Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf eine Vorbemerkung machen: Ich kann die Ängste der Grünen hier durchaus entkräften. Wir haben gar nicht vor, Haider zu kopieren, weil wir die österreichischen Verhältnisse zu gut kennen, um nicht zu wissen, dass sie sich nicht auf dieses Land übertragen lassen.
Nein, nicht unbedingt schade. – Aber wir sind froh, dass durch Jörg Haider und die Reaktion auf ihn jetzt wenigstens eines deutlich geworden ist: dass sich nämlich die Maßstäbe, die Sie selbst hier wie eine Monstranz vor sich hertragen, spätestens dann regelmäßig in Luft auflösen, wenn es mal zu einem konkreten Fall kommt.
Sie selber sind gescheitert an Ihren hehren und hier immer aufgeblasenen Wertvorstellungen, weil Sie sich jetzt im konkreten Fall dieser Wertvorstellungen völlig entledigt haben.
Erlauben Sie ein Wort zu Herrn Minister Palmer. Eines hat natürlich die Debatte heute schon Positives ans Tageslicht gebracht, dass sich nämlich die Landesregierung von Baden-Württemberg vom Kurs der Bundesregierung deutlich absetzt. Das begrüßen wir. Das ist hervorragend.
(Beifall bei den Republikanern – Abg. Pfister FDP/ DVP: Hoffentlich! – Abg. Roland Schmid CDU: Auf vielen Feldern!)
Allerdings, Herr Palmer, wenn Sie uns hier als Reisesachverständige oder Urlaubssachverständige darstellen, dann sollten Sie sich lieber an das eigene Portepee fassen, denn bei Flugreisen und Ähnlichem sind Sie wesentlich erfahrener als wir.
Worum geht es? Meine Damen und Herren, es geht doch darum, deutlich zu machen, was Europapolitik jetzt eigentlich bedeutet. Heißt dies, Politik zwischen souveränen Staaten, die nach dem Völkerrecht einen Anspruch darauf haben, dass sich nicht jeder ungefragt in ihre inneren Angelegenheiten einmischt, oder gibt es jetzt – die Grünen sind die einzigen, die es offen sagen – eine Wertegemeinschaft, die eine Art europäischer Innenpolitik zur Folge hat? Für uns ist eines klar – das ist das Positive an dieser Debatte, das wir noch einmal deutlich machen können –: Wir sind nicht gegen Europa, wir waren es auch in der Vergangenheit nicht, aber wir sind gegen das Europa, das Sie jetzt hier loben,
ein Europa, das, um Herrn Hildebrandt im Kern zusammenzufassen, doch darin besteht: „Am deutschen Wesen soll Europa genesen.“
Für mich zeigt das – ich sage es ganz offen – eigentlich ein totalitäres Denken in der Grundstruktur.
Deswegen fällt an dieser Stelle Ihre wohlgehütete Maske. Im Übrigen gilt das auch für die SPD. Wenn Herr Caroli jetzt davon spricht, es gehe dabei um das Grundverständnis von Demokratie, kann ich Ihnen nur eines entgegenhalten: Zur Demokratie gehört auch, dass man sich beispielsweise im internationalen Bereich an Verträge hält. Was Sie hier deutlich gemacht haben – dass Sie nämlich glauben, aufgrund des Amsterdamer Vertrages könnte man so handeln, wie das jetzt die 14 EU-Regierungschefs gemacht haben –, zeigt, dass Sie entweder den Amsterdamer Vertrag nicht kennen oder ihn aber vorsätzlich missachten wollen.
Da gibt es im Artikel 7 ganz klare Prozeduralien, aber um die schert man sich gar nicht. Man setzt sich darüber hinweg, man stellt einfach etwas fest – das ist die klassische Vorverurteilung – und meint dann, sozusagen den moralischen Anspruch zu haben, so zu handeln, wie wir das hier gesehen haben.
Ich will an dieser Stelle nur eines festmachen. Es ist wirklich so – ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten aus der heutigen „Welt“ –, wie es Michael Wolffsohn sehr zutreffend heute zu Haider formuliert hat:
Die Dummheit seiner Gegner macht mir Sorgen – und deren Heuchelei. Das demokratische Österreich wird von der EU boykottiert. Hofiert werden aber gleichzeitig Diktatoren wie Iraks Saddam Hussein, besonders von Frankreich; Libyens Gaddafi von Italien; oder die iranischen Mullahs von fast allen Europäern, obwohl Teheran den Friedensprozess in Nahost durch Morde torpediert.
Sehen Sie, das ist das Problem. Die doppelte Moral. Die wollen wir hier deutlich machen, und das muss offen gelegt werden.
Im Übrigen noch ein Wort zu den Zitaten. Wenn sich Herr Haider von bestimmten Äußerungen inzwischen distanziert hat, sehe ich keine Notwendigkeit, hier in Baden-Württemberg einen Nachklapp dazu zu machen.
Aber an einem Beispiel will ich Ihnen auch Ihre doppelte Moral vorhalten. Sie haben vorhin ein Zitat gebracht, in dem sich Haider vor etlichen Jahren gegenüber Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS geäußert hat. Das wäre einmal ein abendfüllendes Thema, insbesondere wenn man die Äußerungen von SPD-Politikern zu diesem Thema heranzieht. Ich habe inzwischen Zeitzeugen kennen gelernt, die sich noch gut daran erinnern können, was Helmut Schmidt hier in Stuttgart vor Angehörigen der HIAG zu seiner Position zur Waffen-SS ausgeführt hat.
Das deckt sich mit dem, was der Senator Helmut Schmidt am 12. November 1965 in der „Zeit“ wie folgt ausgedrückt hat:
Man darf nicht in den Fehler verfallen, alle 900 000 Soldaten der Waffen-SS mit einer besonderen Kollektivschuld zu beladen und sie mit den SS-KZ-Bewachungsmannschaften in einen Topf zu werfen.
Ich sage Ihnen nur eines: Sie müssen sich doch einmal an Ihren eigenen Zitaten aus Ihren eigenen Reihen messen lassen. Wenn ich das nehme, sehe ich überhaupt keine Notwendigkeit, eine Diskussion zu führen, wie Sie sie hier versucht haben.
Zum Abschluss will ich Ihnen eines nur deutlich sagen: Was mir an dem Haider imponiert, ist Folgendes:
Er hat im Gegensatz zu anderen Politikern keine Gesetze gebrochen, niemals Steine auf Polizeibeamte geworfen, nicht mit Mauermördern oder Diktatoren kokettiert, keine Menschenrechte verletzt, niemals zur Anwendung von Gewalt aufgerufen, keine Geldwäsche betrieben, keine schwarzen Kassen geführt und sich nicht bereichert. Ich glaube nicht, dass Sie das von sich hier sagen können.
(Anhaltender Beifall bei den Republikanern – Abg. Brechtken SPD: Ich muss mich von Ihnen nicht beleidigen lassen! Von so einem Typ wie Sie nicht! Im Gegensatz zu Ihnen bin ich nicht vorbe- straft!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Wer dem Thema gerecht werden will, muss zunächst bekennen, wie er es mit Haider hält. Haider ist ein Mann ohne Grundwerte, ein gefährlicher Demagoge, ein Rechtspopulist. Er hat ein unausgegorenes Weltbild und kommt mit Medien geschickt zurecht. Deswegen ist er gefährlich. Aber er hat nichts mit dem Gedankengut unserer demokratischen Verfassung in BadenWürttemberg und für mich als Christdemokrat im Süden Deutschlands nichts mit unserer Partei gemein. Wir haben keine Abgrenzung nötig. Die Abgrenzung kommt allein aus dem, was Haider sagt, denkt und wie er handelt.
Dabei muss man schon, so glaube ich, deutlich machen, dass er sich zwar von Äußerungen distanziert, aber seine ganz gezielten verbalen Entgleisungen Taktik in ihm selbst sind. Er geht immer mit seinen Gedanken nach vorn und zuckt zurück. Aber die Gedanken sind trotzdem in ihm. Distanzierung mag formal ausreichend sein,
Haider steht, glaube ich, für eine gefährliche rechtspopulistische Politik, die Auswirkungen auf ganz Europa haben kann. Aber