Protokoll der Sitzung vom 23.01.2003

Wir werden das auch nur im Konsens der Ressorts und der Gesellschaft insgesamt angehen können. Wir werden es nicht nur repressiv angehen können – das heißt mit Bestrafung –, sondern werden sicherlich auch den Gedanken der Prävention immer wieder in den Vordergrund stellen müssen.

(Abg. Zeller SPD: Dann dürft ihr aber nicht die Mittel streichen!)

Das beginnt, Herr Kollege Zeller als bildungspolitischer Sprecher Ihrer Fraktion, auch in den Schulen, aber auch in den Familien, auch in der Erziehung,

(Abg. Zeller SPD: Aber dann dürft ihr nicht die Mittel streichen, die notwendig sind, um so etwas zu machen!)

und zwar schon vom Kleinkindalter an.

(Beifall des Abg. Theurer FDP/DVP)

Die FDP/DVP hat im letzten Sommer zur Frage der Gewalt in den Medien eine Anfrage eingebracht. Das ist auch ein Punkt, über den man in diesem Zusammenhang sprechen muss.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Sehr richtig!)

Denn Gewaltverherrlichung in den Medien ist sicherlich der Erziehung von Kindern und Jugendlichen nicht förderlich.

(Abg. Bebber SPD: Dann müssen wir aber auch Konsequenzen ziehen!)

Zu den Konsequenzen komme ich gleich, Herr Kollege Bebber. – Eine Konsequenz ist sicherlich falsch: wenn man wie Rot-Grün Kriminalität bagatellisiert.

(Abg. Zeller SPD: Wer macht denn das?)

Das kann ich Ihnen sehr wohl sagen.

(Abg. Zeller SPD: Wer denn?)

Schauen Sie sich einmal an, was derzeit zur Entkriminalisierung beim Ladendiebstahl und bei den Drogen in der Diskussion ist, um nur zwei Beispiele zu nennen.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das sind doch alte Ka- mellen!)

Das ist nicht alt, Herr Kollege Oelmayer, das ist nach wie vor aktuell. Wissen Sie, warum? 80 % der Kriminalität unter Jugendlichen betreffen Körperverletzung, Raub und Diebstahl. Da dürfen wir doch nicht mit Entkriminalisierung und Bagatellisierung des Ladendiebstahls die Sache noch fördern. Im Gegenteil, Herr Kollege Theurer hat zu Recht darauf hingewiesen: Wir müssen das Strafrecht, auch so, wie wir es haben, anwenden, und zwar konsequent anwenden.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das hat doch niemand anders gesagt!)

Das heißt, wir dürfen die Heranwachsenden nicht sozusagen in der Regel als Jugendliche behandeln, sondern das muss die Ausnahme sein, und zwar dann, wenn Entwicklungsdefizite herrschen. Das sind Gedanke und Normzweck des Gesetzes gewesen.

(Abg. Zeller SPD: Jetzt sagen Sie einmal etwas zur Prävention!)

Ich sage Ihnen gleich auch etwas zur Prävention. Aber zunächst will ich Ihnen etwas zum JGG, zum Jugendstrafrecht sagen.

Wir haben im Grunde genommen die Entwicklung, dass dort der Zweck der erzieherische Gedanke ist. Da haben wir auch ein breites Instrumentarium. Das ist auch nicht schlecht. Das hat sich sicherlich bewährt.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Klar!)

Auch der Deutsche Juristentag hat sich übrigens seit langem wieder einmal mit dem Thema Jugendkriminalität befasst.

(Abg. Bebber SPD: Gehen Sie einmal auf die Be- schlüsse ein!)

Herr Kollege Bebber, ich gehe gerne auch auf die Beschlüsse des Juristentags ein. Aber jetzt gehe ich auf RotGrün ein.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Es geht doch um die Sa- che und nicht um Rot-Grün!)

In der Koalitionsvereinbarung haben Sie gerade einmal geschrieben, dass Sie es prüfen wollten. Zu Recht wurde darauf hingewiesen, dass man im gleichen Atemzug darüber diskutiert, die Höchstjugendstrafe auf fünf Jahre zu reduzieren, während wir öffentliche Diskussionen darüber haben, diese bei Schwerkriminalität auf 15 Jahre zu erhöhen. Das ist doch die Realität.

Ich will Ihnen zur Prävention Folgendes sagen: Wir haben in Baden-Württemberg einige Projekte, die der Kollege Theurer im Bereich der Justiz angeführt hat, aber auch im Bereich des Innenministeriums. Der Innenminister ist anwesend, die Kultusministerin ist anwesend.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Sehr gut!)

Das ist mustergültig, sowohl bei der Prävention – –

(Lachen des Abg. Oelmayer und bei der SPD – Abg. Oelmayer GRÜNE: Die persönlichen Kom- plimente können Sie nachher draußen zum Aus- druck bringen, Herr Kollege!)

Moment! – Vom Innen-, vom Justiz- und vom Sozialministerium ist das Initiativprogramm „Jugendliche Intensivtäter“ aufgelegt worden. Es gibt in den Schulen zum Beispiel die Streitschlichter. Ich finde es sehr gut, dass man dort schon ein Bewusstsein dafür schafft, wie man mit Konflikten, mit Gewalt umgeht. Dass man dort Streitschlichter ausbildet, ist ein sehr guter Ansatz in die richtige Richtung.

Ich möchte aber auch etwas zum Bereich der Justiz sagen, was meinen Wahlkreis betrifft. Herr Kollege Goll ist sehr lange öffentlich in den Zeitungen im Zusammenhang mit dem Projekt „Chance“ genannt worden. Das wird in Creglingen im kommenden Jahr begonnen werden. Ich gehe davon aus, dass die Justizministerin – –

(Ministerin Corinna Werwigk-Hertneck: In diesem Jahr!)

(Ministerin Corinna Werwigk-Hertneck: In diesem Jahr!)

Dieses Jahr, Entschuldigung. Wir sind im Jahr 2003.

Ich gehe davon aus, dass es in Creglingen, in meinem Wahlkreis, beginnt. Dort sollen Ersttäter im Alter zwischen 14 und 17 – –

(Zuruf des Abg. Bebber SPD)

Ja, Herr Kollege Bebber. Es wollte ja niemand haben. Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Es war ein Armutszeugnis in der Diskussion, was den Standort in diesem Land angeht. Das will ich Ihnen in diesem Zusammenhang sagen.

(Abg. Bebber SPD: Richtig!)

Ich bin froh darüber, dass ein Bürgermeister den Mut gezeigt hat, im Zusammenhang mit dem Justizministerium überhaupt einen Standort zur Verfügung zu stellen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Dort sollen Ersttäter im Alter zwischen 14 und 17 Jahren in Arbeit vermittelt werden, betreut werden, weil wir wissen, dass delinquente jugendliche Straffällige, wenn sie einmal auf die schiefe Bahn kommen und nicht in der richtigen Betreuung Begleitung erfahren, Wiederholungstäter werden und abrutschen in ein kriminelles Milieu, aus dem man sie nicht mehr zurückholen kann.

Das ist eine Herausforderung an die ganze Gesellschaft. Denn wir müssen sehen, dass wir – die Zahlen wurden genannt – nach dem Bericht der Polizei im Jahr 2001 einen Anstieg auf 71 000 Tatverdächtige haben.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Der Innenminister rech- net die schon hoch auf 100 000!)

Wenn wir diese vorliegenden Zahlen sehen, dann wissen wir bei der Zunahme der Verurteilungen um über 50 % in den vergangenen zehn Jahren, dass es uns ein Anliegen sein muss, dieser Herausforderung zu begegnen. Ich nenne hier auch die Kriminalität von jungen Aussiedlern. Auch das ist ein Thema,

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Ein gewaltiges!)

dem wir uns stellen müssen. Denn auch diese Kriminalität hat zugenommen, wie wir wissen.

Ich glaube, dass wir deshalb alle gefordert sind, mit den Maßnahmen, die bisher auch rechtspolitisch diskutiert werden, dieser Herausforderung zu begegnen. Ich wiederhole es: Regelanwendung des allgemeinen Strafrechts bei Heranwachsenden, Erhöhung des Strafrahmens, Einführung des Warnschussarrestes – das hat Herr Kollege Theurer angesprochen –, Stärkung des vereinfachten Jugendverfahrens, aber auch wirksames Eintreten gegen Entkriminalisierungsund Aufweichungstendenzen, will heißen, wir dürfen nicht bagatellisieren. Wir dürfen weder den Ladendiebstahl herabstufen, noch dürfen wir Drogendelikte in die Ordnungswidrigkeitsebene zurückholen. Das gilt übrigens auch für das Schwarzfahren, Herr Kollege Oelmayer. Bedenken Sie einmal die Diskussionen, die wir bundesweit zu diesem Thema geführt haben.