Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Vor zwei Tagen wurden 95 Millionen DM an zusätzlichen Mitteln aus der Zukunftsoffensive für die beruflichen Schulen zur Verfügung gestellt. Dies zeigt die Bedeutung, die dieser Schulart zu Recht beigemessen wird.
Nach den neuen Inhalten und Ausbildungsformen sind hohe Schülerzahlen in Baden-Württemberg eine ganz große Herausforderung für die beruflichen Schulen. Sehen wir diese Herausforderung positiv! Viele Kinder und Jugendliche im Land zu haben ist ein gutes, ein wichtiges Signal. Bildung und Erziehung sind Schlüssel für ein erfolgreiches Leben in unserer Gesellschaft. Dies gilt besonders heute, in einer sich so rasch verändernden Zeit.
Meine Herren, ich darf Sie bitten, die Gespräche nach draußen zu verlegen. Das gilt auch für das Zwiegespräch direkt neben der Regierungsbank.
Globalisierung und Internationalisierung verändern auch den Schulalltag. Dies betrifft 80 % aller Schülerinnen und Schüler in unserem Land. Sie alle besuchen im Laufe ihrer Schulzeit eine berufliche Schule, sei es im Rahmen einer Ausbildung oder sei es zur Erreichung einer höheren Qualifizierung, eines höheren Abschlusses bis hin zu einer Hochschulreife. Diese Möglichkeiten können den Schülern in Baden-Württemberg aufgrund unserer multilateralen Versetzungsordnung angeboten werden.
Die beruflichen Schulen müssen täglich höchste Flexibilität beweisen und tun dies auch mit hohem Engagement und ganz hoher Kompetenz. Dafür möchte ich mich bei den Schulleiterinnen und Schulleitern, bei den Lehrerinnen und Lehrern in diesem großen Ausbildungssystem sehr, sehr herzlich bedanken.
Ihre Arbeit ist für die junge Generation entscheidend und steht am Anfang eines selbstständigen, eigenständigen Lebenswegs für die kommende Generation.
Bei den beruflichen Schulen werden Veränderungen am unmittelbarsten und am schnellsten umgesetzt. Dies stellt die Lehrerschaft vor immer neue Situationen, die dank der hohen Einsatzbereitschaft in aller Regel gemeistert werden. Berufliche Qualifikationsmöglichkeiten bedeuten für den Einzelnen aktive Teilhabe an der Gesellschaft. Dies ist die Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung in unserem Land.
Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass in Baden-Württemberg nur 4,5 % der Jugendlichen arbeitslos sind,
wobei der Bundesdurchschnitt bei 12,7 % liegt. Ich bitte, dies wirklich einmal zur Kenntnis zu nehmen.
Dennoch werden wir in Baden-Württemberg nicht in unseren Bemühungen nachlassen, um auch den heute noch arbeitslosen Jugendlichen Qualifikationsmöglichkeiten und schließlich auch Arbeit anbieten zu können.
Baden-Württemberg bietet in seinen beruflichen Schulen das bundesweit umfangreichste Angebot für Aus- und Weiterbildung. Gerade die Vollzeitschulen wurden in den letzten Jahren sehr stark ausgebaut, um den Jugendlichen ein Angebot zu machen, vor allen Dingen auch jenen Jugendlichen, die sonst keinen Ausbildungsplatz bekommen hätten. Ich nenne die beruflichen Gymnasien, ich nenne die Berufskollegs, ich nenne die Berufsfachschulen – und all diese nur beispielhaft.
Mit diesen Ausbildungsleistungen erbringt das Land eine große Vorleistung für die Wirtschaft. Die so gut vorgebil
Ein weiterer und noch immer wachsender Vollzeitbereich ist das BVJ, das Berufsvorbereitungsjahr. Hier wird gerade den Jugendlichen, die mehr Mühe mit dem Lernen haben, eine Möglichkeit geboten, doch noch eine Vorbereitung auf das Berufsleben zu erreichen. Es hilft auch gerade den Jugendlichen, die nicht sofort einen Ausbildungsplatz bekommen haben. An vielen Orten kommen richtigerweise unterstützend die Sozialarbeit und der Jugendberufshelfer dazu.
Am Ende des BVJ steht häufig ein Arbeitsplatz und sehr häufig auch ein Ausbildungsplatz mit Lehrvertrag. Ich denke, das ist eine ganz wichtige Möglichkeit, den jungen Leuten doch noch zu einem ganz normalen Lebensweg zu verhelfen.
Die Ausbildung in Vollzeitklassen hat einen sehr hohen Ressourcenverbrauch. Das Land stellt die vielen Deputate zur Verfügung, weil möglichst jedem ausbildungswilligen Jugendlichen ein Angebot gemacht werden soll.
Ein weiterer wichtiger Bereich im beruflichen Schulwesen ist die duale Ausbildung. Hier zeigt sich die Zusammenarbeit zwischen Schule und Ausbilder, die schließlich zu einer gemeinsamen Abschlussprüfung hinführt. Hier gilt mein besonderer Dank dem Mittelstand, der in den letzten Jahren weit mehr Ausbildungsplätze als die Industrie zur Verfügung gestellt hat.
(Beifall bei der CDU – Abg. Wieser CDU: Sehr gut! Das sind die Weltmeister in der Ausbildung! – Abg. Rech CDU: Das hat schon Tradition!)
An dieser dualen Ausbildung müssen wir festhalten. Sie hat sich bewährt und wird sich auch in Zukunft bewähren, auch in den neuen Berufsfeldern.
Hier habe ich noch eine ganz besondere Bitte: Man möge sich gerade an der Rheinschiene weiter und verstärkt dafür einsetzen, dass diese Ausbildungen auch über den Rhein gegenseitig anerkannt werden, sodass wir zu immer mehr gemeinsamen Berufsabschlüssen kommen, die eine Berufsberechtigung in beiden Ländern ermöglichen.
Informations- und Telekommunikationstechnik gehören inzwischen zu den Schlüsselqualifikationen in unserer Wissens- und Arbeitswelt. Computer als Lerninstrumente sind inzwischen alltäglich eingesetzt. Schon bei der Lehrplanrevision 1987 bis 1989 war die Einbindung neuer Technologien ein wichtiger Bestandteil. Die neuen Technologien sind inzwischen fester Bestandteil in allen Sparten der beruflichen Schulen.
Ich nenne als Beispiele: Das BK „Technik und Medien“ mit dem Aufbau „Technische Kommunikation“, das mit ei
nem Zusatzprogramm zur Fachhochschulreife führt. Von großer Wichtigkeit ist der Schulversuch BK Wirtschaftsinformatik. Die Absolventen werden wichtige Lücken schließen, was auch von der Wirtschaft gefordert wird. Ich nenne ferner den Abschluss des staatlich geprüften Informatikers an der Akademie in Böblingen sowie die Einführung eines Profils „Gestaltung und Medientechnik“ und eines Profils Informationstechnik am Technischen Gymnasium und die Wirtschaftsinformatik an den Wirtschaftsgymnasien.
Daneben unterstützt das Land sehr breit Schulprojekte, die in diesen neuen Bereich der Berufe gehören. Der Landesbildungsserver gibt hierüber detailliert Auskunft. Dazu kommt die Entwicklung und Erprobung multimedialer Lernsoftware und vor allen Dingen auch der mediengestützte Förderunterricht im Fach Deutsch für die BVJ-Klassen. Das ist, denke ich, ein wichtiges Beispiel, weil ja immer wieder beklagt wird, dass die Grundkenntnisse in Deutsch und Mathematik in unserem Ausbildungssystem zu kurz gekommen seien. Sie sehen, dass wir an allen Stellen versuchen, ganz energisch einzugreifen.
Der Einsatz von Multimedia ist für mich – um noch einmal zu dem anderen Thema zurückzukommen – auch über die Sprachgrenzen hinweg ein ganz wichtiges Medium. Hier kann Sprachkompetenz gefördert werden, aber auch das gegenseitige Lernen, wenn wir davon ausgehen, dass wir auch gegenseitig anerkannte Abschlüsse erreichen wollen. So ist während des Unterrichts die Kommunikation mit der Partnerklasse im anderen Land möglich. Dies ist ein ernsthaftes Zukunftsthema.
Im allgemein bildenden Bereich ist sie anerkannt gut. Bei den Spezialisten gibt es Probleme, weil wir diese auf dem Markt im Augenblick nicht in genügendem Maß zur Verfügung haben. Ursache für die Engpässe ist aber auch – das sollte auch festgestellt werden – der relativ hohe Stundenanteil, den wir uns im beruflichen Schulwesen leisten und der weit über dem Durchschnitt des Bundes liegt.
Das heißt, im Bundesvergleich haben wir dennoch in der Schülerrelation einen Spitzenplatz und ein hohes Maß an Mehrunterricht für unsere Jugendlichen.
Lassen Sie mich noch darauf zurückkommen, wie wir diesem Mangel auch begegnen wollen. Werbung für Ausbildung ist natürlich das Allererste, Werbung bei der Wirtschaft ist der nächste Schritt; aber es ist auch, da wir in diesen Mangelfächern direkt in der Konkurrenz zur Wirtschaft stehen, wichtig, Anreize zu schaffen, damit die entsprechenden Menschen bereit sind, in unsere Schulen zu kommen. Hier möchte ich zuallererst Sonderzuschläge für die Referendare nennen. Dann wäre ganz wichtig – das wollen wir bis zum nächsten Schuljahr geregelt haben – die Abstimmung der Examenstermine in den Universitäten mit den Einstellungsterminen hier im Land.
Wir haben das Problem, dass alle anderen Bundesländer praktisch vor uns mit dem Schuljahr beginnen und dann schon unsere Leute abgeworben haben, und die Wirtschaft wirbt natürlich auch. Ich denke, das wird im nächsten Schuljahr ein ganz entscheidender Punkt sein.
Wir werden in diesem Jahr auch im laufenden Schuljahr aus der Wirtschaft – auch das ist neu – Einstellungen vornehmen. Sobald wir die Leute zur Verfügung haben, werden wir sie ins Schulsystem einsteigen lassen. Den Quereinsteigern, denen die pädagogische Ausbildung fehlt, werden wir anbieten, im ersten Jahr die pädagogische Nachqualifikation zu erreichen, damit sie die Möglichkeit haben, auch ganz normal im System weiterzuarbeiten.
Dazu kommt das Sonderprogramm für Lehrbeauftragte der Wirtschaft, die so genannten Direkteinsteiger. Im Augenblick ist in Prüfung – das hat dann aber etwas mit dem Beamtenrecht zu tun –, wie weit es möglich ist, Absolventen der Fachhochschulen auch in den Vorbereitungsdienst zu übernehmen. Bei Bedarf können sich in Zukunft auch Universitätsabsolventen, die kein Lehramtsstudium absolviert haben, die aber nachweisen können, dass sie die Fächer, die für die Berufsschulen relevant sind, im nötigen Maß studiert haben, für den Dienst an den beruflichen Schulen bewerben.
Wir sollten auch immer wieder darauf hinweisen, dass die Einstellungschancen auf die kommenden Jahre hin von ganz besonderer Bedeutung und sehr gut sind.
Mit diesem ganzen Bündel von Maßnahmen haben wir, denke ich, wirklich alle Chancen, die Situation zu verbessern. Wir werden auch in Zukunft das Schulsystem im beruflichen Bereich, und zwar sowohl im traditionellen wie im Feld der neuen Berufe, weiterentwickeln und der Jugend unseres Landes eine Zukunftsperspektive geben.