Protokoll der Sitzung vom 04.02.2000

Verehrte Damen, meine Herren, seit heute liegt ein neuer Änderungsantrag der Sozialdemokraten vor, dem zufolge die Nettokreditaufnahme in den Planjahren um 1 Milliarde DM verringert werden soll. In der Begründung steht zwar, wie sich die sozialdemokratische Genossenschaft die notwendige Deckung der ungedeckten 650 Millionen DM im Einzelnen vorstellt. Entsprechende Deckungsanträge fehlen jedoch zur jetzigen Lesung, obwohl sie erforderlich wären, nachdem sämtliche bisherigen Änderungsanträge der Sozialdemokraten im Finanzausschuss abgelehnt wurden. Daraus schließen wir, dass die SPD ihren Antrag ebenso ernst nimmt wie wir, nämlich nicht.

(Heiterkeit bei der CDU)

Meine Damen und Herren, im Doppelhaushaltsentwurf ist auch Vorsorge für eine etwaige lineare Erhöhung der Beamten- und Versorgungsbezüge um 1,5 % in diesem Jahr getroffen. Die sozialdemokratische Genossenschaft

(Abg. Brechtken SPD: Diese Form der Sprache ist aber ein bisschen belegt, Herr Kollege!)

will die diesbezüglichen Ansätze um 300 Millionen DM kürzen – mit Blick auf die bisherige Absicht der Bundesregierung, die Steigerung auf 0,6 % zu begrenzen.

Im Vermittlungsausschuss ist das entsprechende Gesetzesvorhaben der Bundesregierung mittlerweile endgültig gescheitert. Deswegen ist es nicht ausgeschlossen, dass sich, wie meistens in der Vergangenheit, die lineare Erhöhung am Ergebnis der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst orientieren wird. Entgegen der Absprache im Bündnis für Arbeit auf Bundesebene wurden im Tarifbereich von den Gewerkschaften Forderungen zwischen 5 % und 6 % angekündigt. Angesichts dieser Tatsachen ist die begehrte Kürzung unseriös, weil durch sie ein erhebliches Haushaltsrisiko geschaffen würde.

Verehrte Damen, meine Herren, mit ihrem äußerst windigen Haushaltskonzept hat die SPD-Fraktion erneut gezeigt, dass sie nicht einmal oppositionstauglich ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der CDU: Das war ein Lob für die Grünen!)

Dies beruht darauf, dass sie von ihrem Vormann unter ihren Möglichkeiten geführt wird.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Moser.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerhard Mayer-Vorfelder, den die Kultusministerin gestern als den „genialen“ Minister bezeichnete, hat am 15. Januar 2000 in den „Stuttgarter Nachrichten“ erklärt, man könnte den Sparkurs konsequen

ter fortsetzen, jetzt sprudelten die Steuern wieder, und man habe Hemmungen, das Ziel einer Nullverschuldung zu verkünden.

Wenn zu meiner Zeit die Steuereinnahmen nicht so weggebrochen wären, hätten wir die Nullverschuldung erreicht. Ein Großteil der Steuermehreinnahmen müsste jetzt zur Absenkung der Neuverschuldung verwendet werden.

(Minister Dr. Repnik: Sie haben eine schöne neue Brille!)

Sie haben auch eine schöne Brille, Herr Minister. Wo haben Sie die denn gekauft?

Ich zitiere weiter:

Unsere Auffassungen stimmten zum Schluss nicht mehr überein. Ich war für einen schärferen Sparkuss – Sparkurs.

(Heiterkeit – Beifall bei der CDU – Zurufe, u. a. des Ministers Dr. Repnik)

Er glaubte – wo ist er denn? –, dass der Sparkurs mehr schade als nutze. Er redete über den Ministerpräsidenten Teufel.

(Zurufe von der CDU)

Sie werden mir wohl abnehmen, dass ich den Herrn Ministerpräsidenten nicht küssen würde.

(Zurufe: Wer weiß! – Weitere Zurufe)

Wo Gerhard Mayer-Vorfelder Recht hat, hat er Recht. Und er hat in diesem Zusammenhang Recht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn Sie es noch einmal sehen wollen: Hier ist es. Ich lasse es allen noch einmal veröffentlichen.

(Abg. Dr. Puchta SPD: Kein Sparhaushalt!)

Dieser Haushalt ist kein Sparhaushalt. Er führt weiter auf dem Weg des Schuldenmachens. Ich füge hinzu: Sie versuchen wieder wie schon bei der Verabschiedung des letzten Doppelhaushalts mit Formulierungen wie „Konsolidierung“ und „weniger Schulden“ der Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen. Ist nun die Erhöhung der Kreditaufnahme um 1,9 Milliarden DM und 1,8 Milliarden DM in den kommenden zwei Jahren eine Konsolidierung oder eine Neuverschuldung? Als ich zur Schule gegangen bin, war es noch eine Neuverschuldung, denn es sind mehr Schulden.

(Minister Dr. Repnik: Schon lange her! – Zuruf von der SPD: Und das ist noch nicht lange her!)

Auch zu der Zeit, als Mayer-Vorfelder noch Kultusminister war, waren Schulden Schulden. Er hat sich immer gegen diese komischen neuen Rechenarten gewandt, ich übrigens auch.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Kuhn Bünd- nis 90/Die Grünen)

Über diese Neuverschuldung erhöhen Sie den Schuldenstand und die Zinsbelastung für das Land. Man gewinnt den Eindruck, dass Sie diese Schulden eigentlich in der Absicht machen, sie nie zurückzuzahlen. Wir bewegen uns, wenn es nach Ihrer Regierung geht, auf die 64-MilliardenDM-Grenze bei den Schulden zu. Diesen Kurs machen wir nicht mit. Wir machen ihn ganz einfach nicht mit. Ich wundere mich übrigens, dass Sie, Herr Kiel, ihn mitmachen. Sie waren früher auch immer unserer Meinung.

(Zuruf des Abg. Kiel FDP/DVP)

Da helfen auch keine Versprechungen, im Jahr 2006 oder 2007 oder noch später zur Nullneuverschuldung zu kommen. Wer heute Neuschulden verhindern kann – und dieses Mal könnten wir es – und es trotzdem nicht tut, der lässt den Karren weiter in die Schuldenfalle schlittern.

Dass Sie den Mut nicht haben, die Neuverschuldung nach unten zu drücken, zeigt sich auch in der mittelfristigen Finanzplanung. Dort eröffnen Sie wieder einen neuen Schuldenkorridor, und ich habe bis heute noch nicht verstanden, warum Sie dies tun.

(Zuruf des Abg. Wieser CDU)

Im Jahr 2002 1,5 bis 2,3 Milliarden DM, im Jahr 2003 1,2 bis 2 Milliarden DM pro Jahr Neuverschuldung. Wie Sie später überhaupt davon herunterkommen wollen, verstehe ich nicht, und ich verstehe auch die Begründung nicht. Sie ist nämlich eine Begründung, die gegen Ihre eigenen Argumente spricht.

Wenn wir zu einer Steuerreform kommen und Unternehmen entlasten sowie Steuerschlupflöcher schließen – übrigens: wir haben jetzt schon die ersten Erfolge, was die Mehreinnahmen anbelangt –, dann würden nach der Argumentation der CDU und auch nach der Argumentation des Finanzministers die Steuern eher noch stärker steigen, als sie es bislang getan haben. Das heißt, auch das Absenken des Steuerniveaus wird zu einem Ausgleich bei den Einnahmen führen.

(Abg. Kiel FDP/DVP: Aber nicht sofort!)

Diese Argumentation ist aber plötzlich nicht mehr da, nur weil es Ihnen in den Kram hineinpasst, weiterhin den Schuldenkorridor zu öffnen.

Im Übrigen halte ich das auch psychologisch für das absolut Falsche, und ich glaube auch, dass wir uns als Parlament überlegen müssen, ob wir, obwohl wir in vielen Etatbereichen für eine Budgetierung sind, bei den Schulden eine so genannte Schuldenbudgetierung mitmachen. Wir werden nämlich immer weniger Möglichkeiten haben, in allen Einzelfällen zu kontrollieren, ob das Geld sinnvoll ausgegeben wird oder nicht, und wir werden als Parlament nur noch wenige Hebel haben, um die Regierung auf den richtigen Weg zu bringen. Zu den wenigen Möglichkeiten, die wir dazu haben werden, gehört die Schuldenbegrenzung und die Frage, ob jede Neuverschuldung jedes Mal – auch bei einem Nachtragshaushalt – hier im Parlament abgeholt werden muss.

Deshalb haben wir uns stringent und strikt dagegen gewandt, jetzt mit solchen Pauschalzahlen zu arbeiten, Rücklagen zu bilden, Schuldenspreizungen zu machen, überhöh

te Ansätze zu machen und stille Reserven zu bilden. Das hat sich bei diesen Haushaltsplanberatungen alles vermengt, und es gibt Leute, die gesagt haben: Ich blicke gar nicht mehr durch; denn ihr von der CDU bringt einen Haushalt ein, der schon dann, wenn er eingebracht ist, gar nicht mehr stimmt, weil Ausgaben der Kultusministerin gar nicht angesetzt sind. Da wird dann gesagt: Wir liefern euch die Finanzierung nach.

Dann entdecken Sie während der Beratungen selbst, dass Sie bei bestimmten Ansätzen die Mehreinnahmen etwas zu niedrig angesetzt haben. Als Sie gemerkt haben, dass Ihnen das Geld da nicht ausreichen würde, haben Sie plötzlich die zusätzlichen Einnahmen aus der Steuerschätzung, zum Teil aus der Novemberschätzung, erhöht und haben dadurch bestimmte Dinge finanziert.

(Abg. Hauk CDU: Aber Sie können ja nicht einmal zusammenrechnen! – Gegenruf des Abg. Capez- zuto SPD)

Es war ein großes Durcheinander, was an Zahlen geliefert worden ist, und damit haben Sie begründet, dass Sie eine neue Schuldenspreizung in der mittelfristigen Finanzplanung brauchen. Sie haben erklärt, dass nicht sicher sei, welche Einnahmen kämen, und dass man deswegen bei der ganzen Sache flexibel sein müsse.

Ich sage es noch einmal: Ich halte das psychologisch für den falschen Weg, weil man damit den Kampf, Neuverschuldung zu verhindern, aufgegeben hat. Das Geschwätz, es gehe um die Zukunft unserer Kinder und die Kinder müssten später die Lasten tragen usw., können wir alles vergessen, wenn wir jetzt, wo die Wirtschaft anspringt, wo die Bundesregierung eine ordentliche Politik macht, die Neuverschuldung nicht vermeiden.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU)

Darauf habe ich gewartet! Wo ist denn der Herr Kollege Winckler? So, wie Sie vorhin zu uns geredet haben, kann ich nur sagen: So reden die – –

(Zurufe von der CDU: Wer?)

Wollen Sie es wissen? – Sie reden wie die Vereinigung der Freunde der italienischen Oper. Wissen Sie, wer das ist? Das sind diejenigen, die mit Geld umgehen können, und diejenigen, die mit Schulden umgehen können.