Protokoll der Sitzung vom 19.07.2000

Die von den Eltern zu tragenden Beiträge zu den Betreuungskosten halten sich durch den erhöhten Landeszuschuss in der Regel durchaus in einem tragbaren Rahmen.

(Abg. Capezzuto SPD: Ach was, woher denn?)

Ich kann es Ihnen sagen: Bei uns in der Gemeinde zahlen die Eltern pro Kind und Stunde 1 DM, und sie können sich aussuchen, ob sie die Kinder eine Stunde in der Woche betreuen lassen oder die ganze Woche über. Das sind maximal 40 DM im Monat. Das ist leistbar.

(Zurufe von der SPD)

Wo dies noch nicht der Fall ist, gehe ich davon aus, dass hier die analog gültigen Gesetze der Marktwirtschaft bald zu entsprechenden Anpassungen führen. Kein Gemeinderat wird vielfältigen Elternklagen lange widerstehen können.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Richtig!)

Eine Unverfrorenheit sondergleichen ist es, dass die Initiatoren im Gesetzentwurf behaupten, es handle sich bei der verlässlichen Grundschule, wie sie bereits zum neuen Schuljahr in Baden-Württemberg an den meisten Orten eingeführt wird, nur um geringfügige Änderungen. Kennen Sie die bisherige Situation nicht, oder können Sie nicht lesen und verstehen?

(Abg. Hofer FDP/DVP: Die wollen nicht!)

Frau Rastätter, wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.

Zur Klarstellung nochmals die anstehenden deutlichen Verbesserungen: Die Schulen werden künftig den Stundenplan für Grundschüler so gestalten, dass er die ganze Woche über zur gleichen Zeit beginnt, und sie werden außerdem einen festen Unterrichtsblock schaffen, der einen auch pädagogisch wichtigen Zeitrahmen bildet, auf den sich Eltern bei ihrer Lebensplanung verlassen können.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Das wollen die alle nicht wissen!)

Zur Vermeidung von Unterrichtsausfall – dieses Wort soll auf Sicht in der Grundschule wirklich zum Fremdwort werden – wird neben der Erhöhung der Zahl der Vertretungsstellen jeder Schule ein Zeitbudget zur Verfügung gestellt, mit dem sie selbstständig unbürokratisch und vor allem kurzfristig Ersatz für zeitweise ausfallende Lehrkräfte organisieren kann.

Die Kommunen können sich bei der Organisation der darum herum anzubietenden Betreuung ebenfalls an dieser festen Stundenstruktur orientieren. Je konkreter sich in den letzten Wochen die verschiedensten Variationen dieser Betreuung herauskristallisieren, desto deutlicher wird, wie richtig es war, hier keine landesweiten Vorschriften zu erlassen

(Abg. Hofer FDP/DVP: Sehr gut!)

und auch keinen Rechtsanspruch zu generieren, der haushaltspolitisch für die nächsten Generationen Konsequenzen hätte. Ohne diesen Freiraum wäre es nicht möglich gewesen, zum Beispiel Kooperationen mit Musikschulen, Sportvereinen, ja sogar Volkshochschulen einzugehen.

(Abg. Renate Rastätter Bündnis 90/Die Grünen: Das machen wir am Nachmittag! – Zuruf von der SPD: Das ist etwas ganz anderes!)

In vielen Gemeinden wird die Kernzeitenbetreuung besonders effizient, fachgerecht und kostengünstig durch Eltern

vereine organisiert. Das ist ein bürgerschaftliches Engagement, wie es früher in ähnlicher Form zumindest im ländlichen Raum in der nachbarschaftlichen gegenseitigen Unterstützung durchaus Tradition hatte. Ich danke allen Menschen von Herzen, die sich hier zugunsten von Kindern und Eltern engagieren und zeigen, dass es kreativere und für die jeweilige regionale Situation bessere Lösungen gibt, wenn der Staat nicht alles von oben herab verordnet.

Auch die sicherlich noch auftauchenden Fragen zu Einzelfällen – was zum Beispiel passiert, wenn hitzefrei ist – werden vor Ort am besten geregelt werden können.

Sobald die ersten konkreten Erfahrungen vorliegen, werden auch diejenigen, die im Moment noch Vorbehalte haben, den Erfolg zugeben müssen, sofern sie nicht durch ideologische Scheuklappen hieran gehindert werden. Frau Rastätter, wenn Sie anmahnen, die Grundschule brauche mehr Zeit: Ich kenne keinen Menschen, der nicht mehr Zeit für alles Mögliche bräuchte. Aber ich denke, die Lehrer und auch die Schüler müssen auch in der Grundschule lernen, mit der gegebenen Zeit effizient umzugehen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Capezzuto SPD: Von Pädagogik haben Sie keine Ahnung! Sag ein- mal!)

Ich freue mich außerordentlich, dass der Anstoß, den wir Liberale im November 1998 mit unserem Antrag Drucksache 12/3488 gegeben haben, nun so gute Früchte trägt, und ich bin sicher, dass der gesunde Wettbewerb unter den Gemeinden dafür sorgt, dass es nicht lange dauern wird, bis auch die Betreuung kostengünstig und flächendeckend überall dort angeboten wird, wo eine entsprechende Nachfrage besteht. Schließlich gibt es hier einen Landeszuschuss völlig unabhängig von der Gruppengröße.

Dieses Thema war mir wichtig aus Gründen der Pädagogik, aus Gründen der Frauenpolitik und aus Gründen der Familienpolitik. In allen drei Bereichen werden wir Erfolge erzielen. Sie werden sich noch wundern, wie gut das einschlägt.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Das Wort hat Herr Abg. König.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute haben wir einen Gesetzentwurf der SPD vorliegen, der nichts anderes begehrt, als gesetzlich festzulegen und festzuschreiben, dass alle Grundschüler in den Klassen 1 bis 4 – die Klassen 1 und 2 erst in zwei Jahren, aber ab dem Jahr 2002 sämtliche Grundschüler – täglich fünf Zeitstunden an der Schule verbringen müssen.

(Abg. Zeller SPD: Dürfen!)

Das ist ein ganz entscheidender Punkt: müssen!

(Abg. Zeller SPD: Dürfen, Herr Abgeordneter!)

Ich habe in vielen Diskussionen zu diesem Thema immer wieder eines gesagt:

(Zuruf von der SPD: Sie haben eine schlechte Ein- stellung!)

Hier wird von Ihrer, von der linken Seite ein Bedarf herbeigeredet, den es in der Praxis nicht gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner – Abg. Zeller SPD: Wo leben Sie?)

Sie behaupten, die Eltern würden danach schreien.

(Abg. Zeller SPD: Die Eltern schreiben nicht an Sie, sondern an uns!)

Ich empfehle Ihnen, Ihr Sozi-Hörgerät einmal auf Breitband-Volksfrequenz einzustellen, dann hören Sie nämlich, dass es auch Leute gibt, die das gar nicht wollen.

Vorhin wurde schon eine Zahl genannt. Die derzeitige Kernzeitenbetreuung bedeutet nichts anderes, als dass Eltern, die arbeiten wollen, ihre Kinder sicher für fünf oder sechs Stunden von halb acht bis halb zwei untergebracht sehen. Dabei findet die Betreuung ergänzend vor oder nach dem Unterricht statt. Schauen wir uns die Zahlen einmal an: Die Kernzeitenbetreuung wird derzeit von 4, maximal 5 % in Anspruch genommen – vorhin sind sogar nur 3 % genannt worden. Ich sage Ihnen aus der Erfahrung aus meiner Gemeinde Dobel, die dies eingeführt hat: Vier Eltern waren bereit, diese Kernzeitenbetreuung in Anspruch zu nehmen. Wir mussten, um überhaupt zuschussfähig zu sein, um es überhaupt rentabel zu gestalten, noch weitere acht mit dem Lasso einfangen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch ein Wort auch an Sie, Herr Zeller, der Sie sich ja sonst immer so sehr der Ausländer annehmen. Hier können wir die Ausländer wirklich einmal als Beispiel heranziehen. Sie sollten sich einmal vor Augen führen, wie die türkischen Mütter, ob mit oder ohne Kopftuch, mit ihren Kindern umgehen. Diese sitzen auf ihren Kindern wie eine Glucke; die wollen gar nicht, dass die Kinder total verschult werden.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: So einen Quatsch habe ich schon lange nicht mehr gehört!)

Viele, viele deutsche Mütter wollen das genauso wenig. Es gibt auch noch funktionierende Familien mit Familienzusammenhalt, in denen Tante, Oma oder Opa da sind, die die Kinder im Grundschulalter von fünf, sechs, sieben oder acht Jahren um sich haben wollen.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Rapp REP: Das passt aber nicht in das rote Weltbild!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, fünf Zeitstunden bedeuten sechs Deputatsstunden zuzüglich 30 Minuten, die für die Pause vorzusehen sind. Da wollen Sie an den Grundschulen einen so genannten integrierten pädagogischen Ansatz anbieten, der Unterricht, Pausen, Freizeit, Spiel und Bewegung in kindgerechten Rhythmen durchmischt. Stellen Sie sich einfach einmal vor, wie dies praktisch aussieht. In einer Grundschulklasse mit einem Lehrer der Marke Zeller sieht dies so aus:

(Abg. Dagenbach REP: Um Gottes willen! – Zuruf von den Republikanern: Das ist für die Kinder un- zumutbar!)

Eine Viertelstunde Unterricht in der dritten Klasse im Zahlenraum eins bis sechs, danach ein Viertelstündle Plauderkreis mit gegenseitigem Handanfassen und dann eine Viertelstunde Sozi-Spielchen in der Kuschelecke. Danach sind sie fertig und brauchen eine Pause –

(Beifall bei den Republikanern)

mit Bewegung, vielleicht kleiner Schwammschlacht. Ich habe extra einmal ein bisschen überzeichnet. Aber so stellen Sie sich das doch vor.

(Abg. Zeller SPD: So eine Dummheit!)

Hören Sie doch bitte auf!

Meine Damen und Herren, es gibt nichts Besseres, Familiengerechteres und mehr auf jeden einzelnen Elternteil Zugeschnittenes als eine feste Unterrichtszeit mit entsprechenden Betreuungszeiten darum herum. Diese müssen aber freiwillig bleiben,

(Beifall bei den Republikanern)

sie dürfen nicht per Gesetz verordnet werden.