Eigentlich dürften wir dies ja gar nicht. Vielleicht schreibt uns der Herr Minister deshalb als Verfassungsfeinde schwarz auf weiß
das ist nicht lächerlich –, aber es ist so. Man muss dies einmal betrachten. Das ist ein Vorgang, der jetzt – und das wird ja in der Zeitung bereits angekündigt – von der Bürgeraktion gerichtlich geklärt wird. Das heißt, der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg wird sich letztendlich mit dieser Entscheidung zu befassen haben, es sei denn, das Innenministerium macht einen Rückzieher. Es geht ja auf Landtagswahlen im nächsten Jahr zu.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Grünen ist also für mich bis jetzt noch verfassungswidrig. In diesem Fall braucht man auch nicht groß darüber zu reden, die Zustimmung an die einfache Mehrheit zu knüpfen. Da sind die SPD-Kollegen natürlich etwas realistischer. Sie sagen: Wir senken das Quorum der Bürger, die zustimmen müssen, von 30 % auf 20 %. Das ist etwas, was wir auch schon verlangt haben. Aber es kann nicht sein, das Quorum ganz entfallen zu lassen. Irgendwo müssen die Grenzen aufgezeigt werden.
(Abg. Drautz FDP/DVP: Wie ist das mit der Rede- zeit? – Abg. Veigel FDP/DVP: Bei mir hat er auch gleich dazwischengefunkt!)
Herr Abgeordneter, ich darf Sie auf das Ende Ihrer Redezeit hinweisen. Sie hätten sich weniger mit Österreich und solchen Dingen befassen sollen und dafür etwas mehr mit dem Gesetzentwurf.
Herr Präsident, es ist traurig, aber wahr: Das Licht leuchtet. Ich werde das, was ich noch zu sagen hätte – und das ist sehr viel –, in der nächsten, der zweiten Lesung und vielleicht auch im Ausschuss noch unterbringen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Inhaltlich haben wir diese Debatte schon in aller Ausführlichkeit vor knapp zwei Jahren geführt, als damals entsprechend der Koalitionsvereinbarung auch die Gemeindeordnung mit Blick auf eine Stärkung der Bürgerbeteiligung novelliert worden ist. Deshalb hat heute auch manches wiederholenden Charakter. Neu ist das Volksbegehren hinzugetreten, das ja gestern vom Innenministerium als verfassungswidrig zurückgewiesen worden ist. Ich darf einige Bemerkungen dazu machen.
Als Erstes möchte ich sagen, weil Herr Kollege Hackl, glaube ich, den Zeitpunkt der Entscheidung angesprochen hat: Wir hätten noch zwei oder drei Tage Zeit gehabt; aber ich wollte mich natürlich auch nicht dem Vorwurf aussetzen, dass man, wenn die Entscheidung zum Beispiel morgen bekannt geworden wäre, gesagt hätte: Gestern haben wir die Debatte geführt, und nun kommt die Entscheidung des Innenministeriums über die Frage der Zulässigkeit dieses Gesetzentwurfs gerade einen Tag danach – oder zwei Tage nach der Debatte. Das bitte ich auch zu sehen.
Das Zweite ist – das ist für mich das noch Wichtigere –: Man muss genau sehen, mit welchem Blickwinkel das Innenministerium die Zulassung dieses Volksbegehrens prüft. Dazu will ich eine Vorbemerkung machen, damit Folgendes klar ist: Diese Entscheidung ist ausschließlich auf der Fachebene erfolgt. Sie ist ausschließlich unter juristischen, und zwar unter verfassungsjuristischen Gesichtspunkten zustande gekommen. Es besteht dabei keinerlei Ermessensspielraum. Darüber hinaus haben wir uns im Vorfeld auch bezüglich der verfassungsrechtlichen Fragen mit dem gleichfalls kompetenten Justizministerium abgestimmt. Ich sage dies nur, damit es klar ist.
Die Entscheidung muss unter folgendem Blickwinkel getroffen werden: Es geht bei diesem Volksbegehren ja um einen Gesetzentwurf des Landesgesetzgebers. Damit stellt sich die Frage: Was darf der Landesgesetzgeber gegenüber den Kommunen mit Blick auf Artikel 28 des Grundgesetzes und die Landesverfassung regeln, und wo sind unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, und zwar unter dem grundgesetzlich und in der Landesverfassung geschützten Recht der kommunalen Selbstverwaltung, die Grenzen von uns als Landesgesetzgeber aufzuzeigen und zu beachten? Daran hat sich eben dieses Volksbegehren messen zu lassen.
Dabei gibt es einige wichtige Gründe, die nach Auffassung der Fachabteilung und auch des Justizministeriums eindeutig gegen die Verfassungsmäßigkeit dieses Volksbegehrens sprechen. Ich darf die wichtigsten aufzählen:
Es ist nach Prüfung unserer Fachleute nicht mit der Verfassung zu vereinbaren, dass in dem Gesetzentwurf die Sperrwirkung gegen vollzugliches Handeln des Gemeinderats und der -verwaltung vorgesehen ist. Es ist nicht mit der Verfassung zu vereinbaren, dass die Streichung des Quorums beim Bürgerentscheid Gegenstand dieses Gesetzentwurfs ist. Es ist nicht mit der Verfassung zu vereinbaren, die Positivliste in der Weise zu erweitern, dass Haushaltssatzung, Gemeindeabgaben und -tarife auch Gegenstand eines Bürgerentscheids sein können. Man kann sich ja denken, was dies bedeuten würde.
(Abg. List CDU: Dann kannst du zusammenpa- cken! – Abg. Hackl Bündnis 90/Die Grünen: In der Schweiz gibt es das ohne Probleme! – Gegenruf des Abg. List CDU: Das ist überhaupt nicht ver- gleichbar, das Selbstverwaltungsrecht!)
Es ist nicht mit der Verfassung zu vereinbaren, dass Sie ein partikulares Initiativrecht für besonders betroffene Ortschaften, Gemeinden und Wohnbezirke in diesem Gesetzentwurf vorsehen.
Das sind die wichtigsten, aber nicht die abschließend aufzuzählenden Gesichtspunkte, die nach Auffassung der Fachleute des Innenministeriums und des Justizministeriums eindeutig die Verfassungswidrigkeit des Volksbegehrens belegen.
Noch einmal: Dabei besteht kein Entscheidungs- oder Ermessensspielraum. Dies ist schlicht und ergreifend nach strengen und sorgfältigen verfassungsjuristischen Gesichtspunkten zu entscheiden. Genau so ist mein Haus vorgegangen. Ich bin dankbar für diese nach bestem Wissen und Gewissen erfolgte Prüfung.
Unter diesem Gesichtspunkt ist es jedermanns gutes Recht, den Staatsgerichtshof anzurufen. Aber ich sehe dieser Entscheidung des Staatsgerichtshofs doch mit relativer Gelassenheit entgegen. Ich darf noch einmal darauf verweisen: Dem liegt überhaupt keine politische Einflussnahme zugrunde. Das war eine eindeutige verfassungsjuristische Prüfung.
Wir haben es heute mit zwei Gesetzentwürfen zu tun: Zunächst mit dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen – das ist bereits gesagt worden –, der weitestgehend identisch mit dem Gesetzentwurf der Initiative „Mehr Demokratie in Baden-Württemberg“ ist. Damit ist die Argumentation verhältnismäßig einfach. Das, was für den Gesetzentwurf der Initiative gilt – nämlich Verfassungswidrigkeit, gleich, ob einem das passt oder nicht –, gilt natürlich auch für Ihren weitestgehend identischen Gesetzentwurf, meine Damen und Herren von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Demgegenüber vermeidet der Gesetzentwurf der SPDFraktion diese verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten; hiergegen gibt es keine vergleichbaren Bedenken. Das bedeutet: Der Gesetzentwurf der Fraktion der SPD führt zu einer politischen Auseinandersetzung, weil gegen ihn das Argument der Verfassungswidrigkeit nicht Platz greift.
Damit komme ich auf das zurück, was ich bereits eingangs sagte: Wir haben bereits vor knapp zwei Jahren eine sehr ausführliche inhaltliche Diskussion über das Thema „Erweiterung der Elemente der Bürgerbeteiligung, der plebiszitären Elemente auf der Ebene der Gemeinden“ geführt. Ich darf dies einfach noch einmal ganz kurz aus meiner Sicht wiederholen.
Wir halten es für richtig – gerade auch wir von der CDU; das will ich ausdrücklich an die Adresse der FDP/DVP konzedieren, Herr Veigel –, die Elemente der repräsentativen Demokratie nicht so stark zu schwächen, dass man das Kind mit dem Bade ausschüttet.
Anders ausgedrückt: Die Verantwortung der direkt vom Volk gewählten Bürgermeister und Gemeinderätinnen und Gemeinderäte genauso wie der Ortschaftsräte muss erhalten werden. Wir sind im Gegenteil, wie der Kollege List mit Recht betont hat, dankbar,
dass wir auch in schwierigen Zeiten so viele engagierte Bürgerinnen und Bürger finden, die sich immer noch für ein solches, manchmal mehr als undankbares Ehrenamt zur Verfügung stellen.
Das Zweite ist – das habe ich damals schon ausgeführt –: Wir sind auch – Herr Kollege Redling, wir haben uns ja damals schon mit Argumenten ausgetauscht – nach wie vor der Auffassung, dass man bei einer zu starken Betonung der plebiszitären Elemente auch auf der kommunalen Ebene darauf achten muss, dass nicht die Einzelinteressen plötzlich zu stark den Ton in der jeweiligen Stadt oder Gemeinde angeben. Wir alle müssen immer wieder an den richtigen Satz denken, meine sehr verehrten Damen und Herren: Die Summe der Einzelinteressen ist nicht identisch mit dem Gemeinwohl.
Drittens – dies noch einmal ganz besonders an Ihre Adresse, Herr Kollege Hackl, bei aller persönlichen Wertschätzung,
die ich auch heute wieder zum Ausdruck bringen darf –: Ich habe noch einmal nachgelesen, was in der Debatte vor knapp zwei Jahren gesagt worden ist. Ich darf es heute aus meiner Sicht noch einmal so festhalten: Wir müssen auch darauf achten – ich sage das jetzt ganz besonders an Ihre Adresse – – Ich muss einen Satz vorausschicken: Wenn Sie immer wieder sagen, dass die plebiszitären Elemente, sozusagen neudeutsch formuliert, ein Mehr an Demokratie bedeuten würden, gebe ich an Ihre Adresse mit allem Nachdruck zu bedenken: Es ist nicht ein Mehr an Demokratie, wenn plötzlich durch eine falsche Regelung die Minderhei
Das ist jedenfalls nicht unser Verständnis von Demokratie, Herr Hackl. Das will ich heute noch einmal sagen.
Nun darf ich in der ersten Lesung aus der Sicht der Regierung – da darf ich für beide Partner sprechen – auf Folgendes hinweisen: Es ist bekannt, dass die FDP/DVP-Fraktion bei dem Thema „Plebiszitäre Elemente auf der kommunalen Ebene“ da und dort gerne einen Schritt weiter als wir gehen würde.
Es muss aber auch deshalb in dieser ersten Lesung in aller Klarheit festgestellt werden: Wir, CDU und FDP/DVP, haben bei der Frage, in welchem Maße wir die plebiszitären Elemente auf der kommunalen Ebene stärken, zu einem Kompromiss zusammengefunden. Dieser Kompromiss hat sich in der Koalitionsvereinbarung niedergeschlagen und wurde in der bereits mehrfach erwähnten Novellierung der Gemeindeordnung vor knapp zwei Jahren, und zwar bis zum letzten Punkt und Komma, umgesetzt. Insoweit ist dieser Kompromiss, ist die entsprechende Bestimmung in der Koalitionsvereinbarung abgearbeitet. Ich darf jetzt einfach so sagen: Wenn dies zutrifft – und das ist ja nicht abzustreiten –, dann ist auch das getan worden, was wir uns für diese Legislaturperiode vorgenommen haben. Ich sage dies einfach am Ende der ersten Lesung an Ihre Adresse. Das bitte ich zu sehen. Die Koalitionsvereinbarung ist ein Kompromiss. Wir haben uns aufeinander zubewegt. Wir haben eine vernünftige Linie gefunden. Diese ist umgesetzt und abgearbeitet worden. Aber damit haben wir auch unser gemeinsames Vorhaben für diese Legislaturperiode unter Dach und Fach gebracht.