Ich will aber einige Bemerkungen dazu machen, was Herr Kollege Birzele, der inzwischen zum Präsidenten „mutiert“ ist – eine nicht ganz einfache Situation für eine Debatte –, rechtspolitisch ausgeführt hat,
insbesondere mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Familie und zum Familienlastenausgleich. Ich will dabei nur unterstreichen, Frau Kollegin Blank: Schon das Wort „Familienlastenausgleich“ hat für mich einen nicht verantwortbaren negativen Touch.
Herr Kollege Birzele, ich warne wohl mit Recht davor, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts parteipolitisch zu vereinnahmen. Denn das Bundesverfassungsgericht – und das ist mir in Erinnerung, ohne dass ich in der Kürze der Zeit die Entscheidung jetzt noch einmal selbst nachlesen konnte – hat größten Wert darauf gelegt, dass sich für die Aufwendungen, die die Eltern oder Erzieher für die Kinder haben, vor allem das Prinzip der Freibeträge stärker auswirken muss. Wenn ich daran denke, dass sich die SPD ja seit Jahr und Tag aus Nivellierungsgesichtspunkten beim Thema der Freibeträge immer außerordentlich schwer tut und deshalb immer auf das Kindergeld setzt, dann halte ich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mindestens so sehr für eine Mahnung an Ihre Adresse wie an unsere. Sie sollte eigentlich eine Mahnung an alle, die in der Politik Verantwortung tragen, sein.
Nun darf ich noch einige Bemerkungen dazu machen, was offensichtlich für Baden-Württemberg zutrifft und die gesamte Debatte und das, was damit vielleicht verfolgt wird, wohl relativiert: Baden-Württemberg – wen wunderts? – hat auch bei diesem Thema eine besonders gute Sozialstruktur. Wir liegen im Bundesvergleich an der Spitze der Bevölkerungsentwicklung, Männer und Frauen haben bei uns die höchste Lebenserwartung, prozentual kommen in Baden-Württemberg die meisten Kinder zur Welt, die Scheidungshäufigkeit ist am niedrigsten. Bezüglich der Familienstruktur hat Baden-Württemberg den höchsten Anteil an Ehepaaren mit Kindern und den niedrigsten Anteil an Alleinerziehenden. Mit knapp 86 % wächst die Mehrzahl der Kinder bei verheirateten Eltern auf.
Die Daten zeigen auch: Prozentual werden, wie gesagt, bei uns die meisten Kinder geboren, aber kommen die wenigsten Kinder nicht ehelich zur Welt.
Im Übrigen ist die Erwerbstätigenquote von Müttern in Baden-Württemberg – das haben Sie, Frau Kollegin Blank, auch angesprochen – erneut gestiegen, und zwar von 58 % auf jetzt 61 %. Sie liegt damit über dem Bundesdurchschnitt von 59 %. Wenn man bedenkt, dass der Bundesdurchschnitt maßgeblich durch die östlichen Länder mit geprägt wird, ist das, glaube ich, eine bemerkenswerte Zahl.
Dazu – nicht nur, aber auch – tragen sicherlich auch die guten Rahmenbedingungen bei uns in Baden-Württemberg bei. Ich nenne zum Beispiel die Tatsache, dass wir finanzpolitisch immer wieder ein Riesenpaket schultern. Wir haben das Landeserziehungsgeld in Höhe von 400 DM seit 1986 eingeführt und bis zum heutigen Tage beibehalten. Dies hilft bei der Betreuung durch die Eltern in den ganz besonders wichtigen ersten drei Lebensjahren eines Kindes.
Das bedeutet zum Beispiel – und hier eine Zahl, die in den schwierigen Finanzdiskussionen nicht unerwähnt bleiben darf –, dass wir dafür im Jahr 1999 über 140 Millionen DM aufgewendet haben. Ich finde, dass das auch angesichts der Bedeutung der Familie ein finanzieller Kraftakt ist, der sich im besten Sinne des Wortes lohnt.
Ich meine auch, dass unser Programm „Mutter und Kind – Hilfen für Alleinerziehende“ wirklich eine ganz entscheidende Vorreiterrolle im ganzen Bundesgebiet spielen sollte. Es trägt übrigens auch dem ausdrücklich Rechnung, was vorhin völlig richtig gesagt worden ist: dass auch Alleinerziehende mit Kindern eine Familie bilden.
In diesem Sinne, glaube ich, meine Damen und Herren, ist dem Gesetzentwurf der Republikaner sowohl unter rechtlichen als auch unter politischen Gesichtspunkten eine klare Absage zu erteilen.
Meine Damen und Herren, ich möchte zunächst darauf hinweisen, dass ich die Sitzungsleitung nicht deshalb übernommen habe, um mich der Debatte zu entziehen, sondern um einer dringlichen Bitte meines Kollegen Weiser zu entsprechen.
Zu dem Gesetzentwurf der Fraktion Die Republikaner, Drucksache 12/4795, ist die Überweisung an den Ständigen Ausschuss beantragt. – Sie stimmen der Überweisung zu.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zum Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen – Drucksache 12/4869
Es ist vereinbart, dass keine Aussprache stattfindet. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst. – Sie stimmen der Überweisung zu.
a) des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD – Gesetz zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften – Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Gemeindeund Landkreisordnung – Drucksache 12/4888
b) des Gesetzentwurfs der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung – Drucksache 12/4892
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung je fünf Minuten und für die Aussprache über beide Gesetzentwürfe fünf Minuten je Fraktion bei gestaffelten Redezeiten.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sicher eine der Aufgaben von Politikern, von Landtagsabgeordneten, Wünsche, Anregungen, Forderungen aus der Bevölkerung aufzunehmen und ins Parlament zu transportieren.
Es ist genauso eine Aufgabe der Parlamentarier, Herr Kollege, selbst die Dinge zu überdenken und auch zukunftsgerichtet zu denken und zu handeln. Wenn beides zusammenkommt, ist es sehr schön, wenn man quasi die eigenen Gedanken und das, was aus der Bevölkerung kommt, zusammennehmen und gleichgerichtet im Parlament beschließen kann. Wenn es nicht so ist, darf man jedenfalls nicht das, was aus der Bevölkerung kommt, gleich in Bausch und Bogen verdammen und sagen: Die wissen nichts; die können nichts.
Deshalb heute erneut unser Antrag – die, die länger im Parlament sind, wissen dies –, die Gemeindeordnung zu ändern, die demokratischen Mitwirkungsrechte in der Gemeindeordnung zu stärken und – was wir alle zusammen wollen – die Bürger zu ermuntern, sich in ihren eigenen Angelegenheiten auf kommunaler Ebene, in den Gemeinden, in den Landkreisen zu engagieren.
Es gibt natürlich verschiedene Wege dazu. Ein Weg ist, Bürgerbegehren, Bürgerentscheide zu erleichtern, den Bürgern vor Ort, in den Gemeinden und in den Kreisen diese Möglichkeit zu geben
Wir wollen dies mit unserem Gesetzentwurf tun. Wir wollen, dass zum Beispiel die Hürde, dass sich die Bürger bloß in bestimmte Dinge – Stichwort Positivkatalog – durch
Bürgerbegehren und Bürgerentscheid einmischen dürfen, beseitigt wird. – Nein, andersrum. Entschuldigung.
den Negativkatalog, dass sie nur diese Dinge eben nicht machen dürfen. Alles andere soll den Bürgern möglich sein.
Wir wollen, um eine gewisse Chancengleichheit herzustellen, dass die Bürger – sie sind in der Regel ja nicht sehr damit vertraut, wie man so etwas macht – von der Verwaltung beraten werden, damit ein Bürgerbegehren, ein Bürgerentscheid auch in die richtige Form gegossen wird. Damit hängt zusammen: Wir wollen, dass die Bürger ihrerseits, wenn die Gemeinde, die Verwaltung die Sache in der Öffentlichkeit darstellt, in gleichem Maße und im gleichen Organ die Möglichkeit haben, ihre Position zum Beispiel im Gemeindeblatt darzustellen. Wichtig für unsere Demokratie ist, dass Chancengleichheit besteht. Wir haben dies ja ansonsten immer anerkannt.
Wir wollen, dass die Quoren für Bürgerbegehren herabgesetzt werden. Sie wissen, dass die Quoren im Augenblick recht hoch sind und dass deshalb die meisten Bürgerbegehren schon von vornherein zum Scheitern verurteilt sind. Das heißt, das Engagement von Bürgern wird durch Formalien blockiert.
Wir wollen, dass ein Bürgerbegehren, wenn es initiiert ist, nicht dadurch ins Leere läuft, dass es die Gemeindeverwaltung auf die lange Bank schiebt. Wir wollen, dass sich, wie es in der Verwaltung heute üblich ist, entweder die Verwaltung nach einer bestimmten Zeit dazu äußert oder das Bürgerbegehren eben zulässig ist. Das ist ein Verfahren, das wir in allen Bereichen zunehmend einführen.
Wir wollen, dass der Gemeinderat wie übrigens auch der Kreistag, um das Verfahren abzukürzen – sie können ja jederzeit klüger werden –, sagen kann: Wir nehmen das Begehren der Bürger auf und stimmen genau in diesem Sinne ab. Damit bekommt man viel kürzere Verfahren.
Wir wollen aber genauso, dass der Gemeinderat, die Verwaltung oder andere Initiativen ihre Vorstellungen gleichzeitig zur Abstimmung stellen können. Wir wollen also die Möglichkeiten, demokratisch um den richtigen Weg zu ringen, erweitern.