Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bildungspolitik in Baden-Württemberg garantiert eine sichere Unterrichtsversorgung, sorgt für den notwendigen Freiraum zur Weiterentwicklung jeder einzelnen Schule, bietet den Jugendlichen Chancen, sich auf die Herausforderungen der Zukunft einzustellen, macht deutlich, dass nur eine lernende Gesellschaft eine zukunftsfähige Gesellschaft ist.
Wir unternehmen die notwendigen Schritte zur Weiterentwicklung des Schulwesens in einem offenen Dialog mit Eltern, Lehrern und Wissenschaft, mit Schülern, Schulträgern und künftigen Arbeitgebern.
Die Jugendlichen stehen vor großen Herausforderungen. In einer Welt des schnellen Wandels brauchen sie Orientierung, Wissen und die Fähigkeit, dieses anzuwenden. Sie sollten im eigenen Interesse das Lernen als ständige Aufgabe annehmen. Wir müssen mit ihnen den Aufbruch in die lernende Gesellschaft schaffen. Von der beruflichen Zukunft der jungen Menschen hängt der Zusammenhalt der ganzen Gesellschaft ab.
Schule ist in ihrem Erziehungsauftrag eng mit den Familien verbunden. Deshalb muss Schule auch die Veränderungen in der Familie im Auge haben und in ihren erzieherischen Auftrag einbeziehen.
Schule ist mit Fehlentwicklungen im privaten wie im öffentlichen Bereich konfrontiert. Gewaltanwendung in brutaler Form, Drogenmissbrauch, Konsumrausch, Flucht in virtuelle Welten bestimmen auch den Schulalltag. Schule braucht Gegenstrategien, um den jungen Menschen aus existenzgefährdenden Verstrickungen herauszuhelfen.
Damit ist eines klar: Wer immer glaubt, Schule müsse man einfach nur in Ruhe lassen, der irrt. Schule wird immer Gegenstand eines gesellschaftlichen Diskurses sein. Veränderungen müssen sein, doch muss verhindert werden, dass Schule zum Spielball von Ideologen wird.
Die politischen Zielsetzungen, die wir mit Schule verbinden, müssen wertebestimmt und rational sein. Bedeutende Schulreformen sind so in unserem Bundesland auf den Weg gebracht worden, andere sind in Vorbereitung und stehen kurz vor der Umsetzung.
Kindgerechtes Lernen ist zum Maßstab für die Grundschule geworden. Die flexible Einschulung nimmt auf die Individualität der Kinder Rücksicht. Die bevorstehende Einführung einer Fremdsprache ab Klasse 1 ist Ausfluss der wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Fremdsprachenlernen. Anwendungsorientiertes Sprachenlernen im frühkindlichen Alter ist altersgemäßes Lernen und belegt, dass dies ein Bildungsgut für alle Kinder ist. Es wird ihnen den leichteren Weg zum Erlernen weiterer Sprachen öffnen. Es wird ihnen helfen, sich Europa kulturell und beruflich zu erschließen.
Gestatten Sie mir als einem Abgeordneten vom Oberrhein den Hinweis darauf, dass man am Oberrhein sinnvollerweise Französisch als erste Fremdsprache im frühkindlichen Alter lernt. Wir haben in der Lehrerausbildung die Voraussetzungen dafür geschaffen, und für mich fast sensationell ist der Erfolg mit dem Euregiolehrer, dass wir es geschafft haben, mit den Franzosen eine Absprache zu treffen. Für ein Lehramt auszubilden, das in beiden Ländern anerkannt wird und zur Übernahme ins Lehrerarbeitsverhältnis führt, das finde ich ein ganz herausragendes Ergebnis, eine Etappe auf diesem Weg.
Mit dem neuen Schuljahr beginnt die verlässliche Grundschule. Familienpolitisch ist dies die wichtigste Maßnahme, die anstand. Wer sie überfrachten will, tut ihr keinen Gefallen.
Das Konzept sieht eine Ausgestaltung der verlässlichen Grundschule je nach den Bedürfnissen vor Ort vor. Wir wollen kein zentral aufoktroyiertes Betreuungsmodell, das der örtlichen Situation nicht Rechnung trägt und stattdessen alle über einen Kamm schert. Unser Modell erfordert und ermöglicht ein sinnvolles Miteinander von Schulen, Schulträgern und Familien.
Die Rahmenbedingungen waren allgemein akzeptiert. Der LEB zieht mit dem Grundkonzept mit. Für die gemeinsame Stellungnahme des Kultusministeriums und der kommunalen Landesverbände von dieser Woche bin ich dankbar, weil damit weitere Spekulationen um eine Gefährdung des Vorhabens obsolet geworden sind.
Wie immer bei großen Reformwerken gibt es Kritik, Bedenken, Eingriffe in lieb gewonnene Gewohnheiten. Am Ende werden wir im Interesse der Kinder und ihrer Familien einen großen Schritt weiter sein.
Wer immer sich am Totreden der Hauptschule beteiligt, erweist den Schülern, für die diese Schulart die beste ist, einen Bärendienst. Die IMPULSE Hauptschule bieten ein Bündel an Ansätzen zur differenzierten Förderung und haben hervorragenden Anklang gefunden. Wir müssen alles tun, um den Hauptschülern den beruflichen Anschluss zu ermöglichen. Das Land hat mit seinem Förderangebot für Jugendberufshelfer einen wichtigen Beitrag an dieser Scharnierstelle des Bildungswesens geleistet.
Die Tatsache, dass immer mehr Schüler berufliche Vollzeitschulen besuchen, belegt, dass wir hier mit großem Ressourceneinsatz zusätzliche Förderung auf dem Weg in den Beruf bieten. Mir wäre es allerdings lieber, wir kämen auf dem Weg der Reform dualer Ausbildungsordnungen schneller voran, um zu gestuften Abschlüssen und damit auch zu einem schnelleren Eintritt in ein Ausbildungsverhältnis zu kommen.
Wenn dies in unserer Hand läge, wäre es sicher schon erledigt. Doch leider ist das Berufsbildungsgesetz Bundesrecht, und der Reformbedarf wird noch nicht überall gesehen. Dass Reformbedarf besteht, zeigt nicht nur der Vorstoß der Kultusministerkonferenz, sondern zeigen auch die Reformentwürfe, die vom DIHT und vom Handwerk vorgelegt worden sind. Wir werden das in unserer Macht Stehende tun, um die Starrheit des Berufsbildungsgesetzes aufzubrechen und durch Öffnungsklauseln für regionale Erfordernisse neue Handlungsspielräume zu schaffen.
Unsere Realschülerinnen und Realschüler sind bei den Abnehmern in Behörden, Industrie und Handwerk in hohem Maß akzeptiert. Annähernd die Hälfte aller Ausbildungsverträge werden mit Realschülerinnen und Realschülern abgeschlossen. Bei informations- und telekommunikationstechnischen Berufen ist dieser Anteil noch wesentlich höher und liegt teilweise bei über 80 %.
Nach einer bundesweiten Untersuchung der Unternehmensberatungsfirma Kienbaum sind mehr als ein Fünftel der Führungskräfte sowohl auf höchster Ebene als auch auf der mittleren Ebene Realschulabsolventen. Damit sind sie dort häufiger vertreten als zum Beispiel Abiturienten ohne Hochschulabschluss. Ein Grund für den Erfolg der Realschule ist ihre rasche, unideologische und pragmatische Fähigkeit zur Anpassung an sich verändernde gesellschaftliche Bedürfnisse.
Als sich unsere Kultusministerin auf den Weg gemacht hat, die gymnasiale Oberstufe neu zu ordnen, war die Schar der Gleichgesinnten überschaubar. Inzwischen werden die Anhänger immer prominenter, und die Kultusministerkonferenz hat erkannt, welche Folgerungen aus Untersuchungen zur Leistungsfähigkeit deutscher Abiturienten zu ziehen sind. Wir werden die Neuordnung der gymnasialen Oberstufe zu einem guten Ende bringen. Dies ist keine Abkehr von einem modernen pädagogischen Konzept für die schulische Arbeit künftiger Eliten, sondern eine notwendige
In den letzten Jahren hat sich beinahe unbemerkt eine wirklich bedeutende Entwicklung vollzogen: die Reform der Lehrerbildung. Mit der Neufassung der Prüfungsordnungen aller Schularten werden die Voraussetzungen für eine stärkere Praxisorientierung, für die Vertiefung der erzieherischen Arbeit auf einem ethisch-philosophischen Hintergrund und für die Anwendung moderner Lehrmethoden gelegt. Wer Werteerziehung in der Schule für notwendig hält, muss dies auch zum Thema der Ausbildung machen. Wer Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Schule für richtig hält, muss die Voraussetzung dafür in der Ausbildung schaffen.
Es wird immer klarer, dass die Fähigkeit und die Bereitschaft, auf einer soliden Grundbildung aufbauend weitere Lernphasen folgen zu lassen, sich dabei auch selbst zu organisieren, Informationen zu beschaffen, zu befragen, zu bewerten und einzusetzen, die künftigen Möglichkeiten jedes Einzelnen entscheidend prägen. Deshalb begrüßen wir, dass Lernen lernen eine Teildisziplin jedes Fachs geworden ist. Das bedeutet nicht, dass der Erwerb von Grundlagenwissen durch reines Methodentraining ersetzt wird. Der gute Lehrer bleibt der Mittelpunkt des Unterrichts. Deshalb setzen unsere Überlegungen zur Reform der Lehrerbildung und die Konzepte der Lehrerfortbildung am richtigen Punkt an.
Ich möchte hier auch einmal ein Wort an die Lehrer richten, denen ich für ihre außerordentlich engagierte Arbeit im Dienst der Jugend unseres Landes ganz herzlichen Dank abstatten möchte.
Als im letzten Jahr von gewöhnlich interessierter, aber schlecht informierter Seite eine Kampagne zum Thema Unterrichtsversorgung gestartet wurde,
indem sie, auch unter Berücksichtigung des besonnenen Appells des Landeselternbeirats, erheben ließ,
(Abg. Zeller SPD: Sind wir jetzt beim Kapitel „Märchenstunde“? – Abg. Christine Rudolf SPD: Die Spitze dreht die Richtung!)
wie viel Unterricht im Land ausfällt, und gleichzeitig ankündigte, dass diese Erhebung künftig flächendeckend durchgeführt werde.
Nun hat die neueste systematische Erhebung die Ergebnisse des letzten Sommers bestätigt. Der Stundenausfall ist
nicht unerheblich, aber für alle, die sich mit der Schule auskennen, erträglich, zumal ja auch Ursachen vorliegen können, die bei einer Gesamtbetrachtung des pädagogischen Auftrags der Schule als sinnvoll angesehen werden müssen. Die Zahlen belegen, dass Baden-Württemberg im Vergleich mit anderen Flächenstaaten ähnlicher Größe und Struktur sehr gut dasteht. In Nordrhein-Westfalen liegt der Unterrichtsausfall gegenüber dem Stundenplan bei 6,7 %,
in Schleswig-Holstein bei 4,8 %. Trotzdem wird Herr Maurer nicht müde, ständig zu wiederholen, wie schlecht wir im Bundesvergleich dastünden.
Meine Damen und Herren von der SPD, nachhaltige Schulqualität lässt sich nicht allein durch Zuweisung finanzieller Mittel gewinnen.
Dass die teuerste Schule nicht automatisch die beste ist, zeigen die von der SPD so hoch gelobten Gesamtschulen.
Alle Untersuchungen belegen, dass diese Schulart trotz eines überdurchschnittlichen Ressourcenverbrauchs an Lehrkräften und Finanzmitteln
(Beifall bei der CDU – Abg. König REP: Er hat selten Recht, aber hier hat er Recht! – Abg. Zeller SPD: Seit zehn Jahren die gleiche Leier! – Abg. Christine Rudolf SPD: Ist das die Rede vom letz- ten Jahr, Herr Kollege?)
Wenn in diesen Zeiten ständig nur nach neuen Lehrerstellen und zusätzlichen Mitteln gerufen wird, beweist das nicht nur finanzpolitische Kurzsichtigkeit, sondern vor allem eine bildungspolitische Fantasie- und Konzeptlosigkeit sondergleichen. Wir werden dafür Sorge tragen, dass die Ursachen für den Unterrichtsausfall gezielt angegangen werden. Deshalb legen Ihnen die Regierungsfraktionen heute Anträge vor, die mit Blick auf das kommende Schuljahr frühzeitig die Voraussetzungen schaffen, der weiter anwachsenden Schülerzahl gerecht zu werden. Mit zusätzlichen 152 Millionen DM ergänzen wir das notwendige Instrumentarium und schaffen zugleich Flexibilität in der Lehrerversorgung.