Protokoll der Sitzung vom 03.02.2000

Wem darf ich das Wort für die CDU-Fraktion erteilen? – Herr Abg. Haas, Sie haben das Wort.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen, die Gespräche einzustellen oder nach draußen zu verlegen, damit Herr Abg. Haas verstanden werden kann.

Bitte schön, Herr Abg. Haas.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zu guter Letzt beraten wir heute den Einzelplan 09 – Sozialministerium. Wie bei allen Haushaltsberatungen wird die Opposition wahrscheinlich wieder sagen, wir würden einen Haushalt des Stillstands und der verpassten Chancen auf den Weg bringen,

(Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Brechtken SPD: Jawohl! Sehr gut! Der ers- te gute Satz von Herrn Haas, den ich gehört habe!)

er sei ein Beweis unserer Handlungsunfähigkeit. Sie werden es nicht glauben: Heute stimmt dieser Satz – allerdings bezogen auf die Bundesregierung.

(Oh-Rufe von der SPD – Abg. Göbel CDU: Das tut weh! – Gegenruf des Abg. Brechtken SPD)

Man stelle sich einmal vor, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, welche Proteste wir ertragen müssten, wenn eine von der Union geführte Bundesregierung nur annähernd solche Eingriffe, Verwerfungen und sozialen Schieflagen in der Sozialpolitik ausgelöst hätte.

(Oh-Rufe von der SPD – Zuruf der Abg. Ingrid Blank CDU)

Das so genannte Sparpaket des Bundesfinanzministers ist ja kein Sparpaket, wie wir wissen, sondern eine Lastenverschiebung in Richtung Länder und Kommunen und zulasten der Alten, Kranken, Behinderten, also der Schwächsten in unserer Gesellschaft. Gegen die Proteste in den eigenen Reihen von Rot-Grün ist nach dem Motto „Augen zu und durch“

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Kommen Sie ein- fach einmal zur Sache!)

eine unverantwortliche soziale Schieflage ausgelöst worden. Das ist genau das Thema, liebe Kollegin Haußmann, weil es ja, wie wir wissen, auch viele negative Auswirkungen auf die Sozialpolitik des Landes hat.

Mit dem unsäglichen Wort Gegenfinanzierung wird auch der kleine Mann, der Arbeitnehmer bzw. Pendler im ländlichen Raum, über die sozial absolut ungerechte Ökosteuer abgezockt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Kluck FDP/DVP: Sehr richtig!)

Eigenverantwortung, Solidarität und Subsidiarität: Von diesen Prinzipien geht unsere gesamte Sozialpolitik aus. Davon müssen wir uns auch in der Gesundheitspolitik leiten lassen. Der Weg von Rot-Grün über das Globalbudget hätte in die Zweiklassenmedizin geführt. Unsere Alternative ist: Die kleinen Risiken privat schultern, die großen Risiken solidarisch absichern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Warum spreche ich das an, meine Damen und Herren? Allein die Gesundheitsreform wirkt sich bei der AOK BadenWürttemberg mit Mehrkosten in Höhe von 400 Millionen DM aus. Dadurch drohen weitere Beitragssatzerhöhungen.

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Hat das mit dem Haushalt zu tun?)

Der Verwaltungsrat und der Vorstand der AOK BadenWürttemberg sahen keine andere Möglichkeit, als den Beitragssatz bereits zum 1. Januar um 0,5 Prozentpunkte zu erhöhen.

(Zuruf der Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen)

Ich spreche das an, weil auch das Thema Lohnnebenkosten eine Rolle spielt, Frau Kollegin Bender. Wenn Sie uns bei den Bemühungen um einen vernünftigen Risikostrukturausgleich unterstützen würden, hätten wir für unsere Arbeitnehmer weit mehr getan als durch die so genannte Gegenfinanzierung.

(Zuruf der Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen)

Denn das, was jetzt beschlossen ist, führt dazu, dass die Geberkassen am Ende wieder schlechter dastehen als die Nehmerkassen – zu vergleichen mit dem unsäglichen Länderfinanzausgleich. Auswirkungen auf die Politik in Baden-Württemberg hat auch die Streichung der originären Arbeitslosenhilfe in der Größenordnung von 1 Milliarde DM und des pauschalen Wohngelds für Sozialhilfebezieher, hat auch die Beteiligung der Kommunen am Unterhaltsvorschuss.

(Zuruf der Abg. Ingrid Blank CDU)

Insgesamt macht dies für unsere Kommunen Mehrbelastungen in Milliardenhöhe aus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit der Schmälerung der Beitragsbasis für Empfänger von Arbeitslosenhilfe werden Finanzierungsprobleme des Bundes auf die Sozial- und die Pflegeversicherung abgewälzt. Die angekündigte Änderung beim Zivildienst verschärft die Situation bei der ambulanten pflegerischen Betreuung, insbesondere bei der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung.

Wir werden mit dem Doppelhaushalt die Berliner Unzulänglichkeiten ausbügeln.

(Abg. Brechtken SPD: Aha, in Baden-Württem- berg wird der Zivildienst verlängert!)

Ein erfolgreicher Schwerpunktbereich in unserer Sozialpolitik ist der Bereich Familien, Frauen und Kinder. Die Familienpolitik der CDU knüpft an ihre familienpolitischen Initiativen aus den Achtzigerjahren an: Erziehungsgeld, Erziehungsurlaub, Erziehungszeiten im Rentenrecht. Wir müssen Familien stärken, indem wir insbesondere die finanziellen Rahmenbedingungen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Brecht- ken SPD: Klatschen Sie ein bisschen, damit der in Stimmung kommt! Euch muss man helfen!)

Vielen Dank, Herr Kollege Brechtken.

Mit der Novellierung des Kindergartengesetzes haben wir hier einen gewaltigen Schritt nach vorne getan. Ziel der Gesetzesnovellierung war ja mehr Flexibilität und mehr Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit. Das haben wir bei dem Gespräch mit Vertretern der Liga der Freien Wohlfahrtspflege bescheinigt bekommen, wie die Sozialpolitiker wissen. Das freut uns natürlich. Die Angebotsvielfalt, die wir in dieses Gesetz hineingebracht haben, ist aus unserer Sicht ein Volltreffer geworden. Im Übrigen geben wir natürlich eine ganze Menge Geld aus: 685 Millionen DM in diesem Haushaltsjahr und 695 Millionen DM im nächsten.

(Abg. Ingrid Blank CDU: Gut angelegt!)

Man muss zur Kenntnis nehmen, dass das gut angelegtes Geld ist und dass es auch eine Verdoppelung des Haushaltsansatzes in den letzten zehn Jahren bedeutet. Wir setzen ganz klar auf diese Betreuungsarbeit.

Das ist auch bei der Frauenpolitik der Fall, meine Damen und Herren, die wir fortsetzen, auch bei der Umsetzung des Landesgleichberechtigungsgesetzes, aber auch beim ZehnPunkte-Programm zu einer zukunftsorientierten Frauenpolitik.

Wir haben beim Programm „Mutter und Kind“ in diesem Haushaltsjahr 375 000 DM draufgesattelt, sodass insgesamt 12,875 Millionen DM für dieses wichtige Programm zur Verfügung stehen, und erstmals – das ist auch ein Beleg dafür, dass dieser Haushalt Neuigkeiten und Innovationen beinhaltet – fördern wir durch Betriebskostenzuschüsse Frauen- und Kinderhäuser, wie Sie wissen. Wir wollen auf gar keinen Fall, wie befürchtet wurde, dass die Kom

munen aus dieser Förderung aussteigen, sondern wir wollen ganz einfach mit unserer Bereitschaft, hier Geld hineinzugeben, auch die Bereitschaft der kommunalen Seite wecken und nicht einen Ausstieg provozieren. Es ist im Übrigen – darin sind wir uns einig – eine kommunale Aufgabe.

Wir haben die Mittel für die Familienerholung um 250 000 DM auf jetzt wieder 1,25 Millionen DM pro Haushaltsjahr aufgestockt. Auch dies ist eine positive Veränderung.

Einen weiteren wichtigen Bereich, nämlich den Bereich der Arbeitsmarktpolitik, wird mein Kollege Schuhmacher noch näher beleuchten. Wir schicken hierzu einen Praktiker ans Rednerpult und nicht etwa einen Gewerkschafts- oder anderen Theoretiker.

(Oh-Rufe von der SPD)

Franz Schuhmacher wird uns also dazu noch etwas sagen.

(Abg. Nagel SPD: ADAC-Großmutter! – Weitere Zurufe von der SPD: Theoretiker! Er ist selber nicht kompetent!)

Fühlen Sie sich etwa angesprochen, Herr Nagel? Ich bin Theoretiker, ja. Wir schicken einen Praktiker, Herr Kollege.

Ich will nur noch einmal zu der immer wieder wiederholten Kritik – auch in der Presse –, dass die Kofinanzierung für die ESF-Mittel im Haushalt nicht eingestellt sei, sagen: Ich bitte das hohe Haus noch einmal, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Finanzminister sowohl im Sozialausschuss wie im Finanzausschuss zugesagt hat, dass die Mittel eingestellt werden.

(Abg. Brechtken SPD: Sie sind nicht eingestellt! Entschuldigung!)

Sie konnten nicht eingestellt werden, weil wir noch keine feste Zusage von Brüssel haben. Dann kann man sie auch nicht beziffern. Das müssten Sie eigentlich wissen, Herr Brechtken.

(Abg. Brechtken SPD: Es besteht die Absicht, es möglicherweise einzustellen, aber die Mittel sind nicht eingestellt!)

Wir werden das selbstverständlich so machen, dass keine Mark nach Brüssel zurückgeht. Das ist wohl die wichtigste Botschaft in diesem Zusammenhang.

Lassen Sie mich zur Jugendenquetekommission und zur Umsetzung ihrer Handlungsempfehlungen nur sagen, dass die CDU-Landtagsfraktion ihr Versprechen gehalten und die Mittel in den Doppelhaushalt eingestellt hat. Es sind immerhin insgesamt – die Frau Ministerin Schavan hat ja vorhin schon einen Teil angesprochen – 14,7 Millionen DM in diesem Haushaltsjahr und 13,6 Millionen DM im nächsten Haushaltsjahr.

Unsere sozialpolitische Gestaltungs- und Handlungsfähigkeit wurde auch bei den Änderungsanträgen im Finanzausschuss deutlich. Einen Teil habe ich schon angesprochen. Im Altenhilfebereich nehmen wir Umschichtungen und Erhöhungen vor, die neuen und innovativen Erkenntnissen