Protokoll der Sitzung vom 01.12.2005

(Zuruf des Abg. Gaßmann SPD)

Diese Arbeitsgruppe hat das Ziel, Mobilitätshindernisse zwischen den Bundesländern gar nicht erst aufkommen zu lassen. Alle Länder sind übrigens höchst interessiert an der Art und Weise, wie Baden-Württemberg dieses Studiengebührengesetz definiert hat und wie Baden-Württemberg Studiengebühren einführt.

Ich persönlich erwarte, da es bekanntermaßen auch in der SPD viele Befürworter nachgelagerter Studiengebühren gibt – –

(Abg. Zeller SPD: Wo denn? – Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Gab! – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Zumindest bis vor einem halben Jahr! Das ist jetzt vorbei! – Unruhe bei der SPD)

Ja, aber die Grundüberzeugungen, so hört man, bestehen noch. Ich erwarte, dass SPD-geführte Länder uns folgen werden.

(Abg. Mappus CDU: Auch Frau Vogt war vor ei- nem halben Jahr noch dafür! – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: Wer? – Abg. Fleischer CDU: Das war der gute Einfluss von Herrn Drexler! – Weitere Zurufe von der SPD)

Ich will jetzt nicht auf Frau Vogt eingehen.

(Abg. Mappus CDU: Die war vor einem Jahr auch noch für Müntefering!)

Auch Berlin hat gerade vonseiten der SPD und des Regierenden Bürgermeisters die Diskussion geführt, Studiengebühren einzuführen. Aber die Motivation von Berlin war, Studiengebühren zur Sanierung des Staatshaushalts einzuführen. Dies macht den Unterschied unserer Absichten zu Berlin deutlich.

(Minister Dr. Frankenberg)

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Wir haben mit der Einführung von Studiengebühren nur ein Ziel: Die Qualität der Lehre an den Hochschulen zum Besten der Studierenden zu verbessern.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das wird so aber nicht gelingen, Herr Minister!)

Wir handeln nicht aus fiskalischen Gründen. Die Hochschulen werden diese Gebühren zusätzlich einnehmen.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Mit Abzügen!)

Das Kabinett hat das unmissverständlich beschlossen. Die Hochschulhaushalte werden damit über Mittel für die Lehre verfügen, und zwar über Mittel in einer Höhe, wie sie in dieser Flexibilität den Hochschulen bislang noch in keinem Bundesland zur Verfügung gestanden haben.

Der Gesetzentwurf zur Einführung der Studiengebühren ist in allen Details hinlänglich bekannt, gerade auch durch die mittlerweile bereits sieben vorauseilenden Landtagsanfragen und die Diskussionen darüber. Deshalb möchte ich mich auf die grundsätzlichen Fragen konzentrieren.

Wir verfolgen mit der Einführung allgemeiner Studiengebühren drei Aspekte: Die Hochschulen benötigen zur Verbesserung der Lehre zusätzliche Einnahmen. Baden-Württemberg gibt derzeit jährlich 1,9 Milliarden € für die staatlichen Hochschulen einschließlich der Berufsakademien aus. Damit liegen die Bildungsausgaben Baden-Württembergs deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Aber wir haben besondere Ansprüche. Die baden-württembergischen Hochschulen liegen in allen Rankings deutlich vorn. Man kann mit Fug und Recht sagen: Baden-Württemberg hat das beste Hochschulsystem in Deutschland.

Aber wenn wir mit unserer Industrie und unseren Serviceleistungen im Weltmarkt an der Spitze stehen wollen, dann brauchen wir nicht nur die besten deutschen und auch nicht nur die besten europäischen Hochschulen, sondern dann müssen die baden-württembergischen Hochschulen, verglichen mit anderen staatlichen Hochschulsystemen, mit an der Weltspitze stehen können. Dazu müssen wir eine gewisse Diskrepanz in der Gesamtfinanzierung dieser Hochschulen überwinden.

Wenn wir die Gesamtausgaben für die Lehre im tertiären Bereich pro Studierendem in den USA betrachten, wird deutlich, dass dies knapp 20 000 US-Dollar pro Jahr sind, während es in Deutschland ca. 6 400 US-Dollar und in Baden-Württemberg 10 000 US-Dollar sind. Nur Bayern hat in Deutschland eine ähnliche Finanzierung wie BadenWürttemberg.

Wenn wir aber das Finanzierungsniveau etwa der ETH Zürich oder eines guten amerikanischen State Systems – etwa des North Carolina State Systems oder etwa der „Oxbridges“ dieser Welt – erreichen wollen, dann brauchen wir zusätzliche Finanzierungsquellen für die Hochschulen. In diesen Systemen gibt es überall auch Studiengebühren. Nirgendwo sonst ist mit über 90 % der Staatsanteil an der Fi

nanzierung staatlicher Hochschulen so hoch wie in der Bundesrepublik Deutschland. Viele der sehr guten staatlichen Hochschulen sind nur zur Hälfte staatlich finanziert, und unsere 90 % entsprechen etwa den 50 % dort, wenngleich die 90 % von Baden-Württemberg pro Studierendem wesentlich mehr sind als die 90 % von Rheinland-Pfalz.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP – Abg. Pfisterer CDU: So ist es! Das muss man deutlich sagen!)

Wir können diese bessere Finanzierung durchaus erreichen, wenn wir Drittmittel, eine Vollkostenfinanzierung der Drittmittel, Studiengebühren, Spenden und Sponsoring addieren. Dann können wir für unsere Hochschulen auf ähnliche Zahlen kommen. Das ist keine Utopie, sondern ein erstrebenswertes Ziel, zu dessen Erreichung die Studiengebühren ein wesentlicher Baustein sind.

Die Mittel für die Lehre sollen und werden die Betreuung der Studierenden verbessern. Sie sollen und werden die Zahl der Abbrecher verringern und die Studienzeiten verkürzen. Es wird sich lohnen, Studiengebühren zu zahlen, und es wird sich gelohnt haben, Studiengebühren entrichtet zu haben. Der Eigenbeitrag der Studierenden – das ist ein weiterer Aspekt – wird zu einem Mentalitätswandel auf beiden Seiten in der Hochschule führen, bei den Studierenden wie bei den Lehrenden. Das Studierverhalten und schon die Studienwahl werden positiv beeinflusst werden. Die Studierenden werden sich des Wertes ihrer Ausbildung bewusster werden. Sie werden aber auch als zahlende Nachfrager, im besten Sinne als mitwirkende Kunden an den Hochschulen anders wahrgenommen werden als bisher.

(Zuruf von der Zuhörertribüne: Hu, hu, Humanka- pital! – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, ich bitte Sie, Ihre Ausführungen für einen Moment zu unterbrechen.

Den Zwischenrufer fordere ich auf: Bitte verlassen Sie den Raum! – Wenn Sie das nicht freiwillig tun, dann bitte ich den Ordnungsdienst, dafür Sorge zu tragen, dass der Zwischenrufer den Raum verlässt.

(Zuruf von der Zuhörertribüne: Hu, hu, Humanka- pital! – Vereinzelt Heiterkeit)

Gehen Sie bitte!

(Unruhe – Abg. Pfisterer CDU: Unglaublich!)

Herr Minister, fahren Sie bitte fort.

Ich darf nur sagen: Als ein doch humanistisch einigermaßen Gebildeter verstehe ich unter Humankapital etwas Positives.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Pfisterer CDU: Sehr gut!)

Die Studierenden werden durch die Lehrenden sicherlich anders wahrgenommen werden, und das wird auch vonseiten der Lehrenden die Qualität der Lehre verbessern.

(Minister Dr. Frankenberg)

Die Mitfinanzierung des Studiums durch die Studierenden ist auch deshalb geboten, weil das Studium diesen Eigenbeitrag durchaus wert ist. In der deutschen Diskussion heben wir beim Studium meistens auf den ideellen Wert des Studiums ab, und zwar entsprechend unserem Bildungsideal. Aber ein Studium bringt auch erhebliche persönliche finanzielle Vorteile mit sich. Die Bildungsrendite eines Studiums in Deutschland beträgt etwa 9 %. Ein Studium eröffnet bessere Aussichten auf einen Arbeitsplatz mit geringem Risiko der Arbeitslosigkeit und mit überdurchschnittlichem Gehalt.

Im September 2005 lag die Arbeitslosenrate bei Akademikern nach wie vor bei 4 % und damit deutlich unter der allgemeinen Arbeitslosenrate von 11,2 %. Gleichzeitig erzielen deutsche Akademiker durchschnittlich ein um 61 % höheres Einkommen als Absolventen des Sekundarbereichs II.

Der alte Grundsatz „non scolae, sed vitae discimus“ stimmt also im doppelten Sinne: Im Sinne der Bildung lernen wir für das Leben, aber auch im Sinne des Einkommens lernen wir für das Leben. Je mehr wir gelernt haben, umso höher ist im Durchschnitt das Einkommen.

Bisher wird dieses gebührenfreie Studium von allen Steuerzahlern getragen,

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das ist doch entschei- dend!)

und zwar auch von all den vielen Steuerzahlern, die weder selbst studieren noch studiert haben und die auch keine Kinder im Studium haben oder je haben werden.

(Abg. Pfisterer CDU: So was ist ungerecht!)

Die Gebührenhöhe von 500 € pro Semester ist im Vergleich zu den tatsächlichen Kosten des Studiums moderat. Die tatsächlichen Kosten liegen im Mittel bei 8 500 € pro Jahr; der Eigenbeitrag läge dann also im Mittel bei etwa 12 %. Übrigens muss ein Industriemeister im Bereich der IHK Stuttgart mehr als 4 000 € für seine Ausbildung zahlen, ein technischer Forstwirt etwa 3 000 €; eine medizinisch-technische Radiologieassistentin, die sich in Esslingen ausbilden lässt, muss 7 200 € für ihre Ausbildung zahlen.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Wahnsinnig! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Die finanziert nachher das Medizinstudium ihres Freundes!)

Wenn man auch daran denkt, dass in Stuttgart ein Kindergartenplatz pro Monat etwa 135 € kostet, dann muss man sich schon fragen, ob es nicht geradezu gerecht ist – wenn man diesen Begriff schon bemüht –, Studiengebühren einzuführen, wenn auch so viele andere für ihre Ausbildung bezahlen müssen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das kostenfreie Studium war ein Privileg. Ich verstehe, dass diejenigen, die nun sehen, dass ein Privileg abgeschafft wird, dagegen demonstrieren. Es war immer so, dass diejenigen, deren Privilegien angegangen worden sind, dagegen demonstriert haben, und dies wird auch immer so sein.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: So bleiben, ja!)

Über höhere Gebühren zu spekulieren, halte ich für müßig. 500 € sind die Basis der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gewesen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich den Argumenten unseres damaligen Eckpunktepapiers angeschlossen. Deshalb muss ich sagen: Aus rechtlichen Gründen, aber auch aus sozialen Gründen, weil die Gesamthöhe der Gebühr und damit auch die Gesamthöhe eines möglichen Darlehens auch eine Sozialkomponente ist, sind mit mir höhere Gebühren nicht zu machen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Weiß das Frau Homburger?)