Protokoll der Sitzung vom 09.02.2000

Bleiben wir doch einmal beim Beispiel Ökosteuer. Sie kritisieren den jetzigen Ansatz mit einer Erhöhung der Mineralölsteuer um zwölf Pfennig

(Abg. Haasis CDU: Nächstes Jahr wieder sieben Pfennig!)

und der gleichzeitigen Absenkung der Sozialversicherungsbeiträge um einen Prozentpunkt als sozial unausgewogen.

(Abg. Dr. Eva Stanienda CDU: Natürlich!)

Als sich allein in den Jahren 1989 bis 1994 in der Ära Kohl die Erhöhung der Mineralölsteuer auf 50 Pfennig summiert hat

(Abg. Haasis CDU: Aber nicht vom Staat erhöht!)

und gleichzeitig – Herr Kollege Haasis – die Sozialversicherungsbeiträge um 1,4 % Prozentpunkte gestiegen sind,

(Große Unruhe und Zurufe – Glocke des Präsiden- ten)

da war von Ihnen keine Silbe zu hören.

(Beifall bei der SPD – Abg. Capezzuto SPD zur CDU: So schnell vergesst ihr! – Abg. Haasis CDU: Ach was!)

Das nenne ich ein familienpolitisches Armutszeugnis.

(Beifall bei der SPD – Abg. Ingrid Blank CDU: Sie vermischen etwas, Frau Wonnay!)

Die Regierung Kohl hat zu Recht vom Bundesverfassungsgericht in Sachen Familienlastenausgleich die rote Karte erhalten. 15 Jahre lang haben Sie Familien verfassungswidrig besteuert. Wo waren Sie denn in dieser Zeit?

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf von der SPD: Abgetaucht!)

Wer sich über Jahre in der familienpolitischen Sackgasse befindet, sollte sich jetzt nicht als Lokomotive aufspielen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf von der SPD: Ungeheuerlich! Un- glaublich! – Abg. Roland Schmid CDU: Rechnen Sie doch einmal vor, was Sie gemacht haben!)

Da knüpfen Sie, muss ich sagen, in bester Manier an Claudia Nolte an, die Familienarmut aber wirklich mit Taschenspielertricks wegdefinieren wollte.

(Abg. Haasis CDU: Das ist ja das Allerletzte!)

Auf unsere konkrete Frage, welches Konzept die Landesregierung zum Abbau von Familienarmut hat, hat die Landesregierung wortwörtlich geantwortet – –

(Abg. Ingrid Blank CDU: Lesen Sie doch einmal unseren Familienbericht! Vergleichen Sie einmal mit SPD-regierten Bundesländern!)

Eben von diesem Familienbericht spreche ich.

(Abg. Seimetz CDU: Was passiert bei der SPD?)

Hören Sie gut zu, Herr Kollege Seimetz. Sie können nur lernen.

(Große Unruhe und Zurufe – Glocke des Präsiden- ten)

Die Landesregierung hat damals ausgeführt:

Für Familien mit Kindern ist... das Risiko eines niedrigen Einkommens bei einer Quote von 10,6 % geringer als für den Durchschnitt aller Privathaushalte.

Sie haben dabei verschwiegen, dass diese 10,6 % nicht alle Familien, sondern nur Ehepaare mit Kindern betreffen. Die rund 290 000 Alleinerziehenden im Land, bei denen die Armutsquote bei 30 % liegt, haben Sie schlichtweg unter den Tisch fallen lassen genauso wie die Tatsache, dass bei Ehepaaren ohne Kinder die Armutsquote mit 5,1 % nicht einmal halb so hoch ist. Im Übrigen nutzt es den betroffenen Familien natürlich herzlich wenig, wenn sie erfahren, dass es Gruppen mit einem noch höheren Armutsrisiko gibt.

(Beifall bei der SPD)

Wir waren uns in der Enquetekommission „Kinder in Baden-Württemberg“ einmal einig über die Verbesserung des Familienleistungsausgleichs. Von Ihnen kamen dazu so gut wie keine Initiativen.

(Abg. Haasis CDU: Ich weiß gar nicht, warum Sie das Erziehungsgeld abschaffen wollen!)

Das war immer nur dann der Fall, wenn der Herr Ministerpräsident gesehen hat, dass die SPD das Kindergeld über den Bundesrat erhöhen wird. Dann hat er sich schnellstmöglich auf den fahrenden Zug begeben.

(Zuruf des Abg. Birzele SPD)

Das war aber das Einzige. Die jetzige Bundesregierung – –

Frau Kollegin, ich darf Sie auf das Ende Ihrer Redezeit hinweisen.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

(Abg. Seimetz CDU: Das ist auch gut so!)

Das kann ich mir schon vorstellen, dass Sie das alles nicht so gerne hören.

Die jetzige Bundesregierung hat mit der mehrfachen Erhöhung des Kindergelds, mit der Einführung des Betreuungsfreibetrags und mit den Steuerentlastungen genau das erreicht, was wir in diesem Hause damals einvernehmlich wollten. Als Familienpolitikerin wünsche ich mir weitere Schritte. Aber das ist dank Ihrer Hinterlassenschaften und der großen Defizite, die Sie in der Ära Kohl in der Familienpolitik hinterlassen haben,

(Abg. Roland Schmid CDU: So ein Geschwätz! – Abg. Seimetz CDU: Deswegen wollt ihr das Fami- liengeld abschaffen! – Abg. Ingrid Blank CDU: Wo leben Sie denn, Frau Wonnay? – Unruhe)

angesichts einer hohen Staatsverschuldung und angesichts einer Rekordarbeitslosigkeit, Frau Kollegin Blank – –

Ich darf Sie noch einmal auf das Ende Ihrer Redezeit hinweisen.

Ich komme in meinem letzten Satz zu den Handlungsmöglichkeiten des Landes.

Frau Abgeordnete, ich muss Sie bitten, nun wirklich zum Schluss zu kommen.

Ich bin dabei, Herr Präsident.

Sie sind stolz auf die Verbesserungen in der Kinderbetreuung. Da stimme ich Ihnen zu. Wir haben aber nach wie vor riesige Defizite in der Kleinkindbetreuung und in der Schulkindbetreuung.

(Abg. Haas CDU: Deswegen haben wir das Geld ja zur Verfügung gestellt!)

Solange Sie nicht einem Kindertagesstättengesetz, das auch diesen Bereich regelt, zustimmen...

Frau Kollegin, ich bitte Sie, jetzt wirklich zum Ende zu kommen. Sie haben bereits die doppelte Redezeit genutzt.

... – ich führe nur diesen Satz zu Ende; dann bin ich am Schluss, Herr Präsident –...

Ja, bitte. Aber kommen Sie jetzt zum Ende.

... und solange Sie weiter die Einführung der verlässlichen Halbtagsschule verzögern und die Eltern weiterhin mit Gebühren belasten, sind Sie auch im Handlungsbereich des Landes nicht glaubwürdig.