c) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Staatsministeriums – Die Zukunftsoffensive IV – Drucksache 13/4136
Das Präsidium hat für die Aussprache nach der Begründung durch die Regierung eine Redezeit von 15 Minuten je Fraktion, gestaffelt, festgelegt.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor fast einem Jahr habe ich hier im Landtag den Entwurf des Doppelhaushalts 2005/ 2006 eingebracht. Ich habe damals darauf hingewiesen, dass es der schwierigste Haushalt in der Geschichte des Landes Baden-Württemberg war. Ich habe darauf hingewiesen, dass die Gestaltungsspielräume so eng wie nie zuvor sind, dass wir konsequent bleiben müssen bei weiteren Haushaltskonsolidierungen, dass wir die Weichen stellen müssen, um zukunftsfähige Strukturen zu schaffen – und das in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld.
Da ich zurzeit an den Koalitionsverhandlungen in Berlin beteiligt bin, kann ich hinzufügen: Ich hoffe, wir werden bei unserem Landeshaushalt nie in eine solche Lage kommen, wie sie heute beim Bundeshaushalt besteht. Denn die Lage beim Bundeshaushalt erscheint auf den ersten Blick beinahe ausweglos.
Die gemeinwirtschaftlichen, die gesamtwirtschaftlichen Daten haben sich in der Zwischenzeit nicht verbessert. Nach wie vor stehen wir beim Wachstum in Europa ganz hinten, und nach wie vor reicht das Wachstum nicht aus, um auf dem Arbeitsmarkt einen echten Umschwung, eine echte Änderung zu erreichen.
Im Herbst 2004 hat die Bundesregierung für dieses Jahr ein reales Wachstum von 1,7 % des Bruttoinlandsprodukts veranschlagt. Das war dann auch die Grundlage für die Steuerschätzung im November 2004. Diese Steuerschätzung wiederum war die Grundlage für den Haushalt 2005. In der Zwischenzeit ist die Bundesregierung von einem Plus von 1,7 % auf ein Plus von 0,8 % heruntergegangen. Die Korrektur des nominalen Wachstums ist sogar noch etwas stärker gewesen. Das wirkt sich auf die Steuereinnahmen aus, weil sich diese nicht nach dem realen, sondern nach dem nominalen Wachstum richten.
Auch für das Jahr 2006 sind die Erwartungen zurückgenommen worden. Nächstes Jahr soll die Wirtschaft nur noch um 1 % wachsen. Für das Land heißt das: Wir werden deutlich weniger Steuern einnehmen, als wir in den Haushaltsplänen 2005 und 2006 unterstellt hatten. Die Steuerschätzung im Mai hat für das Jahr 2005 Mindereinnahmen in Höhe von 135 Millionen € vorgesehen, für das Jahr 2006 sogar von 420 Millionen €. Die November-Steuerschätzung war etwas günstiger, ändert allerdings nichts an der Größenordnung des Problems. Mehr als eine halbe Milliarde Euro im Haushalt sind aufzufangen. Das ist mühsam und wird auch wehtun. Aber es gibt keine Alternative, wenn man finanzpolitisch Kurs halten will. Den müssen wir halten, und den werden wir halten.
Die Lücke aus der Mai-Steuerschätzung für 2005 haben wir bereits im Frühjahr geschlossen. Die von der Landesregierung damals verhängte Ausgabensperre hat gezogen. Die fehlenden Einahmen wurden und werden noch im Haushaltsvollzug ausgeglichen. Ich glaube, daran zeigt sich, dass
die Haushaltssperre im Mai eine schnelle, gute und richtige Entscheidung war. So, wie wir es in diesem Jahr geschafft haben, werden wir es auch im Jahr 2006 schaffen.
Heute lege ich Ihnen den Entwurf des Nachtragshaushalts vor. Es ist zum einen natürlich ein Sparnachtrag. Es ist aber auch ein Nachtrag, der einige neue Akzente setzt. Die Landesregierung steht zum Konsolidierungskurs. Aber sie investiert gleichzeitig ganz gezielt in Felder, die wir für zentrale Zukunftsfelder für das Land Baden-Württemberg halten.
Die Landesregierung geht nicht den bequemen Weg über eine höhere Kreditaufnahme. Im Gegenteil: Wir werden die ganz geringe Verbesserung, die sich durch die NovemberSteuerschätzung ergeben hat, zur Absenkung der Nettokreditaufnahme nutzen. Wir achten und erfüllen damit die Landesverfassung. Trotz der hohen Steuerausfälle bleibt der Haushalt 2006 verfassungskonform. Die Landesregierung hält Wort. Dafür steht auch dieser Nachtrag.
Natürlich kann die Einhaltung der Kreditobergrenze nur ein Zwischenschritt sein. Ziel bleibt die Rückführung der Nettokreditaufnahme – bis zu einem ausgeglichenen Haushalt. Ich hoffe, wir werden im Laufe der nächsten Jahre auch noch einen Haushalt erleben, der ohne Schuldenaufnahme ausgeglichen werden kann. Dafür müssen wir die Ausgaben anpacken. Wir müssen die Ausgabenstrukturen ändern. Wir müssen die Dynamik einzelner Positionen bremsen, und das werden wir auch tun.
Aber ich habe bei meiner Einbringungsrede vor elf Monaten darauf hingewiesen, dass wir das nicht allein über die Ausgabenseite machen können. Ohne Wachstum werden wir den Haushalt nicht aus der Krise bekommen. Ich lege allerdings auch auf die umgekehrte Darstellung Wert: Wachstum allein wird den Haushalt auch nicht aus der Krise bringen. Wir brauchen beides: Wir brauchen strukturelles Sparen, und wir hoffen auf eine bessere Konjunktur, mehr Wirtschaftswachstum und damit mehr Steuereinnahmen.
Wachstum wird nun bekanntlicherweise nicht von der Politik gemacht. Aber eines kann die Politik: Sie kann Wachstum verhindern, wie das in den letzten Jahren ohne Frage geschehen ist.
Es ist nun einmal so, dass die ökonomischen Rahmenbedingungen im Wesentlichen durch den Bund gesetzt werden. Genau deshalb bin ich ganz zuversichtlich. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit der neuen Konstellation auf Bundesebene neue Impulse geben können.
Die Union hat im Wahlkampf die Probleme beim Namen genannt. Wir haben Lösungen angeboten. Vieles davon wäre schmerzhaft gewesen, aber aus unserer Sicht notwendig.
In einer großen Koalition wird sich keiner der Partner mit seinen Vorstellungen voll durchsetzen können. Wir werden Kompromisse finden müssen, aber wir werden das Ziel
nicht aus den Augen verlieren. Die Landesregierung wird, soweit sie dies kann, über den Bundesrat dazu beitragen, dass die Politik in Berlin vorankommt.
Natürlich ist es in manchen Bereichen besonders schwierig, einen gemeinsamen Kurs zu finden. Zu diesen Bereichen gehört ohne Frage auch die Haushalts- und die Steuerpolitik.
Ich habe in der Arbeitsgruppe Finanzen durchaus gute Erfahrungen gemacht. Alle Beteiligten wissen um die Schwere dieser Aufgabe. Das gilt für die Unions- wie für die SPDTeilnehmer gleichermaßen. Das liegt daran, dass die Finanzpolitiker immer vernünftige Leute sind. Alle gehen entsprechend ernsthaft und verantwortungsvoll an diese Aufgabe heran. Wir wollen gemeinsam einen ausgewogenen und nachhaltigen Beitrag zu dieser großen Koalition in Berlin leisten.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Scheffold CDU: Hört, hört! – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Capezzuto: Bleiben Sie doch beim The- ma!)
Aber ich weiß: Frau Vogt hat ja gesagt, dass dies nicht ihre Absicht gewesen sei. Das ist wahr. Sie hat eben nicht damit gerechnet, dass ihre Reden dieses Mal auch zu einem Ergebnis führen werden.
In Berlin sind die Beratungen zum Haushalt und zu den Steuern noch nicht abgeschlossen. Aber es zeichnen sich doch einige Ergebnisse ab. Es ist völlig klar, dass wir zunächst einmal alle Möglichkeiten auf der Ausgabenseite nutzen müssen, auch wenn die Steuerquote im Moment historisch niedrig ist. Es ist doch klar, meine Damen und Herren, dass man sich nicht gleich auf höhere Einnahmen einigen darf. Wenn man das tun würde, würde der Sparwille nachlassen. Das ist beinahe ähnlich verführerisch wie das Aufnehmen neuer Schulden.
Sparen heißt deswegen die oberste Priorität. Wir haben da auch eine ganze Reihe von Positionen ausgemacht. Sie hängen zum einen mit dem Sparen von Ausgaben zusammen, zum anderen aber auch mit dem Abbau von steuerlichen Ausnahmen, wenngleich hier leider – ich bedauere dies – manche schon wieder unter „Naturschutz“ gestellt worden sind.
Nur: Das Loch im Bundeshaushalt – das muss man hier auch einmal sagen – ist so gewaltig, dass das Sparen allein
nicht ausreichen wird. Auch wenn die neue Opposition in Berlin gegen Steuererhöhungen wettert: Es ist fast nicht möglich, aus einem Etat von 250 Milliarden € 43 Milliarden € – das sind über 15 % – herauszuschneiden. Ich darf es gerade einmal überschlagen:
Das ist kaum möglich. Ich sage Ihnen abweichend von meinem Konzept, weil ich da wirklich voll drin bin: Es gäbe nur eine einzige Möglichkeit: Sie müssten die Renten kürzen.
Es hat ja keinen Wert, darüber zu reden. Die 80 Milliarden € haben verschiedene Gründe. Sie sind gesetzlich notwendig.
Eines, was Sie ändern könnten, wäre, den Rentnern aufzuerlegen, ihren Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung voll selbst zu bezahlen. Das wäre ein großer Posten. Aber so mutig habe ich die FDP bisher auch nicht erlebt, dass sie so etwas machen würde.
Das wäre auch ungerecht und unsinnig. Das wird nicht gemacht werden. Ich bin auch der Meinung, man sollte so etwas nicht tun.
Gut, wir haben Zeit zu diskutieren. Wir müssen uns um den Haushalt im nächsten Jahr kümmern. Ankündigungen einer Rentenreform oder sonst etwas, was im Jahr 2012 wirkt, werden uns für das nächste Jahr nichts helfen. Das muss man sehen. Ich habe gestern von einem berühmten Professor eine Liste gesehen, wie er 20 Milliarden € zusammenbringt. Da waren Maßnahmen dabei, die frühestens im Jahr 2010 wirken werden. Man muss die endgültige Wirkung und die Wirkung sofort im ersten Jahr auseinander halten. Ich rede jetzt, nachdem ich einen kurzen Ausflug in die Bundespolitik gemacht habe, über die Jahre 2006 und 2007. Ich wollte nur darauf hinweisen, das wäre so, als wenn – –