Protokoll der Sitzung vom 19.07.2000

In den gesamten letzten Jahren ist unbestritten gewesen, dass die jetzige Form der gymnasialen Oberstufe Schwerpunkte hat, die bleiben sollen, und dass es Schwachstellen gibt, die abgebaut werden sollen.

Zu den Stärken gehört die Möglichkeit, dass junge Erwachsene – wir reden hier über junge Erwachsene – die Möglichkeit haben, Schwerpunkte zu setzen, die mit eigenen Begabungen zu tun haben und auch mit künftigen Studienwünschen zu tun haben können. Die neu geordnete Oberstufe gibt so, wie wir sie vorsehen, gute Chancen im Neigungsfach, im Profilfach und in der Kombination von Fächern bis hin dazu, dass jemand, der besondere naturwissenschaftliche Interessen oder Begabungen hat – um ein Beispiel zu nennen –, mit der Kombination von zwei vierstündigen naturwissenschaftlichen Fächern eine – jedenfalls im schulischen Sinn – umfassende naturwissenschaftliche Bildung bekommen kann, wie das bislang nicht der Fall war.

Nun wird über Strukturen gestritten und immer wieder über Grund- und Leistungskurse geredet. Ich sage Ihnen, selbst die Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn, die bekanntlich nicht zur CDU, sondern zur SPD gehört, hat auf dem gleichen Kongress, auf dem Bundespräsident Rau die Rede gehalten hat, aus der Herr Zeller eben zitiert hat, Folgendes gesagt – so hat es ihre Pressestelle verbreitet –:

Ich finde in diesem Zusammenhang auch bedenklich, wenn unsere Schüler zu einem relativ frühen Zeitpunkt durch die Wahlmöglichkeit zwischen Grund- und Leistungskursen gezwungen werden, sich zu spezialisieren.

(Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Die vermeintlich schwereren naturwissenschaftlichen und technischen Fächer bleiben dabei meist auf der Strecke. Die aktuelle Diskussion über die Greencard und den Fachkräftemangel in Deutschland zeigt deutlich, dass wir solche Weichenstellungen später nur mit großen Kraftanstrengungen ausgleichen können.

(Zuruf des Abg. Dr. Caroli SPD)

Wie Recht hat sie, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Jetzt rede ich mal aus, und dann dürfen Sie auch wieder.

(Abg. Zeller SPD: In der zwölften Jahrgangsstufe ist es zu spät!)

Das ist klar. Diese alte Geschichte wird sich in den nächsten Monaten fortsetzen: Die SPD hat die Schule der Zukunft im Blick, die CDU päppelt die Schule der Vergangenheit. Sie hängen mit manchen Ideen in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

Wir müssen das beibehalten, was richtig war. Aber wir müssen uns von bestimmten Irrtümern dieser Siebzigerjahre verabschieden.

(Beifall der Abg. Christa Vossschulte CDU)

Das ist im Kreis derer, die sich damit beschäftigen, zum Teil über Parteigrenzen hinaus erkannt.

(Abg. Zeller SPD: Wen meinen Sie?)

Deshalb, lieber Herr Zeller,

(Abg. Haas CDU: So lieb ist der nicht!)

überlegen eine Reihe von Bundesländern derzeit, fünf Prüfungsfächer einzuführen. Dazu gehört Niedersachsen, dazu gehört Hamburg, dazu gehört Berlin, dazu gehören sowieso Hessen und Bayern. Glauben Sie mir, die Bewegung in Sachen gymnasialer Oberstufe ist sehr viel weiter, als Sie es sind.

Das Thema Profiloberstufe haben wir sehr wohl auch überlegt. Das war zum Beispiel ein Vorschlag von Frau Jürgens-Pieper. Es hat sich aber gezeigt, dass die Profiloberstufe im Blick auf das Gesamtspektrum so nicht geht und zum Beispiel der gesamte gesellschaftswissenschaftliche Bereich sowie das Fach Geschichte benachteiligt würde.

(Abg. Dr. Witzel Bündnis 90/Die Grünen: Es kommt auf die Ausgestaltung an!)

Deshalb ist dieses Modell so nicht sinnvoll umzusetzen.

Meine Damen und Herren, Neuordnung im Blick auf Inhalte, im Blick auf Strukturen, im Blick auf Organisation – eine Neuordnung, die die gymnasiale Oberstufe stärkt, die die Qualität gymnasialer Bildung stabilisiert, die vor allen Dingen die Veränderungen aufnimmt, die im Blick auf Zukunftsbranchen, im Blick auf die künftige Studierfähigkeit bedeutsam sind. Baden-Württemberg hat den ersten richtigen Schritt getan, und Sie können davon überzeugt sein – und die Rede der Bundesbildungsministerin zeigt es deutlich –: Die Zweifel an der jetzigen Form der gymnasialen Oberstufe sind weit verbreitet. Wir schaffen für unsere Abiturientinnen und Abiturienten in Deutschland einen Startvorteil, und indem wir einen Startvorteil schaffen, schaffen wir mit dieser Neuordnung ein weiteres Stück Sicherung der Zukunftschancen der jungen Generation. Das ist Aufgabe der Bildungspolitik.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, mir liegen in der Allgemeinen Aussprache keine Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen daher in der Zweiten Beratung zur E i n z e l a b s t i m m u n g.

Der Ausschuss für Schule, Jugend und Sport empfiehlt Ihnen auf der Drucksache 12/5318, dem Gesetzentwurf unverändert zuzustimmen.

Ich rufe auf

Artikel 1

Wer dem Artikel 1 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. –

(Abg. Renate Rastätter Bündnis 90/Die Grünen: Und was ist mit unserem Änderungsantrag?)

Danke. Wer stimmt dagegen? – Danke. Wer enthält sich der Stimme? – Der Artikel 1 ist mehrheitlich verabschiedet.

Ich rufe auf

Artikel 2

Wer dem Artikel 2 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Danke. Das Erstere war die Mehrheit. Dem Artikel 2 wurde mehrheitlich zugestimmt.

Die Einleitung

lautet: „Der Landtag hat am 19. Juli 2000 das folgende Gesetz beschlossen:“.

Die Überschrift

lautet: „Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für BadenWürttemberg“. – Sie stimmen der Überschrift zu.

Wir kommen zur

S c h l u s s a b s t i m m u n g

Wer dem Gesetz im Ganzen zustimmen möchte, den bitte ich, sich zu erheben. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Danke. Das Erstere war die Mehrheit. Dem Gesetz wurde zugestimmt.

Ich rufe den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 12/5368, auf. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Danke. Das Letztere war die Mehrheit. Der Entschließungsantrag ist damit abgelehnt.

Wir haben noch über die Abschnitte II und III der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Schule, Jugend und Sport, Drucksache 12/5318, zu befinden. – Ich stelle ohne förmliche Abstimmung die Zustimmung des Hauses zu diesen beiden Abschnitten fest.

Damit, meine Damen und Herren, ist Tagesordnungspunkt 6 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Privatschulgesetzes – Drucksache 12/5237

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Schule, Jugend und Sport – Drucksache 12/5317

Berichterstatter: Abg. Wintruff

Der Berichterstatter wünscht das Wort nicht.