Protokoll der Sitzung vom 09.11.2005

(Zurufe von der CDU – Unruhe)

Herr Zeller, ich lasse Ihnen gern von unseren parlamentarischen Beratern, wenn Sie das wollen, einmal die Stellen heraussuchen.

Sie haben x-mal

(Zurufe von der SPD)

nein – das Schulsystem, das wir hier haben, in Abrede gestellt.

(Abg. Drexler SPD: Nein! – Weitere Zurufe von der SPD)

Sie wollten die Ganztagsschule generell. Das haben Sie xmal gesagt. Wenn das nämlich nicht so wäre, dann hätten Sie doch kein Problem mit uns.

(Abg. Drexler SPD: Doch, wir haben ein Problem mit Ihnen!)

Nein. Sie wollten eine Abkehr von dieser Art, wie wir Bildungspolitik gemacht haben.

(Abg. Drexler SPD: Immer freiwillig! – Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD – Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir wollen – –

(Zurufe von der SPD)

Jetzt regen Sie sich doch nicht so auf. Ich kann ja verstehen, dass Sie von der SPD momentan ein bisschen nervös sind,

(Abg. Drexler SPD: Wir sind nicht nervös! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Sie haben außer Polemik nichts zu bieten!)

aber das müssen Sie nicht an meiner Rede rauslassen.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Wieso das, Herr Drexler? – Sie haben im Moment wahrlich ganz andere Probleme als die Bildung im Land BadenWürttemberg. Das muss man auch einmal sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Meine Damen und Herren, wir wollen die Wahlfreiheit für die Eltern, so wie es der Ministerpräsident vorgetragen hat. Wir wollen, dass es Gerechtigkeit gibt. Wir wollen, dass den Entwicklungen in der Gesellschaft in diesem Land entsprochen wird. Wir wollen, dass die Eltern, die, aus welchen Gründen auch immer, es als die beste Lösung für ihr Kind erachten, es in der Ganztagsschule unterzubringen, das auch können. Aber wir sagen auch: Nicht nur Respekt, sondern Dank gilt denjenigen Familien, in denen das Kind betreut wird und in denen das Kind entsprechend vorangebracht wird. Auch das muss einmal klipp und klar an dieser Stelle gesagt werden.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Was sind denn das für Gegensätze! Das ist ja unglaublich! – Beifall bei der CDU)

Herr Kretschmann, noch ein Punkt zu Ihnen: Es gibt Fragen, bei denen überhaupt kein Dissens besteht, obwohl Sie versucht haben, einen herauszustreichen. Völlig klar ist, dass, wenn man Ganztagsschulangebote macht, man auch das entsprechende Personal dort braucht, wo die Kinder betreut werden.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Wer bezahlt das?)

Wir setzen einerseits auf Ehrenamt. Wir sind uns sicher, dass es auch gelingen wird, das Ehrenamt stärker einzubinden. Wir brauchen andererseits – völlig korrekt, kein Dissens – professionelles Personal. Deshalb gibt es in unserem Landeshaushalt für dieses Jahr – bevor das Programm überhaupt beginnt – bereits 600 Personalstellen, 600 Stellen für Lehrer, die nichts anderes machen, als an den bestehenden Ganztagsschulen mitzubetreuen: 600 Stellen und insgesamt 576 Ganztagsschulen.

Deshalb ist es einfach unwahr, so zu tun, als würden wir das ablehnen oder überhaupt nicht machen. Wir sind uns in diesem Punkt völlig einig. Wir brauchen das entsprechende Personal, und wir werden es in den nächsten Jahren bereitstellen. Deshalb nochmals eine Gesamtübersicht, weil Sie so getan haben, als ob wir nur den baulichen Bereich machten, und das sei es dann gewesen.

Meine Damen und Herren, ich sprach eingangs davon, dass das Land Baden-Württemberg einen finanziellen Kraftakt unternimmt. Ich bin aber der Überzeugung, dass das richtig ist. Bildungsinvestitionen sind die Zukunftsinvestitionen schlechthin. Aber dann darf man in aller Bescheidenheit auch einmal sagen, was die Programmatik für das Land mit sich bringen wird. Bei der Kleinkinderbetreuung, die wir bisher schon haben, behalten wir die bisherige Mitfinanzierung in vollem Umfang bei: 10 % bei Kinderkrippen, Fortführung der Förderung der Tagespflege.

Beim Orientierungsplan – übrigens: alles, was ich jetzt schildere, geschieht in Übereinstimmung mit den drei kommunalen Landesverbänden – gibt es Gesamtkosten, die hälftig von Land und Kommunen getragen werden, in Höhe von 20 Millionen € zur Qualifizierung der Erzieherinnen und Lehrkräfte in den nächsten drei, vier Jahren. Das Projekt „Schulreifes Kind“ wird das Land im Endausbau jedes Jahr – ich betone: jedes Jahr – 45 Millionen € zusätzlich kosten. Wir werden das zusätzlich zur Verfügung stellen. Die Jugendbegleiter kosten im Endausbau zusätzlich 40 Millionen €.

Meine Damen und Herren, allein wenn man die Summen aufaddiert und sieht, was wir neben den baulichen Investitionen in den nächsten Jahren für die Kinder in diesem Land Baden-Württemberg machen, dann kann man ohne Umschweife zu Recht vom Kinderland Baden-Württemberg reden.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Dazu habt ihr aber lange genug gebraucht!)

Deshalb danken wir der Landesregierung für diese Initiative. Wir unterstützen sie vollumfänglich. Das ist gut angelegtes Geld. Das ist gutes Geld für die Zukunft dieses Bundeslandes.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Drexler.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst zu Ihnen, Herr Mappus. Das muss man ja gleich richtig stellen: Wir haben uns immer für ein flächendeckendes Angebot an Ganztagsschulen in Baden-Württemberg eingesetzt, und zwar schon lange, bevor Sie in der CDU überhaupt über Ganztagsschulen nachgedacht haben. Und wir haben immer gesagt: Das ist ein freiwilliges Angebot. Wir haben immer gesagt: Alle Eltern müssen die Chance haben, in ihrer Nähe eine Ganztagsschule für ihr Kind zu finden. Das war unser Wunsch. So ist es.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Lachen des Abg. Mappus CDU)

Nichts mit „Zwangsschule“! Wenn ich allein sehe, was es mit den Bundesmitteln auf sich hatte: Sie haben am Anfang die 528 Millionen € für die Ganztagsschulen doch überhaupt nicht haben wollen. Wir haben hier ja x Debatten gehabt; Frau Schavan wollte das gar nicht.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Und Herr Rau, der jetzige Kultusminister, hat das immer als einen „Wahlkampfgag“ dargestellt.

(Abg. Mappus CDU: So war’s doch auch! – Abg. Fischer SPD zur CDU: Warum wolltet ihr es nicht? – Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Ja, so war es. Auch jetzt noch dieser Unsinn!

(Zurufe von der CDU)

Jetzt kommen wir gleich zum Personal. Natürlich haben Sie jetzt Personal, aber die nächsten 500 Ganztagsschulen, die eingerichtet werden, bekommen überhaupt kein pädagogisches Personal von Ihnen.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Genau! So ist es!)

Erzählen Sie der Öffentlichkeit hier doch nicht schlichtweg die Unwahrheit. Sie haben im Haushalt überhaupt keine einzige Stelle für die künftigen, jetzt im Bau befindlichen Ganztagsschulen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Kretschmann GRÜNE: Das ist so!)

Wir fahren durchs Land, Herr Mappus, und stellen fest, dass zahlreiche Ganztagsschulen entstehen. Die Bürgermeister zeigen uns die Pavillons und die Erweiterungsbauten, und dann sagen sie: vormittags Unterricht, dann Mittagessen und nachmittags das Ehrenamt, die Vereine. Aber da findet nachmittags kein Schulunterricht statt. Was brauchen wir denn aber, wenn wir unsere Ergebnisse bei PISA sehen? Wir stehen innerhalb Deutschlands insgesamt gut da; das bestreiten wir doch gar nicht.

(Abg. Mappus CDU: Aha! Gut! – Abg. Blenke CDU: Ich bin mal gespannt, was Herr Zeller dazu sagt! – Zuruf des Abg. Röhm CDU)

Aber 20 % unserer 16- bis 17-Jährigen, die von der Schule abgehen, können laut PISA nicht richtig Deutsch oder ver

stehen nicht, was sie auf Deutsch lesen. Unsere Berufsschulen tun zurzeit Folgendes: Sie bieten pro Woche neun zusätzliche Deutsch-Unterrichtsstunden an, damit die Schülerinnen und Schüler, die das baden-württembergische Schulsystem durchlaufen haben, überhaupt verstehen, was in der Berufsschule gelernt werden soll. Herr Mappus, das ist keine Glanzleistung, und wenn es woanders schlechter ist, ist das auch schlimm. Aber bei uns ist es nicht gut.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Röhm CDU)

Deswegen, Herr Mappus und Herr Oettinger, muss doch klar sein: Schule ist Schule. Wir wollen in einer Ganztagsschule zwar auch nicht die ganze Zeit Schulunterricht haben. Wenn wir aber wissen, dass die soziale Herkunft für den Schulerfolg entscheidend ist, auch in Baden-Württemberg – mit an der Spitze –, dann kann uns das doch keine Ruhe lassen. Die Begabung muss für den Schulerfolg entscheidend sein, nicht die soziale Herkunft.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Wenn das der Maßstab ist, dann muss man die Schwachen am Nachmittag fördern, damit sie den Anschluss finden, wenn ihre Eltern kein Geld haben, Nachhilfe zu bezahlen, wenn die Eltern nicht helfen können oder es vielleicht auch nicht wollen. Das muss der Staat übernehmen.