darum bemühen, dass die pädagogische Entwicklung der technischen Entwicklung entspricht. Sonst ist das Ganze pädagogisch überhaupt nicht angemessen und wertvoll.

(Abg. Zeller SPD: Schauen Sie einmal nach Nord- rhein-Westfalen!)

Jede Schule hat den multimediafähigen PC, und die Zahl der Computer in unseren Schulen ist dank vielfältiger Initiativen und kommunaler Investitionen und der Medienoffensive des Landes deutlich gestiegen. Es ist ja wahr: In Kalifornien und in den Niederlanden und übrigens auch in Singapur gibt es mehr Computer als in Deutschland.