Aber nehmen Sie doch einmal den praktischen Fall, dass Sie ein Rechtsmittel und eine Tatsacheninstanz, bei der die Zeugen noch einmal gehört werden, haben. Es ist doch keine Frage, dass derjenige Zeuge, der vom Richter unmittelbar gehört und vernommen und in der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit beurteilt wird, eine andere Grundlage für die Glaubwürdigkeit darstellt, als wenn man bei der Urteilsfindung im Berufungsverfahren nur noch eine Akte auf dem Tisch hat.
Das ist doch der Punkt. Bei der Glaubwürdigkeit geht es auch um eine Frage des persönlichen Erlebens dieses Zeugen.
Deshalb muss es unser Ziel sein, bewährte Rechte des Bürgers in einem Rechtsstaat zu schützen und zu fördern und nicht abzubauen.
Jetzt komme ich zum letzten Argument: In der Jurisprudenz geht es auch noch um Qualität. Denn sie schafft Vertrauen und Rechtssicherheit. Das Vertrauen ist umso größer, je besser die Qualität der Urteile ist.
Die Qualität der Urteile wird dann umso besser sein, wenn die Richter, die in der ersten Instanz darüber entscheiden,
wissen, dass sie noch kontrolliert werden. Denn dann bemühen sie sich. Es ist ein altes Prinzip: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
(Abg. Brechtken SPD: Das ist ja unglaublich! – Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Er spricht aber jetzt als Abgeordneter!)
Herr Kollege Reinhart, gehen Sie davon aus, dass es die Richter genauso machen wie Sie und nur dann gute Arbeit abliefern, wenn sie zwei Kontrolleure haben?
Lieber Herr Kollege Redling, diese Frage beinhaltet etwas Rhetorisches, indem Sie unterstellen, ich bedürfe der doppelten Kontrolle.
Selbstständige arbeiten jedoch immer eigenverantwortlich, qualitätsorientiert und damit per se in ständiger Selbstkontrolle. Der von Ihnen behauptete Sachverhalt liegt deshalb gerade nicht vor.
Ich habe eingangs gesagt: Der Standort und das hohe Vertrauen bis zum Bundesverfassungsgericht – in dieser Republik, weltweit – hängen mit einem Rechtsstaat zusammen, der seine hohe Würde und hohe Wertigkeit im Vertrauen hat.
Das Zweite: Sie glauben doch nicht, wenn Sie nur noch ein Eingangsgericht haben, ob Sie es Amtsgericht oder Landgericht nennen, dass Sie dann die 108 Amtsgerichte beibehalten können. Es wird zu einer Auflösung kommen müssen. Das ist doch ein Faktum der Organisation.
(Abg. Heiler SPD: Es war doch schon einmal ein Letztes! – Abg. Bebber SPD: Das ist schon das fünfte Mal das Letzte!)
Es ist ein Deckmäntelchen. Die Wahrheit ist, dass es ein Verlust von Bürgernähe ist, ein Verlust von Effizienz der Rechtssicherheit und vor allen Dingen der Bürgerrechte. Es ist damit ein Verlust von Rechtskultur in diesem Staat, wenn diese Reform verwirklicht wird.
(Beifall bei der CDU – Abg. Oelmayer Bünd- nis 90/Die Grünen: Das gebt ihr aber auch an an- derer Stelle auf, nicht nur im Zivilrecht!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schon bemerkenswert, wie viel Misstrauen Sie den Richtern gegenüber äußern und formulieren.
Wenn es Ihnen in den Kram passt, Herr Bender, loben Sie die Richter hoch, wenn sie viel schaffen sollen, und wenn hier etwas geändert werden soll, auch zugunsten der Richter, sind Sie misstrauisch, ob damit die Richter nicht überlastet wären und ob die Qualität der Rechtsprechung nicht leiden würde.
(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Ist das ein Ziel der Rechtsreform? Das habe ich bisher nicht lesen können!)
(Beifall bei der SPD – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Bei so viel Kritikansatzpunkten fällt es auch nicht schwer!)
Zur Akzeptanz von Einzelrichterentscheidungen kann ich Ihnen sagen: Die Berufungsquote gegen Urteile einer Kammer beträgt 83 % und die Quote gegen Urteile von Einzelrichtern beträgt 39 %. Die Akzeptanz bei Entscheidungen von Einzelrichtern ist eindeutig höher, signifikant, wie es so schön heißt.
Das Nächste zu dem, dass Sie meinen, Herr Kollege Reinhart, das mit den Tatsachenfeststellungen sei in erster Instanz alles schwierig, wenn da nur ein Richter herumturnt. Dem trauen Sie nicht zu, dass er das richtig macht. Die Tatsachenfeststellung ist OLG-fest, revisionsfest: bei Berufungen gegen Kammerurteile 66 %, bei Berufungen gegen Einzelrichterurteile 70 %. Kein Unterschied. Das heißt, OLG-feste Tatsachenfeststellung bei beiden, Kammer wie Einzelrichter.