Protokoll der Sitzung vom 20.06.2001

Dass wir die verbrauchende Embryonenforschung ablehnen, bedeutet nicht, dass wir das Recht auf Therapie nicht anerkennen. Im Gegenteil: Das Land wird seine Anstrengungen auf dem Gebiet der Zelltherapie verstärken. Wir werden Forschungsvorhaben, die ethisch unbedenklich sind und das gleiche Ziel haben, nämlich Organersatz durch Zelltherapie, nachdrücklich fördern.

Zur Präimplantationsdiagnostik möchte ich meine persönliche Meinung nicht verschweigen. Das Menschsein beginnt nach Auffassung der biologischen Wissenschaft mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle. Deshalb spreche ich mich dafür aus, das bestehende gesetzliche Verbot der Präimplantationsdiagnostik beizubehalten.

Eine Zulassung dieses Verfahrens hätte zur Folge, dass Embryonen auf Probe erzeugt und anschließend einem Selektionsprozess unterworfen würden. Auch dieses Verfahren ist nach meiner Überzeugung mit der Menschenwürde nicht zu vereinbaren. Die Unantastbarkeit der Würde jedes einzelnen Menschen und das Recht auf Leben sind vom Parlamentarischen Rat als Fundamentalziele und Vorgaben in das Grundgesetz aufgenommen worden, nicht zuletzt auch aufgrund der Erfahrung der Menschen verachtenden Theorie und Praxis der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft mit Selektion und Vernichtung von so genanntem lebensunwertem Leben und ihrer Missachtung von Menschenwürde und Recht auf Leben.

Menschliches Leben ist ein einheitliches und unteilbares Rechtsgut. Wer den Schutz nach dem Wert, der Nützlichkeit, der Gesundheit, der Gebrechlichkeit, dem körperlichen Zustand und der geistigen Verfassung abstufen oder einschränken möchte, der verstößt gegen die elementaren Schutzrechte unserer Verfassung. Es gibt kein Leben auf

(Ministerpräsident Teufel)

Probe, und es darf auch keine Zeugung auf Probe geben. Aus dem legitimen Wunsch nach einem Kind darf nicht der illegitime Anspruch auf ein Kind nach Wunsch werden.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP sowie des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Neben dem Embryonenschutz spielt ein nicht minder wichtiger, zweiter Aspekt in der Debatte um die Präimplantationsdiagnostik eine wichtige Rolle. Wir müssen uns ernsthaft die Frage stellen, welche Auswirkungen dieses Verfahren auf die gesellschaftliche Anerkennung von kranken und vor allem von behinderten Menschen hätte. Wenn sich aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse und medizinischen Möglichkeiten in unserer Gesellschaft die Vorstellung durchsetzen würde, dass Behinderungen eigentlich nicht mehr sein müssten, dann wäre zu befürchten, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für Behinderte und für die Eltern von behinderten Kindern zurückginge.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP sowie des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Es darf aber niemals so weit kommen, dass Eltern sich dafür rechtfertigen müssen, wenn sie sich für ein behindertes Kind entschieden haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Ab- geordneten der Grünen – Abg. Kleinmann FDP/ DVP: Sehr richtig!)

Ich halte die einheitliche Stellungnahme der Behindertenverbände für bemerkenswert und bedenkenswert. Ein klares Bekenntnis zur Menschenwürde und gegen die Instrumentalisierung menschlichen Lebens ist nicht nur an dessen Beginn, sondern auch an dessen Ende gefordert.

Die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe nach niederländischem Modell verstößt nicht nur gegen die Schöpfung und das christliche Menschenbild, sondern auch gegen das Recht auf Leben und die Menschenwürde jedes einzelnen Menschen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Menschen dürfen sich nicht zu Herren über Leben und Tod aufschwingen. „Nie werde ich, auch nicht auf eine Bitte hin, ein tödliches Gift verabreichen oder auch nur einen Rat dazu erteilen“, heißt es im Eid des Hippokrates aus dem Jahr 400 vor Christus. Wir dürfen heute, 2 400 Jahre später, nicht hinter diesen ethischen Imperativ zurückfallen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Die Intensivierung der Betreuung und Pflege schwer kranker und sterbender Menschen ist der bessere Weg: nicht Hilfe zum Sterben, sondern Hilfe beim Sterben. Wir wollen auch schwer kranken Menschen ein würdiges Leben und Sterben ermöglichen. Es gibt kein Recht auf Tötung in der Endphase eines Lebens, aber es gibt sehr wohl ein Recht jedes Einzelnen auf ein menschenwürdiges Sterben.

Einen wichtigen Dienst leisten dabei die Hospizgruppen, die in vielen Städten Baden-Württembergs entstanden sind und auf ehrenamtlicher Basis wertvolle Arbeit im Dienst am Nächsten erbringen.

(Beifall bei der CDU, der FDP/DVP sowie der Abg. Dr. Caroli SPD und Kretschmann GRÜNE)

Für diesen Dienst spreche ich ihnen im Namen der Landesregierung meinen herzlichen Dank aus.

An allen Universitätskliniken des Landes gibt es spezielle Schmerzzentren und Schmerzambulanzen. Wir müssen aber noch mehr tun. Die Landesregierung wird die Palliativmedizin und die Schmerztherapie weiter ausbauen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, die Ökonomisierung der Gesellschaft muss ihre Grenzen dort finden, wo es um den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, die Ernährungssicherheit und damit um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger geht.

Die BSE-Krise hat das Vertrauen der Menschen in die Qualität und die gesundheitliche Unbedenklichkeit unserer Lebensmittel stark beeinträchtigt. Es gilt, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Höchste Transparenz der Lebensmittelproduktion ist dafür die Voraussetzung. Die gesamte Produktions- und Verarbeitungskette vom Stall und vom Feld bis zur Ladentheke muss für die Verbraucher nachvollziehbar sein. Die Landesregierung wird deshalb ein umfassendes Qualitätssicherungssystem aufbauen, welches das Herkunfts- und Qualitätszeichen Baden-Württemberg mit einbezieht. Die Lebensmittelüberwachung werden wir auf hohem Niveau fortführen.

Im Interesse der Verbraucher werden wir die im März 2001 gegründete Landesinitiative „Brennpunkt Lebensmittel“ fortsetzen und die von den Ernährungszentren und den Landwirtschaftsämtern erfolgreich betriebene Verbraucherinformation ausbauen. Wir nehmen den Verbraucherschutz ernst.

Verbraucherschutz gibt es nur mit den Landwirten und nicht gegen sie.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Naturnah produzierte Lebensmittel, umweltschonende Landbewirtschaftung und der Erhalt unserer Kulturlandschaft stehen nicht im Gegensatz zueinander, sondern bedingen sich gegenseitig. Wir werden die konventionell und umweltgerecht sowie die ökologisch wirtschaftenden bäuerlichen Betriebe auch in Zukunft gleichermaßen unterstützen.

Wir werden im Land an unseren bewährten und anerkannten Fördermaßnahmen und an der Ausrichtung unserer Programme an den Produktionsflächen festhalten. Wir haben hier Pionierarbeit geleistet, weil wir schon früh einen eigenen, baden-württembergischen Weg gegangen sind und damit den falschen Weg der ständigen Produktionssteigerung und des stetig steigenden Ertrags verlassen haben. Deshalb werden wir bestehende Programme wie den Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleich, die Schutzgebiets- und Ausgleichsverordnung, die Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete und die einzelbetriebliche

(Ministerpräsident Teufel)

Investitionsförderung beibehalten und, wenn notwendig, neuen Entwicklungen anpassen.

(Beifall des Abg. Kiefl CDU)

Eine funktionierende bäuerliche Landwirtschaft ist unverzichtbar für unser Land.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Die Leistungen, die unsere Bäuerinnen und Bauern erbringen, kommen nicht nur ihren Betrieben zugute, sondern die gesamte Gesellschaft profitiert davon. Wir werden deshalb eine Politik gegen die Bauern nicht zulassen. Sie haben schon genug damit zu kämpfen, dass ihnen von der Bundesregierung Einkommensverluste zugemutet werden wie keiner anderen Berufsgruppe.

(Abg. Fleischer CDU: So ist es!)

Weitere Anforderungen an die Land- und Forstwirtschaft, wie sie im Entwurf des Bundesnaturschutzgesetzes vorgesehen sind, lehnen wir entschieden ab.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Unser Bekenntnis zur bäuerlichen Landwirtschaft ist auch ein Ja zum ländlichen Raum. Unser Land lebt von der Ergänzung, aber auch einem gesunden Spannungsverhältnis zwischen den ländlichen Räumen und den Verdichtungsräumen. Dies gehört zur Vielfalt und zur Verschiedenheit in unserem Land. Der ländliche Raum ist ein eigener Entfaltungs- und Wirtschaftsraum für die dort lebenden Menschen. Das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum als zentrales Förderinstrument wird auch den neuen Herausforderungen im ländlichen Raum gerecht.

Die verkehrliche Anbindung wird für den ländlichen Raum immer wichtiger. Deshalb setzen wir uns für leistungsfähige Bundes- und Landesstraßen und für den Ausbau der im südlichen Landesteil so wichtigen West-Ost-Verbindungen ein. Nur so können wir auf Dauer zukunftsträchtige Arbeitsplätze der Hochtechnologie und der Dienstleistung in die ländlichen Räume holen und dort halten.

Lebensschutz ist auch Tierschutz. Deshalb haben wir den Tierschutz als Zielbestimmung in die Landesverfassung aufgenommen. Wir werden uns auch in der kommenden Legislaturperiode dafür einsetzen, dass der Tierschutz weiter verbessert wird. Das heißt konkret: artgerechte und flächengebundene Tierhaltung, und zwar nicht nur bei uns, sondern europaweit; deutliche Verkürzung der Transportzeiten für Lebendviehtransporte; Abschaffung der EU-Exportbeihilfen für Lebendviehtransporte; europaweites Verbot aller Leistungsförderer auf der Basis von Antibiotika und des prophylaktischen Einsatzes von Antibiotika als Tierarzneimittel. Dafür werden wir uns im Land, beim Bund und in der Europäischen Union engagieren.

(Beifall der Abg. Dr. Inge Gräßle und Kurz CDU)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch in den kommenden fünf Jahren wird unser Land vor vielfältigen und großen Herausforderungen stehen. Stillstand können wir uns nicht leisten. Wir brauchen Schwung nach vorne. Die neue Landesregierung wird alles daransetzen, Baden

Württemberg auch in Zukunft auf der Erfolgsspur zu halten.

Wir wollen die Erfolge unseres Landes und seine hervorragenden Zukunftsperspektiven weiter ins Bewusstsein der Menschen bringen. Deshalb werden wir die Werbe- und Sympathiekampagne für unser Land fortsetzen. Wir wollen unser Baden-Württemberg als Land mit Format, als Ideenwerkstatt für die Zukunft, als Land der Talente und Patente, als Land zum Mitmachen in Wirtschaft und Gesellschaft präsentieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Es lohnt sich für jeden einzelnen Menschen, hier zu leben und hier zu arbeiten. Unsere Werbung ist erfolgreich, weil sie die Köpfe und die Herzen der Menschen innerhalb und außerhalb unseres Landes erreicht. Sie ist erfolgreich, weil sie stimmt.

(Abg. Kiefl CDU: So ist es!)

Mit den Feiern und den vielfältigen Veranstaltungen zum 50-Jahr-Jubiläum des Landes im Jahr 2002 wollen wir die Identifikation der Baden-Württemberger mit ihrem Land weiter stärken. Wir wollen zeigen: Wir in Baden-Württemberg stehen für ein Land, das auch in Zukunft Maßstäbe setzt, an denen sich andere orientieren – modern und dynamisch, weltoffen und heimatverbunden, menschlich und gerecht.

Baden-Württemberg wird 50. Wir machen ein Fest für alle Bürger.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Und Bürgerinnen?)