Protokoll der Sitzung vom 04.10.2000

Ich suche mir halt die, die das gut finden. So kommen wir schon irgendwie miteinander aus.

Meine Damen und Herren, in der Politik gilt für jedes Thema: Das Bessere ist der Feind des Guten. Ich kann Ihnen nur sagen: Das, was wir jetzt tun, ist besser als das, was war. Es hindert uns aber nichts daran, in ein paar Jahren noch besser zu werden. Aber wir haben nicht nur bildungspolitisch, sondern auch familienpolitisch einen ganz wichtigen Schritt getan, der den Familien hilft, und zwar jetzt hilft und sie nicht auf künftige Jahre vertröstet, und der auch unseren Grundschulen gut tut.

Meine Damen und Herren, dass gerade bei den vielen Schulen, die in kurzer Zeit für sich eine Veränderung möglich gemacht haben, auch das eine oder andere organisato

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

rische Problem vorhanden ist, ist keine Frage. Es gibt die Frage des Sportunterrichts in den Turnhallen, die Frage des Religionsunterrichts und der Pfarrer und der Eckstunden. Das alles ist wahr; das gibt es hier und da. Aber das wird sich im Laufe der Zeit schon gut ergeben. Vor allem aber ist das Konzept, das wir gemeinsam mit den Städten und Gemeinden verabredet haben, seriös, es ist ein Konzept, das sich wirklich umsetzen lässt.

Ich muss noch einmal sagen – ich habe es beim letzten Mal schon gesagt –: Die SPD legt einen Gesetzentwurf vor, mit dem sie einen Rechtsanspruch auf täglich fünf Zeitstunden im Rahmen einer verlässlichen Halbtagsschule verankern will.

(Abg. Wintruff SPD: Fünf und vier! – Abg. Renate Rastätter Bündnis 90/Die Grünen: Wir sagen fünf!)

Fünf und vier. Ja, alles genau nachgerechnet. Sie wollen ja in den nächsten fünf Jahren 5 000 Lehrerstellen, folglich wollen Sie hierfür 600. Ich habe es Ihnen schon einmal vorgerechnet. Das Protokoll über die Erste Beratung des Gesetzentwurfs habe ich eben gelesen; damals haben Sie immer dazwischengeschrien, und das werden Sie jetzt wieder tun. Aber es bleibt dabei, dass es 22 000 Grundschulklassen sind. Wenn ich für diese 600 Lehrerstellen schaffe, kriegen die pro Klasse 0,8 Lehrerwochenstunden. Wenn ich aber die vier oder fünf Zeitstunden in Unterrichtsdeputate umrechne – und so berechnet sich Arbeitszeit bislang –, dann brauche ich für das ganze Unternehmen 3 500 Lehrerstellen. Das sollten Sie, wenn Sie es wirklich wollen und wenn es seriös sein soll, auch sagen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Zuruf des Abg. Rau CDU – Abg. Wintruff SPD meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke des Präsidenten)

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja. Ich nenne die Alternative, dann lasse ich gerne die Zwischenfrage zu.

Die Alternative ist: Sie müssen den Grundschullehrerinnen und -lehrern sagen: Wir halten diese Art von Arbeitszeit für altmodisch, wir wollen eine andere. Wir definieren eure Arbeitszeit künftig über Präsenzzeit und versprechen euch: Wenn wir die Wahl gewinnen, dürft ihr von 7:30 Uhr bis 13:00 Uhr in der Grundschule sein. Das muss man dann sagen. Das kann man tun. Aber so zu tun, als könne ein Konzept, wie Sie es vorgeschlagen haben, mit 600 Deputaten und bei rückläufigen Schülerzahlen – – Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass dann, wenn Schülerzahlen im Grundschulbereich zurückgehen – Sie haben die Zahl 25 000 angenommen –, zunächst Klassen kleiner werden und man Lehrerstellen nicht so schnell abbauen kann, sondern das nur in geringem Maße möglich ist. Deshalb: Wer schon ein solches Konzept vorlegt, muss wenigstens im Blick auf die Finanzierung die ganze Wahrheit sagen.

Jetzt Ihre Frage, bitte.

Bitte schön, Herr Abg. Wintruff.

Frau Ministerin, ich möchte Ihnen jetzt wirklich einmal sagen, um was es geht.

(Lebhafte Unruhe und Zurufe, u. a. Abg. Rau CDU: Fragen sollen Sie! – Glocke des Präsiden- ten)

Meine Frage geht dahin – –

(Große Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Hören Sie doch erst meine Frage an.

Darf ich um Ruhe bitten!

Warum waren Sie im Laufe dieser Legislaturperiode – fünf Jahre lang – nicht in der Lage, die Rückstände, die Baden-Württemberg im Grundschulbereich hat, aufzuholen?

(Abg. Kiel FDP/DVP: Weil die große Koalition da war!)

Denn dann bräuchten wir diese Diskussion um Pflichtunterricht und Betreuung in der Form, wie wir sie heute führen, nicht mehr zu führen.

Ich sage Ihnen kurz, um was es geht, und bitte Sie, Frau Ministerin, anschließend ganz objektiv Auskunft zu geben.

(Abg. Rau CDU: Nein! Sie haben doch keine Re- dezeit!)

Sie alle wissen, Frau Ministerin: Baden-Württemberg hat 90 Pflichtstunden über vier Schuljahre.

(Abg. Haas CDU: Frage!)

Ich frage Sie: Welche anderen Bundesländer haben mehr als 90 Stunden Pflichtunterricht? Zählen Sie uns die doch bitte einmal auf, und nennen Sie uns die Zahl. Denn Sie wissen, meine Damen und Herren, wenn wir auf 91 Stunden gehen,

(Unruhe – Zurufe von der CDU – Glocke des Prä- sidenten)

dann kostet das 200 Lehrer.

(Anhaltende Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Darf ich um Ruhe bitten! Herr Abg. Wintruff – –

Ihre 800 Lehrer, die Sie einsetzen,...

Herr Abg. Wintruff!

... wären nicht mal geeignet, um den Bundesdurchschnitt – –

(Abg. Rau CDU: Kann man den Herrn mal zum Fragen bringen? – Abg. Dr. Birk CDU: Kann man den abstellen? – Abg. Rau CDU: Das ist unver- schämt, was Sie hier machen! – Weitere Zurufe von der CDU, u. a.: Herr Präsident!)

Frau Ministerin – –

Herr Abg. Wintruff!

Ich habe sie doch gefragt.

Herr Abg. Wintruff, ich darf Sie jetzt bitten. Ich habe Ihnen das Wort erteilt, damit Sie eine Frage stellen. Sie haben keine Erklärungen abzugeben.

(Beifall des Abg. Keitel CDU)

Bitte schön.

Richtig. Ich wiederhole deshalb meine Frage:

(Widerspruch bei der CDU – Abg. Seimetz CDU: Nein! Die haben wir doch gehört!)

Ich bitte die Frau Ministerin, zu erklären, a) warum sie nicht in der Lage war – –

Sie haben hier nicht Erklärungen abzugeben, Herr Wintruff! Sonst entziehe ich Ihnen das Wort.

Ich habe sie doch gefragt, sie möge sagen, welche Bundesländer mehr als 90 Pflichtstunden haben.

(Abg. Rau CDU: Das ist unerträglich! Saft weg! – Abg. Dr. Birk CDU: Unerträglich! – Unruhe)

Das ist doch eine Frage: Welche Bundesländer haben mehr als 90 Stunden? Zweite Frage: Warum haben Sie heute nicht mehr als 90 Stunden anzubieten? Das sind doch klare Fragen.

(Abg. Dr. Carmina Brenner CDU zur SPD: Ihr Fraktionsvorsitzender ist schon weg, weil das pein- lich ist! – Abg. Seimetz CDU: Ich möchte wissen, aus welchem Elternhaus er eigentlich kommt! Er hat eine verdammt schlechte Erziehung!)

Das sind doch klare Fragen.