Protokoll der Sitzung vom 25.10.2000

(Abg. Dr. Puchta SPD: Aber die Richtung hat ge- stimmt, Frau Kollegin!)

Daher brauchen wir weiterhin ein Mittelstandsförderungsgesetz. Ich persönlich halte es für völlig unlogisch, dem Mittelstand die Mittel durch Steuern abzuknöpfen, um sie ihm anschließend als Fördermittel wieder zufließen zu lassen.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Genau!)

Der Mittelstand will keine Subventionen. Das haben die Gespräche in der Enquete immer wieder ergeben. Aber die Rahmenbedingungen sollten so sein, dass er wegen seiner geringeren Größe nicht benachteiligt ist. In Deutschland wird immer das Bundesland die Nase vorn haben, das die größenbedingten Nachteile der KMU am intelligentesten ausgleichen kann. Dazu gehört auch, dass die öffentliche Hand eigene wirtschaftliche Betätigung so weit wie möglich zurückschraubt und auf die private Wirtschaft überträgt. Ehrlich gesagt, kann ich es nicht verstehen, dass die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft in der Anhörung meinte, sie sei gegen den Rückzug des Staates, Privatisierung und Deregulierung seien nicht erstrebenswert. Da kann ich nur sagen: Sie ist völlig ahnungslos. Wenn die Gewerkschaft ahnungslos ist, dann wird es immer gefährlich.

Zum Ausgleich größenbedingter Nachteile gehört aber auch ein gutes Beratungswesen. Die Großen haben eine Steuerabteilung. Sie haben eine Umweltabteilung, eine Rechtsabteilung, eine Energiezentrale. Die kleinen und mittleren Unternehmen brauchen verlässliche Ansprechund Beratungspartner für diese Probleme. Dabei sollten die Kammern und Verbände sicher Anlaufstellen sein. Sie sollten diese Arbeit, die die beratenden Berufe ausüben können, aber nie dauerhaft übernehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Heiler SPD: Jetzt aber! Frauenpower! – Gegenruf der Abg. Ingrid Blank CDU: Ihr seid nur neidisch! – Zuruf der Abg. Dr. Inge Gräßle CDU)

Jawohl. – In der Vergabeordnung ist nicht nur das Ob, sondern auch das Wie für die Vergabe der öffentlichen Hand geregelt. Bei einem Vergabevolumen von mehreren Milliarden sollten unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen immer eine faire Chance haben. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen sollten aber auch ihrerseits den Bedürfnissen der Bauherren Rechnung tragen und zum Beispiel Bietergemeinschaften bilden. Je mehr sie zusammen anbieten, desto größer sind ihre Chancen. Aber auch da ist noch sehr viel Überzeugungsarbeit zu leisten und Beratungsbedarf vorhanden.

Die Neufassung des MFG ist überfällig. Ich bin froh, dass wir sie in dieser Legislaturperiode noch auf den Weg bringen. Sie wird von vielen erwartet. Sie ist durch die Enquete intensiv begleitet worden. Die CDU stimmt dem Gesetzentwurf zu.

(Beifall bei der CDU sowie des Abg. Drautz FDP/ DVP)

Das Wort hat Herr Abg. Capezzuto.

(Abg. Scheuermann CDU: Oh, der Mittelstands- fachmann!)

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nahezu jeder Betrieb in Deutschland und damit auch in Baden-Württemberg zählt zum Mittelstand. Bei dieser Ausgangslage ist es kein Wunder, dass sich die Politik immer wieder mit dem Mittelstand auseinander setzen und mit seinen Problemen beschäftigen muss.

Im letzten Jahr wurde im Landtag zunächst einmal auf Betreiben der Regierungsfraktionen eine Enquetekommission zum Mittelstand eingesetzt, die vorhin von Herrn Staatssekretär Dr. Mehrländer auch gelobt wurde – zu Recht, wie ich meine. Wir Sozialdemokraten haben jedoch schon bei der Einsetzung darauf hingewiesen, dass die Politik eigentlich bereits über mehr als genug Datenmaterial zur Lage des Mittelstands verfüge. Gefragt sind deshalb, denken wir, konkrete Lösungen und nicht weitere Untersuchungen in diesem Bereich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es! – Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Vor allem in Berlin!)

Darüber hinaus haben wir erst vor wenigen Monaten von der Regierung einen Mittelstandsbericht 2000 erhalten. Nun liegt uns der Entwurf eines Mittelstandsförderungsgesetzes vor, das nach Angaben des Wirtschaftsministeriums auf eine Aktualisierung der – das füge ich hinzu – 25 Jahre alten Grundsätze der Mittelstandsförderung sowie auf eine Anpassung des Förderinstrumentariums an den wirtschaftlichen Strukturwandel abzielt, wie es in der Begründung und der Zielsetzung im Text heißt.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Handlungsempfehlungen der Enquete finden wir, Herr Dr. Mehrländer, in dieser Gesetzesnovelle leider nicht.

(Abg. Heiler SPD: Aha!)

Alle unsere Vorschläge und Empfehlungen haben darin so gut wie keine Berücksichtigung gefunden.

(Abg. Birzele SPD: Unerhört! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Warum haben wir dann über- haupt eine Enquete?)

Da müssen doch die Fragen erlaubt sein: Mit welcher konkreten Zielsetzung arbeitet die Mittelstandsenquete des Landtags eigentlich noch? Was geschieht mit den vom Parlament in wenigen Wochen wohl zu verabschiedenden zahlreichen konkreten Empfehlungen der Mittelstandsenquete? Was soll daraus werden?

(Beifall bei der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: Beschäftigungstherapie!)

Wir halten es jedenfalls für zwingend, nach der heutigen ersten Lesung des Gesetzentwurfs und der Überweisung an den Wirtschaftsausschuss mit den Ausschussberatungen – damit ist es uns sehr Ernst, Herr Dr. Mehrländer – so lange zuzuwarten, bis der Abschlussbericht der Mittelstandsenquete des Landtags vorliegt und vom Plenum verabschiedet worden ist.

(Beifall bei der SPD – Abg. Heiler SPD: Sehr rich- tig!)

Nun aber zurück zu dem heute in erster Lesung zu behandelnden Gesetzentwurf des MFG. Dieser Entwurf strotzt vor mehr oder weniger unverbindlichen Absichtserklärungen

(Abg. Kluck FDP/DVP: Na, na, na, na!)

und ist dort, wo er konkret wird, oftmals lückenhaft. Ich verweise beispielhaft auf das Vergaberecht. Wir Sozialdemokraten sind nach wie vor der Auffassung, dass es besser wäre, die gesamte Problematik der Vergabe öffentlicher Aufträge in einem eigenständigen Vergabegesetz zu regeln.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Das habe ich Ihnen letz- tes Mal schon erklärt!)

Geradezu abenteuerlich, Herr Kollege Drautz, wird es aber in § 3 des vorliegenden Entwurfs – wenn Sie die Vorlage gelesen haben werden, Herr Kollege Drautz, werden Sie mir folgen können –, in dem die Landesregierung den „Vorrang der privaten Leistungserbringung“ regeln will. Obwohl uns die Überschrift dieser Vorschrift eine solche Zielsetzung suggerieren will, gibt es dann im konkreten Gesetzestext wieder den Vorbehalt spezifischer Regelungen für die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand.

Zu Recht haben Sie uns mitgeteilt, Herr Staatssekretär, dass die kommunalen Landesverbände diesbezüglich ebenfalls Bedenken angemeldet haben. Auf den Punkt gebracht finden wir hier zwei gegenläufige Ideologien: auf der einen Seite den Vorrang der privaten Leistungserbringung, auf

der anderen Seite den Vorrang der öffentlichen Leistungssteigerung. Beides gleichzeitig zu wollen, bringt nur die Regierung in diesem Land fertig

(Heiterkeit bei der SPD – Zuruf des Abg. List CDU)

ich muss ehrlich sagen, ich hätte jetzt etwas mehr Gegenwehr erwartet,

(Heiterkeit bei der SPD – Zuruf des Abg. List CDU)

aber ich scheine richtig zu liegen –, allerdings auch nur, weil Papier eben geduldig ist, meine Damen und Herren. Nur, die Realität erträgt eben nicht solche Verbalkunststücke.

Wir Sozialdemokraten – das will ich ganz deutlich sagen – sind weder für den einen noch den anderen Vorrang.

(Abg. Seimetz CDU: Aha!)

Wir wollen und fordern

(Abg. Seimetz CDU: Gar nichts!)

den offenen Wettbewerb, Herr Kollege Seimetz,

(Abg. Seimetz CDU: Toll!)

und zwar zwischen öffentlichen und privaten Leistungserbringern.

(Beifall bei der SPD)

Es darf hier keine ideologischen Verengungen geben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Sabine Schlager Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Moser SPD: Sehr gut!)

Gerade weil dieser Gesetzentwurf so viele Lücken hat und so viele Interessen unter einen Hut bringen soll, fordern wir eine öffentliche Anhörung im Wirtschaftsausschuss unter Beteiligung des Innenausschusses, Herr Staatssekretär.

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Nicht schon wieder! Das hatten wir doch schon!)

Inzwischen liegt uns der Gesetzentwurf vor, und da haben wir leider Gottes umdenken müssen.

In den Ausschüssen ist der richtige Ort für den Gesetzgeber, um in Fragen und Gegenfragen zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen, und das könnte eventuell heißen: „Finger weg von einem solchen Kompromisskauderwelsch.“

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen gibt es natürlich durchaus gute Gründe für ein neues Mittelstandsförderungsgesetz – vielleicht sollten wir es besser in „Wirtschaftsförderungsgesetz“ für unser Land umbenennen.

Herr Abgeordneter, Sie haben gerade geäußert, es sollte im Wirtschaftsausschuss weiterdiskutiert werden. Ihre Redezeit ist ohnehin schon abgelaufen.