Protokoll der Sitzung vom 12.04.2000

(Beifall bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen – Abg. Rech CDU: Keine Fahrräder, Au- tos!)

Meine Damen und Herren, ich stelle fest: Oft stand ein Grünen-Antrag hier im hohen Hause am Beginn von Verbesserungen für die Polizei in Baden-Württemberg.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Rü- ckert CDU: Selbstüberschätzung! – Zuruf von den Republikanern: Wunschdenken!)

Ich möchte aber nicht den gleichen Fehler machen wie mein Kollege von der CDU, der heute nur den Anlass zu einer nicht enden wollenden Jubelarie im Bereich der inneren Sicherheit gesehen hat.

(Abg. List CDU: Dort, wo es berechtigt ist!)

Vielmehr meine ich, dass ein solcher Antrag auch Gelegenheit dazu bieten sollte, eine auch kritische Bilanz in Sachen innerer Sicherheit zu ziehen. Auch dazu gibt es den einen oder anderen Grund.

Wenn wir die Stellungnahme der Landesregierung zu diesem Antrag lesen, finden wir dort sehr viel Richtiges. Nur wird aus dem vielen Richtigen sehr oft nicht die erforderliche Konsequenz gezogen. Der Weg vom Kopf zum Handeln ist bei dieser Landesregierung manchmal sehr weit.

Ich will das begründen. Nehmen wir zum Beispiel die richtige Feststellung der Landesregierung, dass das Bild der Polizei, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Polizei wesentlich von der Tatsache geprägt ist, wie schnell und leicht erreichbar die Polizei ist und wie sehr sie präsent ist. Nur, meine Damen und Herren: Wenn ich diese richtige Feststellung treffe, dann muss ich natürlich dafür Sorge tragen, dass auch alle Polizeistellen besetzt sind. Dann muss ich dafür Sorge tragen, dass die entsprechenden Ansprechpartner auch vor Ort da sind. Dann darf ich es nicht wie diese Landesregierung machen: einfach 210 Stellen im Polizeibereich unbesetzt lassen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

210 Stellen im Polizeibereich sind nicht besetzt, weil die Stelleninhaber und Stelleninhaberinnen im Erziehungsurlaub sind und sich die Landesregierung permanent weigert, für Ersatz zu sorgen. 210 unbesetzte Stellen, meine Damen und Herren, sind 105 Doppelstreifen weniger. Dadurch gibt es weniger Präsenz auf unseren Straßen, weniger Ansprechpartner, und damit tragen Sie dazu bei, dass das Vertrauen in die schnelle Erreichbarkeit zumindest an diesem Punkt leidet, meine Damen und Herren.

Wir von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordern Sie erneut auf, die entsprechenden Leerstellen zu schaffen. Sie haben bei den vergangenen Haushaltsberatungen leider unsere Anträge immer wieder abgelehnt. Ich fordere Sie auf, wenigstens in einem Nachtrag die entsprechenden Leerstellen zu schaffen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Ich möchte an dieser Stelle noch einen anderen Punkt anführen und komme auf meine Eingangsfeststellungen zurück. Zu Recht sagt das Innenministerium, dass man moderne Polizeiarbeit nicht mit obrigkeitsstaatlichen Mitteln machen kann, sondern nur mit einer Polizei, die sich als professioneller, bürgernaher Dienstleister in Sachen innere Sicherheit versteht. Die CDU, meine Damen und Herren, und leider auch die FDP/DVP in jüngerer Zeit leisten sich aber immer wieder Rückfälle

(Widerspruch bei der CDU und Abgeordneten der FDP/DVP)

in die obrigkeitsstaatliche Mottenkiste in diesem Land.

(Abg. Kluck FDP/DVP: Na, na, na, na! – Unruhe – Abg. Wieser CDU: Sie wollen mehr partnerschaft- liche Polizei?)

Herr Kluck, beruhigen Sie sich, hören Sie zu. – Sie führen in diesem Land immer wieder Maßnahmen ein, die rechtsstaatlich aus Gründen der Verhältnismäßigkeit höchst bedenklich sind.

(Abg. List CDU: Oh!)

Ich meine unter anderem die anlassunabhängigen Kontrollen und die neu diskutierte Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen und Straßen.

(Abg. Wieser CDU: Das ist der Januskopf!)

Beide Maßnahmen, meine Damen und Herren, treffen unbescholtene Bürgerinnen und Bürger, beide Maßnahmen werden gegen Bürgerinnen und Bürger eingesetzt, die keinen Anlass für polizeiliches Tätigwerden gegeben haben. Meine Damen und Herren, wir von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen meinen, beide Maßnahmen passen nicht in das Bild des professionellen, bürgernahen Dienstleisters in Sachen Sicherheit, sondern erinnern eher an den alten Obrigkeitsstaat.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Grünen werden dies auch in Zukunft anprangern.

Nichtsdestotrotz möchte ich auch am Schluss meiner fachlichen Ausführungen

(Abg. Rückert CDU: Ein Lob aussprechen!)

konstatieren, dass die innere Sicherheit in diesem Land auf einem sehr hohen Niveau ist,

(Demonstrativer Beifall bei der CDU)

dass die innere Sicherheit in diesem Land von den Bürgern auch so eingeschätzt wird. Das liegt sicherlich auch

(Abg. Heinz CDU: An den Grünen? – Zuruf des Abg. Wieser CDU)

an der sehr hohen Motivation, dem sehr guten Ausbildungsstand und der sehr hohen Einsatzfreude der Polizei in Baden-Württemberg.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren, meiner letzten Rede vor diesem hohen Haus.

(Zuruf des Abg. Rückert CDU)

Ich möchte am Schluss den polizeipolitischen Sprechern in diesem Haus, Herrn Julius Redling von der SPD, Herrn Hagen Kluck von der FDP/DVP und auch Herrn Heribert Rech von der CDU, für die gute und kollegiale Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren danken.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/ DVP)

Ich möchte auch meinem Ausschussvorsitzenden, Herrn Ruder, sehr herzlich für das verständnisvolle Entgegenkommen während seiner Amtszeit danken.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der CDU)

Ich möchte auch dem Innenminister Thomas Schäuble für die meist faire Auseinandersetzung in diesem Haus

(Lachen beim Bündnis 90/Die Grünen)

und seinem Haus für die offene Informationspolitik mir gegenüber danken.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen allen für den kollegialen Umgang in diesem Haus. Für die Zukunft möchte ich Ihnen gute Debatten wünschen, aber auch die Fähigkeit und das Verständnis, berechtigte Anliegen anderer Fraktionen auch aufzugreifen.

Vielen Dank. Auf Wiedersehen!

(Lebhafter Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weiter erteile, möchte ich angesichts des Erstaunens, das die Ankündigung des Herrn Kollegen Hackl hervorgerufen hat, bekannt geben, dass er dem Landtagspräsidenten mitgeteilt hat, dass er mit Ablauf des 15. Mai 2000 ausscheiden wird. Herr Hackl, die guten Wünsche des Hauses begleiten Sie.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der CDU, der SPD und der FDP/DVP sowie Abgeord- neten der Republikaner)

Das Wort erhält Herr Abg. Kluck.

(Abg. Bebber SPD: Aber jetzt, gell! Angemessen! – Abg. Pfister FDP/DVP: Sei lieb zum Hackl! Hau ihn nicht in die Pfanne! – Heiterkeit des Abg. Hackl Bündnis 90/Die Grünen)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bedaure das Ausscheiden des Kollegen Hackl aus zwei Gründen: zum einen, weil er in der Tat bei den Grünen für eine Versachlichung beim Thema „innere Sicherheit und Polizei“ gesorgt hat, und zum anderen, weil ich ihm jetzt keins über die Rübe geben kann,

(Heiterkeit des Abg. Hackl Bündnis 90/Die Grü- nen)

nachdem er so freundlich gesprochen hat und uns vorher noch einmal eingetunkt hat, wir würden in die Relikte des Obrigkeitsstaates zurückfallen. Deswegen will ich es dazu bei einem Satz bewenden lassen.