(Abg. Theurer FDP/DVP: Völlige Fehlanzeige! – Abg. Dr. Reinhart CDU: Rot-Grün ist überfordert derzeit, das ist das Problem!)
Es gab eine Reformkommission auf der Basis eines Koalitionsvertrags, in dem steht, es werde geprüft, ob eine Reform erforderlich sei. Unter den Experten besteht Einigkeit darüber, dass eine Reform erforderlich ist. Deswegen gab es auch schon eine.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Oelmayer GRÜ- NE: Dann kennen Sie andere Experten als wir! – Zuruf des Abg. Bebber SPD)
Die Wege, wie man richtig reagiert, sind immer umstritten. Das, was diese Reformkommission vorgeschlagen hat, den Bereich der Bagatell- und Massendelikte wie Ladendiebstahl, Schwarzfahren und kleinere Drogendelikte zu entkriminalisieren, ist sicherlich nicht der richtige Weg.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Oelmayer GRÜ- NE: Da hat die FDP aber schon andere Auffassun- (Ministerin Corinna Werwigk-Hertneck)
gen vertreten! – Gegenruf des Abg. Theurer FDP/ DVP: Wir sind lernfähig! – Abg. Dr. Reinhart CDU: Auch die FDP wird klüger mit zunehmenden Alter!)
Die Idee, dass junge Erwachsene bis zum Alter von 24 Jahren in den Genuss des Jugendstrafrechts kommen sollen, ist völlig kontraproduktiv. Diese ganzen Vorstellungen haben mit einer ordentlichen Rechtspolitik im Bereich des Jugendstrafrechts nichts zu tun.
Dabei verkenne ich nicht – das will ich noch einmal sagen –: Jugendliche müssen anders angefasst werden als Erwachsene.
Ich will hier noch einmal darauf hinweisen, dass das Land Baden-Württemberg entgegen Ihrer Auffassung, Herr Bebber, schon sehr viel getan hat. Da möchte ich ausdrücklich dem Innenminister, der Kultusministerin und dem Sozialminister danken. In dieser Gemeinsamkeit mit dem Justizministerium soll es auch weitergehen.
Wichtig ist, dass wir verschiedene Punkte angehen. Wir sprachen das Regel-Ausnahme-Prinzip für die Anwendung von Jugendstrafrecht an. Herr Theurer, Sie haben dazu Ausführungen gemacht.
Stellen Sie sich vor: Heute ist man mit 18 volljährig. Man kann im Alter von 18 Jahren heiraten, den Führerschein machen, ein Auto kaufen, ein Unternehmen gründen,
Angestellte einstellen, und nur – so sieht heute leider der Regelfall aus –, wenn man etwas falsch gemacht hat, sich strafbar gemacht hat, wird noch einmal nachgefragt,
ob man denn überhaupt schon den Reifegrad erreicht hat, der erforderlich ist, um nach Erwachsenenstrafrecht behandelt zu werden.
Da muss ich ganz deutlich sagen – das ist auch meine persönliche Überzeugung –: Wir nehmen diese Jugendlichen ernst.
Wir nehmen sie mit den genannten Rechten im Alter von 18 Jahren ernst, deshalb nehmen wir sie auch im Strafrecht ernst.
Es ist vor allem eine wichtige Entwicklung gewesen – – Im Gesetzbuch steht ja, dass Erwachsenenstrafrecht ab einem Alter von 18 Jahren angewandt wird, aber auch Jugendstrafrecht angewandt werden kann, wenn noch Reifungsdefizite festzustellen sind. Vor 30 Jahren haben sich unsere Jugendstrafrichterinnen und Jugendstrafrichter bei etwa 20 % der Fälle für die Anwendung des Jugendstrafrechts entschieden, heute sind es 65 %. Das ist eine Entwicklung, die im Einzelfall sicherlich begründet ist, die aber in der Tendenz sicherlich dazu führt, dass ein gewisser Abschreckungscharakter immer weiter verloren geht.
Die Landesregierung wird über den Bundesrat beantragen – sie hat eine entsprechende Initiative ja auch schon eingebracht –, dass dieses – –
Nächster Punkt: Höchststrafenerhöhung. Ich stimme Ihnen, Herr Bebber und Herr Oelmayer, zu: Abschreckend dürfte es nicht sein, wenn die maximale Jugendstrafe von 10 auf 15 Jahre erhöht wird. Vielleicht erinnern Sie sich: Es gab 2001 den Kettensägenmord in Mannheim. Ein 19-Jähriger hat eine junge Frau mit vielen Messerstichen getötet und anschließend seine Freundin veranlasst, die Leiche zu zersägen. Das war ein völlig grauenvoller Mord. Damals haben die Mannheimer Richter gesagt: Wir halten den Strafrahmen von zehn Jahren für zu kurz; für solch grausame Fälle brauchen wir einen erweiterten Strafrahmen. Deswegen treten wir auch für diese rechtspolitische Forderung ein.
Ich habe auch aus meiner Praxis als Anwältin heraus genug Vertrauen in die Strafrichterinnen und Strafrichter. Sie werden den Strafrahmen dem Fall angemessen ausschöpfen können, und ich bin der festen Überzeugung: Es sind und bleiben Einzelfälle.
Warnschussarrest: Ich weiß nicht, wer dieses Beispiel von Camps in den USA als wissenschaftliche Grundlage dargestellt hat. Sie, Herr Bebber, haben die Stelle ja zitiert.
Das ist etwas völlig anderes. Bei diesem Gesetzgebungsvorschlag der Landesregierung geht es darum, zu sagen: Wenn Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, kann zusätzlich noch ein Arrest verfügt werden, damit ein Jugendlicher eine bis vier Wochen lang einmal schauen soll, was passiert, wenn die Bewährung, zu der die Jugendstrafe ausgesetzt wurde, widerrufen wird. Es geht nämlich in manchen
Prozessen sehr locker darum: Einer erhält nur Jugendarrest und wird sofort hinter Schloss und Riegel geführt, und ein anderer mit einer wesentlich härteren Strafe, nämlich Jugendstrafe, läuft, wenn sie zur Bewährung ausgesetzt wird, frei heraus. Diese Ungleichheit muss beseitigt werden. Auch hier werden die Richter das sachgerecht anwenden.
Mir ist es sehr wichtig, Ihnen auch zu sagen, dass wir über die baden-württembergische Landesregierung zum Glück schon längst innovative Ansätze hatten. Das wissen Sie; sie sind aufgeführt worden. Ich will hier auf jeden Fall noch das Haus des Jugendrechts nennen. Sie haben Anspruch darauf, zu wissen: Die Evaluationsstudie ist da; sie ist seit einigen Tagen auch bei mir im Haus. Wir werten sie aus. Dieses Prinzip der Zusammenarbeit von Polizei, Jugendgerichtshilfe und Staatsanwaltschaft unter einem Dach, das in Stuttgart-Bad Cannstatt zu guten Ergebnissen führt,
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Bebber SPD: Richtig! Flächende- ckend! Nicht nur in Cannstatt!)
Das ist auch schon bei der ersten Prüfung dieser Studie ersichtlich. Die Konzepte sind sehr gut. Die Bearbeitungszeiten haben sich um etwa 65 bis 70 % reduziert. Ein Jugendlicher, der straffällig geworden ist, bekommt heute viel schneller die Reaktion auf seine Tat als früher, und das soll weitergeführt werden.
Die Frage ist, wie wir das angesichts der schwierigen Haushaltslage und der mangelnden Bereitschaft mancher Städte im badischen Landesteil, mitzuarbeiten, voranbringen.
Ich bitte alle um ihre Mithilfe, damit wir das hinbekommen, zumindest in Bezug auf die wesentlichen positiven Punkte, die diese Studie mit sich bringt und die dann ausgewertet werden können.
Sie haben das Programm „Jugendliche Intensivtäter“ schon angesprochen, eine hervorragende Möglichkeit der Zusammenarbeit zur Analyse der Gründe, warum es einige wenige Jugendliche gibt, die so schwer straffällig werden. Da müssen Jugendamt und Strafverfolgungsbehörden zusammenwirken. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich auch die Leistungen der Polizei loben, die ja bei allen Modellprojekten hervorragend mitarbeitet. Da hoffe ich auf weitere gute Zusammenarbeit.