Protokoll der Sitzung vom 22.11.2000

Dies möchte ich nicht, und wenn das dann im Park nebenan geschieht, dann sage ich dazu auch nicht: „Na gut, dann ist das halt auch so“, sondern dann müssen wir dort genauso einschreiten. Aber solche Kriminalitätsschwerpunkte dürfen vom Staat nicht akzeptiert werden, damit sich unsere Leute – ich sage es nochmals – ihr Recht wieder zurückholen können, sich auf diesen Plätzen frei zu bewegen. Dies gilt unabhängig davon, ob sie 17 oder 70 sind. Das ist Aufgabe des Staates. Dieser Gesetzentwurf hat unsere volle Zustimmung, weil er dem Ziel der Prävention dient und dazu einen wesentlichen Beitrag leistet.

(Abg. Göbel CDU: Der Schutz der Bürger ist der CDU wichtig!)

Die Anhörung hat in der Tat auch ergeben, dass eine positive Resonanz zu verzeichnen ist.

(Widerspruch des Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen)

Eines hat der Herr Innenminister – und das möchte ich nur als einen Punkt aufgreifen – noch einmal hervorgehoben – ich weiß, dass ich dazu das letzte Mal eine etwas andere Meinung geäußert habe –,

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Aha! – Abg. Redling SPD: Lernfähig, Herr Kollege!)

dass diese Kameras natürlich auch überwacht werden sollen.

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Aha!)

Gut, ja, ja. Also, wissen Sie, ich würde ja, wenn ich die Zeit dafür hätte, gern mit Ihnen darüber streiten, ob eine Kamera nicht auch schon dann präventive Wirkungen entfaltet, wenn dahinter niemand sitzt,

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Der Bannstrahl des Ministers!)

wenn potenzielle Täter aber wissen, dass da ein Film läuft und Straftaten aufgezeichnet werden. Aber lassen wir das mal dahingestellt sein.

Was wir diskutieren müssen, ist die Frage, die auch Sie sicherlich aufwerfen, ob wir dafür nicht einen verstärkten Personaleinsatz brauchen.

(Beifall des Abg. Redling SPD)

Ich meine, dies wird sich sehr in Grenzen halten. Schauen Sie mal in Polizeireviere an vielen Orten. In vielen Polizeirevieren werden beispielsweise Straßentunnels durch Kameras überwacht, ohne dass dadurch erhöhter Personalaufwand notwendig wird. In vielen Revieren wird das hervorragend und vorbildlich gemacht, und diese Überwachung funktioniert auch ohne verstärkten Personaleinsatz. Deswegen bin ich der festen Überzeugung, dass wir diese Aufgabe mit den Mitteln, die wir haben, werden lösen können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort hat Herr Abg. Redling.

(Abg. Heiler SPD: Der darf aber auch zwölf Minu- ten reden!)

Herr Heiler, ich überwache das. Herr Kollege Rech hat um 23 Sekunden überzogen. Ich hätte mir gewünscht, dass alle Redner nicht länger überzogen hätten, seit ich den Vorsitz führe.

(Abg. Rech CDU: Danke sehr! – Abg. List CDU: Sehr gut, Herr Präsident! – Zurufe von der CDU: Jawohl!)

Ich hoffe, dass auch Sie, Herr Redling, nicht länger überziehen. Sonst werde ich Sie mahnen.

(Heiterkeit – Minister Dr. Schäuble: Jetzt ist die Redezeit von Herrn Redling fast vorbei! – Gegen- ruf des Abg. Hans-Michael Bender CDU: Das schadet der Sache nicht!)

Nein, die Zeit läuft noch nicht. – Jetzt!

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte vorweg sagen, dass wir, die SPD-Landtagsfraktion, die Videoüberwachung an öffentlichen Straßen und Plätzen mittragen, und zwar in Übereinstimmung mit dem Datenschutzbeauftragten des Bundes und denen der Län

der. Die Datenschutzbeauftragten haben allerdings einen Kriterienkatalog aufgestellt, den sie zum größten Teil einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dem so genannten Volkszählungsurteil, entnommen haben, in dem das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung definiert wurde.

In Erwiderung auf Ihren Beitrag, Herr Kollege Rech: Das Parlament ist ein politisches Gremium, ganz klar. Unsere Entscheidungen sind politische Entscheidungen. Trotzdem sollten wir unsere Diskussionen, die wir auch in Ausschüssen führen – das möchte ich auch Ihnen an die Hand geben, Herr Innenminister –, doch mit etwas mehr rechtlichem Background führen. Wir sollten derartige, richtungweisende Entscheidungen unseres höchsten Gerichts ab und zu stärker in unsere Diskussion einführen.

(Beifall des Abg. Heiler SPD – Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Rechtstreu, Herr Kollege Rech!)

In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es, Ziel des Einsatzes der Videotechnik sei der Schutz von Personen und Rechtsgütern. Wenn Sie dieses Ziel ernst nehmen, müssen Sie den vorliegenden Gesetzentwurf allerdings sehr kritisch durchsehen. Sie schreiben, die Videoüberwachung – so haben Sie ausgeführt, Herr Minister – entfalte präventive Wirkung, wenn eine offene, erkennbare Überwachung vorhanden sei. Ganz klar, dies ist abschreckend. Keiner, der vorhat, eine Straftat zu begehen, will dies in dem sicheren Wissen tun, dass er dabei beobachtet wird. Die Kameras werden präventiv wirken, werden verhindern und abschrecken.

Zur weiteren Begründung geben sie an, Videoüberwachung trage zur Aufklärung von Straftaten bei und solle Beweismittel vor Gericht sein. In diesem Zusammenhang erwähnen Sie – sehr geehrter Kollege Kiesswetter, hören Sie zu – die Speicherfrist von 48 Stunden.

(Abg. Rech CDU und Minister Dr. Schäuble mel- den sich zu Zwischenfragen.)

Da frage ich einfach – –

Herr Abg. Redling – –

Nein! – Da frage ich einfach – –

(Heiterkeit)

Beide nicht, Herr Präsident. Beide will ich keine Zwischenfragen stellen lassen.

Entschuldigung, ich hatte Sie noch gar nicht gefragt, als Sie schon „Nein!“ gebrüllt haben.

Ich frage Sie, Herr Schäuble, und auch Sie, Herr Kiesswetter:

(Minister Dr. Schäuble: Ja, wenn Sie mich fragen, muss ich auch Sie fragen!)

Warum nehmen Sie 48 Stunden? Rhetorische Frage: Warum nehmen Sie nicht 36 Stunden oder 72? Warum neh

men Sie nicht acht Tage oder zwei Monate? Sie haben in Ihrer Begründung keinen logischen, rationalen Grund dafür angegeben.

In Ihrer Stellungnahme zum Vorschlag des Landesdatenschutzbeauftragten, der sagt, es solle nur dann aufgezeichnet werden, wenn eine Straftat erkennbar sei, führen Sie, Herr Schäuble, aus, eine Aufzeichnung sei notwendig, um später eingehende Anzeigen wegen Straftaten, die bei der Überwachung auf dem Monitor nicht erkannt worden seien, verifizieren zu können. Das heißt, aus Ihrer Begründung spricht ganz klar ein Misstrauen gegen die beobachtenden Beamten: Die bekommen nicht alles mit, was auf dem Monitor zu sehen ist.

(Lachen des Abg. Kluck FDP/DVP – Zuruf von der CDU: Das geht doch auch gar nicht! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Bekommen Sie alles mit, was neben Ihnen passiert?)

Oder sie schauen gar nicht hin.

Und damit drücken Sie auch aus: Eine Strafanzeige, die mehr als 48 Stunden nach einer Tat eingeht, ist nicht mehr wert, bearbeitet zu werden. Für diese 48 Stunden gibt es keinen logischen Grund. Deshalb halte ich diese Speicherfrist in diesem Zusammenhang für falsch. Ich bin der Meinung – –

(Abg. Kluck FDP/DVP: Was schlagen Sie denn vor, Herr Kollege? – Minister Dr. Schäuble: Was schlagen Sie vor?)

Ich bin derselben Meinung wie der Datenschutzbeauftragte – ich habe es schon oft gesagt –: Aufzeichnen dann, wenn der Beamte etwas erkennt und es dann auch sofort verfolgt werden kann. Aber nicht einfach 48 Stunden aufzeichnen, egal, ob etwas geschehen ist oder nicht. Noch einmal: Nur dann aufzeichnen, wie es auch in Leipzig der Fall ist, wenn wirklich etwas geschieht.

An dieser Stelle will ich Ihnen noch einen weiteren Schwachpunkt aufzeigen. Sie nennen als drittes Ziel: Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stärken. Das Gegenteil ist der Fall, Herr Schäuble. Wenn die Bürger feststellen werden, dass trotz offener Videoüberwachung bei Straftaten nicht geholfen wird,

(Minister Dr. Schäuble: Ja, Sie sind doch für Vi- deoüberwachung! Wie kriegen Sie jetzt die Kurve zur Zustimmung?)

dass nicht unverzüglich eingeschritten wird, was ja nach Ihren Ausführungen nicht notwendig ist,

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Warum soll denn unverzüglich eingeschritten werden? Können Sie mir das mal verraten?)

dann gaukeln Sie den Bürgern etwas vor, was Sie nicht einhalten können. Deshalb sind wir dafür: Videoüberwachung nur, wenn Beamte sofort eingreifen, wenn ein Verdacht auf eine Straftat vorliegt.