Protokoll der Sitzung vom 25.10.2000

Hinweise darauf, woran das liegen kann, gibt der in der Anlage 3 beigefügte Beschluss der Kultusministerkonfe

renz. Danach halten zum Beispiel viele Menschen bestimmte Erscheinungsformen des politischen Lebens für nicht mehr zeitgemäß und auch für nicht geeignet, ihre anstehenden Probleme und existenziellen Sorgen zu lösen. Aufgrund der Komplexität und der Widersprüchlichkeit gesellschaftlicher Entwicklungen gehen manche nicht daran, sich das zu erarbeiten, sondern reagieren mit Politikverdrossenheit, Verunsicherung und Rückzug aus der Mitwirkung am Gemeinwesen. Der Notwendigkeit aktiver und unmittelbarer Beteiligung stehen die Verhaltensmuster Passivität und Ohnmachtsbewusstsein sehr stark gegenüber.

Daraus wird folgendes Fazit gezogen: Angebote der politischen Weiterbildung werden nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung angenommen und bedürfen gerade deshalb besonderer öffentlicher Aufmerksamkeit und Unterstützung. Allerdings – das muss man dazu sagen – darf das nicht erst im Erwachsenenalter beginnen. Das Bewusstsein, dass Politik eben nichts Unanständiges ist, und das Bewusstsein, dass alle von Entscheidungen der Politik direkt betroffen sind, egal, ob sie sich informieren und engagieren oder nicht, muss von Kindheit an geschaffen und entwickelt werden. Den Schulen kommt hier eine wichtige Aufgabe zu. Das werden wir aber an anderer Stelle zu diskutieren haben.

Wir müssen aber auch schon auf kommunaler Ebene junge Menschen erleben lassen, dass es durchaus konkrete Möglichkeiten der Mitgestaltung gibt. Auf solche Möglichkeiten zielt ja auch der Antrag von CDU und FDP/DVP. Die auf Neutralität verpflichtete Landeszentrale für politische Bildung ist als zentrale Koordinierungsstelle hierfür besonders geeignet.

Übrigens, Frau Kollegin Thon: Die Landeszentrale hat auch ein hervorragendes Internetangebot. Ich weiß nicht, ob Sie es sich schon einmal angeschaut haben.

(Abg. Rech CDU: Mit das Beste, was es gibt! – Zuruf des Abg. Dr. Schlierer REP)

Ansonsten fordere ich Sie hiermit auf, es sich anzusehen.

Warum ist die Landeszentrale besonders geeignet? Schließlich kommt in fast allen Stellungnahmen der anderen Träger deutlich zum Ausdruck, dass die Kooperation mit der Landeszentrale als äußerst wichtig und positiv angesehen wird. Meist wird ein Ausbau dieser Serviceleistung gewünscht.

Die Analyse des Rechnungshofs, wonach analog zur Reduzierung der Sachkosten nun auch der Personalbestand angepasst werden müsse, führt in die falsche Richtung. Das Kuratorium hat sich hierzu auch eindeutig geäußert. Wir müssen wieder eine Gegensteuerung finden.

Ich stimme dem Satz aus der Begründung der Großen Anfrage zu, in dem festgestellt wird:

Insbesondere Jugendliche wachsen heute in einem ambivalenten Selbstverständnis und Distanz gegenüber den Grundwerten unserer Gesellschaft auf.

Dazu passt der Kommentar aus der heutigen „Stuttgarter Zeitung“, der sich mit der aktuell diskutierten und prakti

zierten Solidarität gegen rechte Gewalt befasst. Der Autor zieht das Fazit:

Denn das Bedrückende ist ja weniger der Umstand, dass es ausgerechnet in Deutschland Altnazis gibt – die sterben schließlich aus –, als vielmehr die Tatsache, dass ihnen orientierungslose Jugendliche folgen.

Das ist nun wirklich ein Problem. Ich zitiere weiter:

Die Polizei ist das eine, das andere aber das Thema Erziehung, Wertevermittlung. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es in dieser Gesellschaft genau daran mangelt. Und exakt darin besteht die eigentliche Herausforderung – auch an uns selbst.

Da können wir uns sicherlich alle mit einschließen.

Einer der Schritte dabei ist lebenslange politische Bildung. Denn wie lautet die Zeitungsüberschrift zur Aktion „Team Z“ der Landeszentrale? „Gebildete sind nicht anfällig für Extreme“. Deshalb müssen wir für Bildung sorgen.

Es geht aber nicht nur um diese spezielle Aktion „Team Z“. Deshalb bitte ich Sie um Ihre Unterstützung für den weiter gehenden Antrag von CDU und FDP/DVP, der sich gegen jeglichen Extremismus wendet.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Wir brauchen eine Konzeption, und wir brauchen eine Kostenschätzung, damit wir rechtzeitig und in der richtigen Höhe die finanziellen Mittel bereitstellen können.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat Herr Abg. König.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Begründung der Großen Anfrage ist zu lesen:

Bürger verlieren zunehmend das Vertrauen in die politische Gestaltungsfähigkeit unserer Gesellschaft.

Dazu muss ich sagen: Wie wahr, wie wahr!

(Abg. Deuschle REP: Sehr gut! – Zuruf des Abg. Rapp REP)

In der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage wiederum ist zu lesen:

Vielfach trauen die Bürgerinnen und Bürger der Politik nicht zu, die aktuellen Probleme bewältigen zu können.

(Zuruf des Abg. Hehn CDU)

Wie wahr, wie wahr!

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner)

Drittes Zitat:

Politische Bildung muss daher noch stärker als bisher Vermittler zwischen Politik und Bürgerinnen und Bürgern sein:...

Da muss ich Theo Lingen zitieren: „Traurig, traurig, traurig!“

(Heiterkeit)

Es ist deshalb traurig, weil sich die Politik offensichtlich so darstellt, dass sich die Menschen, die ihr im Fernsehen, in den Zeitungen, im Radio jeden Tag begegnen, von ihr abwenden.

Wenn ich die Aufzählungen von Kollegen hier höre, was für eine lebendige Demokratie alles erforderlich sei, eine Landeszentrale für politische Bildung sei nötiger denn je, dann vermisse ich zwei Punkte: Eine lebendige Demokratie braucht zum einen auch glaubhafte Vorbilder,

(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner)

und sie braucht zum anderen glaubhafte Lösungen.

(Vereinzelt Beifall bei den Republikanern)

Daran mangelt es hinten und vorn.

Wie wollen Sie denn in der Bevölkerung Interesse für die Politik wecken oder erhalten, wenn Ihre Repräsentanten sich nicht einmal an die bestehenden Gesetze halten, wie es zum Beispiel der Spendenskandal in der CDU zeigt? Da wurden Millionen hin- und hergeschoben, teilweise über das Ausland, und die Geschehnisse sind bis heute nicht geklärt.

(Beifall bei den Republikanern)

Aber auch bei der SPD ist Vernebelungstaktik in den eigenen Reihen anscheinend erste Bürgerpflicht.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Was? – Abg. Win- truff SPD: Erzählen Sie doch keinen Quatsch!)

Die SPD ist nachweislich,

(Zuruf von der SPD: Der lügt doch!)

über die ganze Bundesrepublik verteilt, an vielen, vielen Zeitungen beteiligt.

(Abg. Wintruff SPD: Wo liegt das Problem? – Abg. Carla Bregenzer SPD: Haben Sie ein Pro- blem damit? – Weitere Zurufe)