Clemens Winckler

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Herr Präsident, verehrte Damen, meine Herren! Einer der Beweggründe für die Einführung der Fehlbelegungsabgabe zu Beginn der Neunzigerjahre war der Aspekt der sozialen Gerechtigkeit. Ebenso wie damals sehen wir es auch jetzt noch als sozial ungerecht an, wenn Nutzer von Sozialwohnungen, ohne hierauf angewiesen zu sein, begünstigt werden, indem sie durch Steuergelder verbilligte Mieten zahlen. Deshalb halten wir an der Abgabe grundsätzlich fest, wohl wissend, dass sie ab dem nächsten Jahr nur noch in 93 Kommunen erhoben wird.
Manchen Sozialdemokraten ist die Fehlbelegungsabgabe ein Dorn im parteipolitischen Auge.
So beantragte zum Beispiel die SPD-Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat kürzlich die Abschaffung der Abgabe.
Dies ist ein weiterer Beweis dafür, wie das Verständnis von sozialer Gerechtigkeit mittlerweile bei Sozialdemokraten verkommen ist.
Offensichtlich macht die einschlägige Praxis der rot-grünen Bundesregierung und ihres Kanzlers bereits Schule. Davon abgesehen erfordert nach meiner Ansicht ein derartiges Ansinnen die Aufhebung des entsprechenden Bundesgesetzes, die jedoch mangels Einflusses der südwestdeutschen SPD in Berlin nicht in Sicht ist.
Im Gegensatz zu dem sozialdemokratischen Bestreben wollen wir das Fehlbelegungsabgaberecht lediglich so geändert wissen, dass sich die Abgabe künftig nicht mehr schädlich auswirken kann.
Meine Damen und Herren, Schädliches hat die Fehlbelegungsabgabe bisher in Siedlungen mit überwiegendem Sozialwohnungsbestand bewirkt. Auch bedingt durch eine gewisse Entspannung auf dem allgemeinen Mietwohnungsmarkt ist dort ihre Akzeptanz in den letzten Jahren beträchtlich geschwunden.
Folglich wanderten bereits zahlreiche Abgabepflichtige aus solchen Siedlungen ab.
Herr Birzele, Sie müssen lernen, bis zum Schluss zuzuhören. Dann können Sie einen Zwischenruf machen.
Für sie rückten sozialwohnungsberechtigte Personen nach, die meistens in mehrfacher Hinsicht soziale Schwierigkeiten haben. Dadurch wurde die ohnehin schon ziemlich problematische Bewohnerstruktur noch ungünstiger.
Verehrte Damen, meine Herren, wenn die gegenwärtige Abwanderung Abgabepflichtiger unvermindert anhalten sollte, drohen manche der Siedlungen in absehbarer Zukunft zu sozialen Brennpunkten
mit den allseits bekannten gravierenden Problemen zu werden. Im Interesse der dort lebenden Menschen ist es unerlässlich, dieser Gefahr zu begegnen,
beispielsweise dadurch, dass für abwanderungsgeneigte Abgabepflichtige ein Anreiz geschaffen wird, in den besagten Siedlungen, in denen sie größtenteils schon Jahrzehnte wohnen, zu verbleiben. Denn Fehlbeleger sind in meinen Augen ein Glücksfall für derartige Siedlungen. Sie tragen nämlich wesentlich zu deren Stabilität bei, nicht zuletzt durch vielfältiges siedlungsbezogenes ehrenamtliches Engagement.
Meine Damen und Herren, die vorgesehenen Gesetzesänderungen erscheinen uns geeignet, die häufig zur Vertreibungsabgabe ausgeartete Fehlbelegungsabgabe zu entschärfen.
Ausdrücklich begrüßen wir die Absicht, den Kommunen zukünftig das Recht zu geben,
sowohl für ganze Gebiete als auch für einzelne Gebäude und Wohnungen teilweise oder gänzlich von der Erhebung der Abgabe absehen zu dürfen, wenn dies zum Erhalt oder zur Herstellung sozial gemischter Belegungsstrukturen geboten ist.
Inwieweit davon Gebrauch gemacht werden kann, hängt entscheidend davon ab, ob eine Gebiets-, Gebäude- und Wohnungsabgrenzung möglich ist, die dem Gleichheitsgrundsatz gerecht wird. Angesichts einschlägiger Rechtsprechung wird dies möglicherweise nicht ganz einfach sein.
Deswegen sind zur Entschärfung der Fehlbelegungsabgabe auch die anderen beabsichtigten Korrekturen notwendig. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Eingriffsschwelle und der Erhebungsstufen. Es ist erfreulich, dass das Wirtschaftsministerium insoweit den weiter gehenden Vorstellungen der Koalitionsfraktionen gefolgt ist.
Verehrte Damen, meine Herren, momentan besteht eine Abgabepflicht dann, wenn das Haushaltseinkommen die für den Bezug einer Sozialwohnung maßgebende Einkommensgrenze um mehr als 20 % übersteigt. Eine Anhebung dieser Eingriffsschwelle auf 40 % ist unseres Erachtens erforderlich. In anderen Bundesländern ist sie zum Teil so hoch oder sogar höher. Sie beträgt zum Beispiel in Hamburg 40 %, in Berlin 50 % und in Bayern 55 %.
Ein triftiger Grund für die Erhöhung ist auch die Tatsache, dass viele Fehlbeleger nicht etwa wegen gestiegener Einkommen abgabepflichtig geworden sind, sondern allein deshalb, weil sich durch den Auszug von Kindern aus der elterlichen Wohnung die Zahl der Haushaltsangehörigen verringert hat und dadurch die für die Abgabe maßgebende Einkommensgrenze erheblich gesunken ist. Die Betroffenen empfinden dies als eine unzumutbare Härte.
Meine Damen und Herren, die Anhebung der Eingriffsschwelle wird die Zahl der Abgabepflichtigen verringern, während die Änderungen bei den Erhebungsstufen sowie die Begrenzung der Höchstbeträge auf den MietspiegelMittelwert zu spürbaren Entlastungen dann noch abgabepflichtiger Fehlbeleger führen werden. Die daraus resultierenden kommunalen Mindereinnahmen werden sich voraussichtlich – der Herr Minister hat dies ausgeführt – in einem vertretbaren Rahmen bewegen. Sie sind zumutbar, weil den Kommunen durch die positiven Wirkungen der Gesetzesänderungen sicherlich gewisse problemrelevante Ausgaben erspart bleiben.
Verehrte Damen, meine Herren, der vorliegende Gesetzentwurf ist nach unserer Auffassung, Herr Birzele, ein Kompromiss zwischen dem Gebot der sozialen Gerechtigkeit und der Notwendigkeit, einen Landesbeitrag zur Verhinderung sich abzeichnender negativer Entwicklungen zu erbringen.
Er wird daher von uns akzeptiert werden.
Herr Präsident, verehrte Damen, meine Herren! Der Finanzminister hat nahezu alles gesagt, was ausgeführt werden musste.
Um Sie nicht zu langweilen und aus zeitökonomischen Gründen beschränke ich mich deshalb heute und hier auf ganz wenige Sätze.
Die jährlichen Versorgungsausgaben des Landes werden voraussichtlich von derzeit rund 4 Milliarden DM auf etwa 16 Milliarden DM im Jahr 2029 ansteigen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird diese unabweisbare enorme Zukunftsbelastung spätestens ab dem Jahr 2014 zu empfindlichen Einschränkungen von Aufgaben und Leistungen des Landes führen. Ein wenig gemildert werden können die für unsere Bürgerschaft nachteiligen Auswirkungen solcher Maßnahmen durch die Versorgungsrücklage, die, wie der Herr Finanzminister ausgeführt hat, bekanntlich ab dem Jahr 2014 für die Dauer von 15 Jahren zur teilweisen Finanzierung der Versorgungsausgaben verwendet werden soll. Im Hinblick darauf sollte das Sondervermögen ohne Vernachlässigung des Sicherheitsaspektes so ertragbringend wie möglich angelegt werden.
Die bisherigen Zinserträge sind relativ bescheiden. Wir begrüßen deshalb die Absicht, durch die Erweiterung der Anlagemöglichkeiten künftig die Rentabilität zu verbessern. Ob allerdings der Aktienanteil dem Gesetzentwurf entsprechend bis zu 50 % betragen soll oder aber, was in der Vorlage verschwiegen wird, auf 30 % beschränkt werden soll, wie der Beirat offenbar beschlossen hat, darüber muss angesichts der jüngsten crashartigen Kursverluste rund um den Globus bei der Beratung im Finanzausschuss noch gesprochen werden.
Ja.
Herr Präsident, verehrte Damen, meine Herren! Das Haushaltskonzept der SPD-Fraktion wurde von ihrem Vormann als solide gepriesen. Mit dem Wort „solide“ wird – so jedenfalls besagen es deutsche Wörterbücher – eine als Tugend verstandene Verhaltensweise umschrieben. Bei der sozialdemokratischen Genossenschaft steht dieses Wort aber offensichtlich für ein Verhalten, das üblicherweise nicht positiv beurteilt wird.
Bewiesen hat sie dies im Laufe der Haushaltsplanberatungen wiederholt, ganz besonders bei der Beratung des Einzelplans 12 im Finanzausschuss. Was die Sozialdemokraten dort zum Teil beantragt haben, war, milde ausgedrückt, ausgesprochen unsolide. So wollten sie beispielsweise bereits feststehende Steuerausfälle von 438 Millionen DM
aufgrund zweier schon in Kraft getretener Bundesgesetze, nämlich des Familienförderungsgesetzes und des Steuerbereinigungsgesetzes 1999, nicht als Mindereinnahmen etatisiert wissen.
Aber es kam noch schlimmer. Von den 438 Millionen DM Steuerausfällen sollten nach dem Willen der SPD 333 Millionen DM, also nicht zu erwartende Einnahmen, zur entsprechenden Verringerung der geplanten Nettokreditaufnahme verwendet werden.
Möglich wäre dies nur, wenn es bei den Sozialdemokraten Wundertäter gäbe, die Steuerausfälle in Steuereinnahmen verwandeln könnten. Doch solche gibt es in den sozialdemokratischen Reihen nicht, dafür aber so genannte Finanzexperten, zu denen auch der Finanzausschussvorsitzende zählt, die öfter auf ziemlich absurde Ideen kommen.
Gnädig gestimmt, gehe ich zugunsten mancher Sozialdemokraten davon aus, dass sie bei der Erörterung derartiger Ideen in ihrer Fraktion ihren Gehirnen eine Arbeitsniederlegung auferlegt hatten.
Meine Damen und Herren, eine Finanzpolitik, die als seriös gelten will, muss erkennbare Risiken im Haushalt angemessen berücksichtigen. Absehbar ist gegenwärtig, dass es ab dem nächsten Jahr zu von uns gewollten deutlichen Steuerentlastungen und damit zu enormen Steuerausfällen kommen wird. Für diesen wahrscheinlichen Fall sind im Doppelhaushaltsentwurf 300 Millionen DM veranschlagt, die zusammen mit dem Haushaltsüberschuss 1999 zum teilweisen Ausgleich der reformbedingten Steuerausfälle bestimmt sind.
Obwohl auch die SPD eine große Steuerreform möchte, wollte sie keinerlei Kompensationsvorsorge treffen. Sie verlangte vielmehr, sowohl die Rücklagemittel von 300 Millionen DM als auch die nicht etatisierten Steuermehreinnahmen des vergangenen Jahres, die Teil des Haushaltsüberschusses 1999 sein werden, zur Senkung der vorgesehenen Nettokreditaufnahme zu nutzen. Hinter dieser verantwortungslosen Haltung verbirgt sich möglicherweise eine infame Strategie der sozialdemokratischen Genossenschaft, die wohl so aussehen könnte:
Jetzt soll, wie von der SPD beantragt, eine verhältnismäßig geringe Nettokreditaufnahme beschlossen werden, die wegen der Auswirkungen der Steuerreform 2001 Ende dieses Jahres im Rahmen eines Nachtragshaushalts – natürlich gegen die sozialdemokratischen Stimmen – beträchtlich erhöht werden müsste. Unter Hinweis auf diese Anhebung würden die Sozialdemokraten dann vermutlich, da sie sachpolitisch ja nichts Vernünftiges zu bieten haben,
im nächsten hiesigen Landtagswahlkampf die Regierungsparteien als Schuldenmacher verunglimpfen.
Die Gelegenheit dazu werden wir der SPD nicht geben.
Verehrte Damen, meine Herren, seit heute liegt ein neuer Änderungsantrag der Sozialdemokraten vor, dem zufolge die Nettokreditaufnahme in den Planjahren um 1 Milliarde DM verringert werden soll. In der Begründung steht zwar, wie sich die sozialdemokratische Genossenschaft die notwendige Deckung der ungedeckten 650 Millionen DM im Einzelnen vorstellt. Entsprechende Deckungsanträge fehlen jedoch zur jetzigen Lesung, obwohl sie erforderlich wären, nachdem sämtliche bisherigen Änderungsanträge der Sozialdemokraten im Finanzausschuss abgelehnt wurden. Daraus schließen wir, dass die SPD ihren Antrag ebenso ernst nimmt wie wir, nämlich nicht.
Meine Damen und Herren, im Doppelhaushaltsentwurf ist auch Vorsorge für eine etwaige lineare Erhöhung der Beamten- und Versorgungsbezüge um 1,5 % in diesem Jahr getroffen. Die sozialdemokratische Genossenschaft
will die diesbezüglichen Ansätze um 300 Millionen DM kürzen – mit Blick auf die bisherige Absicht der Bundesregierung, die Steigerung auf 0,6 % zu begrenzen.
Im Vermittlungsausschuss ist das entsprechende Gesetzesvorhaben der Bundesregierung mittlerweile endgültig gescheitert. Deswegen ist es nicht ausgeschlossen, dass sich, wie meistens in der Vergangenheit, die lineare Erhöhung am Ergebnis der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst orientieren wird. Entgegen der Absprache im Bündnis für Arbeit auf Bundesebene wurden im Tarifbereich von den Gewerkschaften Forderungen zwischen 5 % und 6 % angekündigt. Angesichts dieser Tatsachen ist die begehrte Kürzung unseriös, weil durch sie ein erhebliches Haushaltsrisiko geschaffen würde.
Verehrte Damen, meine Herren, mit ihrem äußerst windigen Haushaltskonzept hat die SPD-Fraktion erneut gezeigt, dass sie nicht einmal oppositionstauglich ist.
Dies beruht darauf, dass sie von ihrem Vormann unter ihren Möglichkeiten geführt wird.