Zum Zweiten: Das Risiko der früheren Verfüllung ist durch die vereinbarte Höchstmengenfestlegung begrenzt und angesichts der bisherigen Erfahrungen auch nicht sehr wahrscheinlich.
Zum Dritten: Ein Viertel der Lieferverpflichtungen in Höhe von jährlich 5 000 Tonnen an die AVG wird zur Entlastung des Landes von der SBW und damit auch von der HIM übernommen.
Nun wurde in den Ausschussberatungen auch vorgetragen, dass das Konzept zwar schlüssig sei, aber der Zeitpunkt falsch. Man könne den AVG-Vertrag mit Wegfall der Geschäftsgrundlage anpassen. Aber wenn man sich das genauer anschaut, muss man sagen: Wohl doch eher nicht, denn Leistungserschwerungen gehen zulasten des Schuldners, und eine Anpassung ist nur bei ganz krassem Missverhältnis möglich. Das dürfte zumindest zu diesem Zeitpunkt und bei der jetzigen Lage noch nicht der Fall sein, möglicherweise später bei einer weiteren Veränderung.
Würden wir aber jetzt eine hohe Summe bezahlen, um aus dem Vertrag herauszukommen, und schlösse dann unter Umständen die AVG wegen schlechter Auslastung der Anlage später, so kämen auch manche und würden sagen: Das war wohl absehbar. Es wurde zu viel bezahlt. – Es empfiehlt sich also daher jetzt wohl kein Schritt dieser Art.
Ich fasse zusammen, meine Damen und Herren: Die Veräußerung der SBW entlastet uns von Defiziten und entspricht unseren ordnungspolitischen Vorstellungen, nach denen es nicht unbedingt Sache des Landes ist, hier im operativen Geschäft, wohl aber im hoheitlichen Bereich tätig zu sein.
Sie merken meinen Ausführungen an: Wir gehen nicht mit „Hurra!“ in diese Geschichte hinein, aber wenn man die Vorteile, die Nachteile und die Risiken abwägt, sind wir der Auffassung, dass wir dem Veräußerungsantrag zustimmen können.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Jetzt weiß ich, warum Herr Scheuermann nicht geredet hat! – Gegenruf des Abg. Hehn CDU: Warum? – Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: So hätte er sich nicht verbiegen können!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Grundsätzlich ist natürlich nichts einzuwenden gegen eine Privatisierung der Sonderabfallentsorgung Baden-Württemberg
und den Rückzug des Landes aus dem operativen Geschäft. Das ist keine Frage, auch für uns Sozialdemokraten nicht.
Es wurde aber schon die Frage aufgeworfen: Ist es der richtige Zeitpunkt? Herrschen die richtigen Bedingungen, und liegen die richtigen Voraussetzungen vor? Für uns ist es nämlich auch wichtig, für ein Vorhaben, das man etwas in die Zukunft projizieren muss, ein Konzept mit Perspektiven zu entwickeln, weil sich die Bedingungen auf diesem Markt durchaus verändern können, da durch Vermeidungs-, Verminderungs- und Verwertungsstrategien in diesem Bereich möglicherweise weniger Sonderabfall auf uns zukommt.
Wir wissen also nicht, wie das Konzept aussieht. Wir wissen nur, dass der Herr Umweltminister zunächst einmal zu der Sonderabfalldeponie Billigheim gesagt hat: „Länger als 20 Jahre soll sie nicht mehr laufen, eine neue suche ich nicht, und dann schaue ich einmal nach, wie die anderen Bundesländer möglicherweise einspringen.“ Ich weiß nicht, ob das die richtige, verantwortungsbewusste Haltung zu diesem Problem ist. Bei der Sonderabfallbeseitigung handelt es sich nämlich um einen besonders schwierigen Bereich der Abfallwirtschaft, der transparent und für die Öffentlichkeit nachvollziehbar organisiert werden muss, bei dem Interessen, Verantwortlichkeiten und Konsequenzen klar beschrieben werden müssen.
Die Bevölkerung hat ein Recht darauf. Und die Landesregierung hat durchaus die Pflicht, dafür zu sorgen, dass eine Beseitigungsinfrastruktur besteht bzw., wenn sie es nicht selber machen will, diese lückenlos überwacht und kontrolliert wird. Wir sollten uns in diesem Zusammenhang an die Skandale in den letzten Jahren erinnern.
In dem vorgelegten Vertragswerk zur Privatisierung der SBW sehen wir eine Reihe von Problemen. Kollege Scheffold hat sie zum Teil schon genannt. Ich fasse sie ganz kurz zusammen.
Erstens gibt es finanzielle Risiken im Zusammenhang mit dem Hamburg-Vertrag, dem Vertrag mit der AVG. Hier sind wir bei zurückgehenden Mengen durchaus finanziell beteiligt, und zwar über das Pönale, die Vertragsstrafe.
Zweitens: Wir sehen im Geschäftsinteresse der HIM auch die Gefahr, dass die SAD Billigheim schneller verfüllt werden wird, als vielleicht vorgesehen ist, und dass Sonderabfall aus anderen südlichen Bundesländern hier landet.
Drittens ist es für uns ein Problem der Kontrolle, der Quantität – also der Menge – und auch der Qualität des Sonderabfalls, der hier anfällt und auch genau überwacht werden muss.
Viertens sehen wir, dass die HIM eigentlich besonders günstige Konditionen hat, um aus dem Vertrag auszusteigen, und das Land wieder selbst das Risiko trägt.
Fünftens haben wir bei der Zuordnung der Kosten für Instandhaltung und Instandsetzung eigentlich keine – für uns wenigstens befriedigende – klare Abgrenzung.
Diese und auch andere Bedenken hatten auch die Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP/DVP im Umweltausschuss. Warum sie der Veräußerung trotzdem zustimmten, wenn auch unter Aufrechterhaltung der Bedenken, ist für uns eigentlich unverständlich.
Es gibt natürlich die Vermutung, dass hier blind eine Privatisierungsideologie exekutiert wird, vollzogen wird, die
in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben ist, und jetzt gesucht wird, wo man Schritt für Schritt weitermacht, und das wäre ein weiterer Punkt.
Es ist auch so, dass man sich – Herr Kollege Glück hat es wohl in der Haushaltsdebatte so ausgedrückt; er ist leider jetzt nicht da – unter der Devise „weg damit“ von diesem, sage ich mal, anrüchigen Geschäft trennt.
Verantwortungsbewusste und verantwortungsvolle Politik sieht nach meiner Meinung aber etwas anders aus. Wir haben in Baden-Württemberg im Interesse und auf Druck der Industrie und des Gewerbes zur Standortsicherung, wie es immer so schön heißt, die bestehende Beseitigungsinfrastruktur aufgebaut, auch – und das muss man wissen, muss man sich in Erinnerung rufen – um eine viel teurere und uns sicher auch heute noch finanziell mehr belastende Sonderabfallverbrennungsanlage zu vermeiden. Ich erinnere an die Diskussionen um Böblingen und Kehl. Ich erinnere aber auch an Hüttlingen und all das, was in diesem Zusammenhang geschehen ist.
Wir sollten uns auf die zukünftige Entwicklung – auch unter Berücksichtigung der vom Ministerium geforderten Autarkie – mit einem Gesamtkonzept einstellen.
In diesem Zusammenhang, Herr Minister Müller, begrüßen wir übrigens die Antwort und auch die Einlassungen, die Sie zu dem Entwurf der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesumweltministeriums machen, die ja über die Verordnungsform eine Möglichkeit sucht, die Beseitigung sozusagen zurückzudrängen und mehr in die Verwertung zu gehen. Wir halten es schon für richtig, dass Klarheit und Rechtssicherheit herrschen, und da muss man bessere Wege finden, als es vielleicht vorgeschlagen ist. Allerdings kenne ich den Entwurf nicht.
Ich komme zum Ende. Wir hätten als Alternative durchaus auch Ansätze gesehen, mit der AVG in Hamburg zu verhandeln. Wir wissen, dass in diesem Bereich Verhandlungen sehr schwierig sind. Aber nicht zuletzt ist es natürlich auch im Interesse der Bevölkerung, die ja sehr sensibel darauf reagiert, wichtig, einen hohen Grad der Beseitigungssicherheit zu haben.
Für uns werden in diesem Vertragslabyrinth mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet, und, wenn Sie so wollen – ich bin gleich fertig, Herr Präsident –, kann man das – die Flugaffären sind ja zurzeit hinlänglich beschrieben – so umschreiben: Wir starten möglicherweise, wenn man diesen Vertrag unterzeichnet, zu einem abfallpolitischen Blindflug. Wir können dieser Form der Privatisierung, wenn man diesen Vorgang überhaupt so nennen kann, nicht zustimmen, auch nicht mit Bedenken.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch wir stimmen einem Verkauf, einer Privatisierung prinzipiell zu. Trotzdem haben wir einige kritische Anmerkungen zu machen.
Zunächst einmal zum Verfahren selber. Es war schon sehr fragwürdig, wie in diesem Fall mit dem Parlament umgegangen wurde. In wenigen Tagen wurde eine Vorlage durchgepeitscht und, es ist doch bemerkenswert, dass selbst die CDU-Fraktion, die in den letzten Jahren lammfromm geworden ist, eine Unterbrechung der Ausschusssitzung beantragt hat.
Das sagt doch schon einiges. Ich bin schon sehr erstaunt, Kollege Scheffold, was Sie heute für eine Rede hingelegt haben. Da wundert es mich nicht mehr, dass Kollege Scheuermann nicht geredet hat, denn er ist einfach zu ehrlich, um sich so verbiegen zu lassen.
Herr Scheuermann hat zu Recht gesagt, die Bedenken, die er gehabt habe, seien immer noch vorhanden. Ich glaube, er hat sie auch heute noch. Ich kann Ihnen versichern, auch im Namen des Ausschussvorsitzenden Kretschmann, ein zweites Mal wird der Ausschuss nicht beide Augen zudrücken, wenn uns ein ähnliches Verfahren vorgelegt wird wie hier beim Verkauf der SBW.
Aber mindestens so fragwürdig wie das gesamte Verfahren ist das juristische Labyrinth, das uns da vorgelegt wurde. Herr Scheuermann – ich muss noch mal auf ihn zurückkommen – hat im Ausschuss gesagt: Alle Vorteile liegen beim Käufer, nämlich der Hessischen Industriemüll, und alle Nachteile liegen beim Land.
(Zuruf des Abg. Hackl Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Guter Mann, der Scheuermann!)
Diese Einschätzung wird von uns voll geteilt, denn der Vertrag mit der Abfallverwertungsgesellschaft in Hamburg sieht vor, dass es zu einer Strafe – im Amtsdeutsch so schön Pönale genannt – kommt, wenn die Jahresmenge von 20 000 Tonnen unterschritten wird. Diese Menge wurde bereits in den letzten beiden Jahren unterschritten, und zwar um einige Tausend Tonnen. Es geht bekanntlich um insgesamt 180 Millionen DM Ausfallbürgschaft in der Gesamtlaufzeit dieses Vertrages. Wir alle wissen doch: Zukünftig wird es noch weniger Sondermüll geben.
Hinzu kommt: Die HIM, der Käufer, und die AVG, der Vertragspartner in Hamburg, sind Konkurrenten auf dem Sondermüllmarkt. Für die HIM hat die Ausnützung der eigenen Anlage in Hessen oberste Priorität. Unsere Befürchtung ist nun, die HIM nutzt die Kundenkartei der SBW, um hier neue Kunden zu gewinnen, denn – das ist ja wohl hier allen bekannt – die Anlage in Biebesheim, die der HIM gehört, ist nicht nur eine Anlage zur Beseitigung von Sondermüll, sondern auch eine Anlage zur Verwertung von Sondermüll.
Das hat zur Folge, dass baden-württembergische Firmen die Andienungspflicht und die teurere Lieferung nach Hamburg umgehen können und billiger ihren Sondermüll nach Hessen entsorgen können. Dies wiederum hat zur Folge, es wird noch weniger Sondermüll angeliefert, die Menge von 20 000 Tonnen wird noch weniger eingehalten, das heißt, die Strafe für das Land wird noch wesentlich höher werden, als sie heute schon ist. Für diese These spricht auch – das ist ja ein offenes Geheimnis –, dass diese Anlage in Biebesheim genauso wie die in Hamburg ein Auslastungsproblem hat.
Es gibt einen zweiten Punkt, den ich nennen möchte, den wir für sehr bedenklich halten: Bisher hatte das Land durch die hundertprozentige Tochter SBW eine klare und eindeutige Kontrolle, welcher Sondermüll auf die Anlage in Billigheim kommt. Jetzt haben wir eine hundertprozentige Tochter der HIM. Sie wissen doch alle, wie es auf dem Sondermüllmarkt zugeht. Deswegen kann man die Bedenken, die wir haben, nicht einfach vom Tisch wischen, die da lauten: Zukünftig wird womöglich diese Kontrolle nicht mehr so eng gesehen wie in der Vergangenheit.
Ein weiterer Punkt – der letzte, den ich nennen möchte –: Das gesamte Risiko mit dieser Deponie trägt auch zukünftig das Land. Wenn irgendetwas passiert, wenn irgendwelche Probleme entstehen, wenn diese Anlage nachgebessert werden muss, hat das das Land zu bezahlen. Die HIM ist da völlig draußen.
Wir haben ja bei der Anhörung, die meine Fraktion im Ausschuss für Umwelt und Verkehr beantragt hatte, von den Experten gehört, dass dieser Standort eben nicht für eine Sondermülldeponie geeignet ist. Ich möchte nur einen Punkt anführen, den Professor Hötzl nicht nur in seinem Gutachten von 1988 genannt hat, sondern den er auch in der Anhörung im Dezember des vergangenen Jahres angeführt hat, nämlich dass der Standort wegen anhaltender Lösungs- und Auslaugungsvorgänge nicht für eine Sondermülldeponie geeignet ist. Das heißt doch: Wenn wir diese Sondermülldeponie weiter betreiben und all die Risiken tragen müssen, besteht die Gefahr, dass weiterhin hohe Kosten auf das Land zukommen werden.