Protokoll der Sitzung vom 26.03.2003

Dem Bundeskanzler bescheinigte Salomon, den größten Unsinn zu machen, nicht zu führen, sondern im Nirwana zu sein. Bei möglichen Neuwahlen müssten die Grünen eigenes Profil zeigen und dürften nicht versinken im Chaos der Sozialdemokraten.

(Minister Dr. Christoph Palmer: Hört, hört!)

Für seine Philippika erntete Salomon den stärksten Beifall des Tages.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Minister Dr. Christoph Palmer: Wem der Herr ein Amt gibt! – Abg. Dr. Reinhart CDU: Herr Kretschmann, un- terstreichen Sie die Aussage!)

Am 7. Dezember sagte Salomon im „Reutlinger Generalanzeiger“:

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Sind Sie Salomon- Fan?)

Im Ausland haben Sozialdemokraten ihr Land reformiert. Bei uns wird inzwischen die Politik von DGBChef Michael Sommer gemacht und nicht vom Bundeskanzler. Ich kämpfe für den Erhalt von Rot-Grün. Das kann aber nicht funktionieren, wenn die Sozialdemokraten eine Politik machen, die über kurz oder lang an die Wand fährt.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Was hat das denn mit Verwaltungsreform zu tun?)

Jetzt frage ich Sie: Sollen wir es in Baden-Württemberg so machen, dass wir uns in dem Bereich, in dem wir Verantwortung tragen, so verhalten wie die Bundesregierung: keine Reform des Arbeitsmarkts, keine Reform der verkorksten Riester-Rente, keine Reform des Steuerrechts, keine Reform des Arbeitsrechts? Ich kann nur sagen: keine Reform der Sozialversicherungssysteme! Nichts bringen Sie in der Krankenversicherung und in der Rentenversicherung an Reformen zustande, sondern nur neue Kommissionen bringen Sie zustande!

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Dann kommen Sie hierher und kritisieren, wenn einer handelt und wenn er schnell handelt.

(Lachen bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: 30 Jahre! Seit 30 Jahren! – Weitere Zurufe von der SPD)

Doch, das ist vorhin kritisiert worden.

(Abg. Schmiedel SPD: Seit 30 Jahren!)

Ach du liebe Zeit! Wenn Sie sagen, früher sei keine Verwaltungsreform gemacht worden, dann sind Sie zu spät aufgestanden. Dort sitzt Erwin Vetter. Er hat sich vier Jahre lang mit einer sehr tüchtigen Fachmannschaft im Staatsministerium während der großen Koalition mit Verwaltungsreform befasst,

(Abg. Bebber SPD: Vetter, aufstehen!)

und er war nicht der Einzige, aber einer der Besten. Das muss ich sagen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Also kommen Sie mir doch nicht daher und meinen, Sie hätten die Verwaltungsreform erfunden.

(Abg. Bebber SPD: Deswegen ist er rausgeflogen!)

Ich kann nur sagen: In Berlin können wir über den Bundesrat nur kleine Korrekturen anbringen und können wir nicht anstelle der Regierung die nötigen Reformen umsetzen, aber im Land machen wir das in den Bereichen, in denen wir zuständig sind. Im Bereich der Schul- und Bildungspolitik machen wir unter der baden-württembergischen Kultusministerin und mit Zustimmung der Regierungsfraktionen Reformen, mit denen wir an der Spitze aller deutschen Bundesländer stehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Im Bereich der Hochschulen setzen wir unter Minister Frankenberg wirkliche Reformen um wie kein anderes deutsches Bundesland.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Wo? – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Bundesverfassungsgerichtsurteil!)

Der dritte Bereich der Kernkompetenz des Landes ist die Verwaltung; denn das Grundgesetz will es, dass wir auch für Bundesgesetze und europäische Verordnungen administrativ zuständig sind. Deswegen ist dies ein zentraler Verantwortungsbereich von Landespolitik. Da legen wir einen Wurf vor! Jeder Redakteur jeder Tageszeitung in BadenWürttemberg hat gemerkt, dass das ein Wurf ist,

(Lachen der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

und die Opposition weiß überhaupt nicht, wie sie sich verhalten soll.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Lachen der Abg. Drexler SPD und Brigitte Lösch GRÜNE)

Herr Kollege Kretschmann, jetzt noch etwas, was wir einfach sachlich miteinander ausräumen müssen. Sie sagen unter Hinweis auf das Subsidiaritätsprinzip, ich müsste doch die Regionen ernst nehmen, weil in Europa die Regionen

(Ministerpräsident Teufel)

immer wichtiger werden. Herr Kollege Kretschmann, der europäische Begriff der Region ist ein völlig anderer als der baden-württembergische Begriff der Region. Der europäische Begriff der Region ist identisch mit den deutschen Ländern, mit den Regionen in Frankreich, mit den Regionen in Italien und in Spanien, die Länder sind, mit den Regionen in Belgien, die Länder sind, mit Kantonen und den österreichischen Bundesländern. In unserem Land hingegen ist die Region eine Einheit, die unterhalb der Landesebene liegt und deshalb sehr viel kleiner ist. Deswegen kann man nicht beide Regionbegriffe miteinander vergleichen. Man würde sonst Äpfel und Birnen miteinander vergleichen. Das ist ein Aliud.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Die sind etwa gleich groß! Äpfel und Birnen sind etwa gleich groß!)

Herr Kretschmann, Sie haben vorhin als Lösung vorgeschlagen, die Stadtkreise in Baden-Württemberg zu nehmen – Sie haben gesagt, es seien ungefähr 15; wir haben übrigens neun, und da ist schon Baden-Baden dabei – und um die herum Regionen zu bilden. Jetzt frage ich Sie: Wäre das Subsidiarität? Sie kritisieren, jetzt entstehe auf Kreisebene eine zu große Behörde. Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Sie 15 regionale Behörden bilden würden, in denen Sie die jetzigen Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörden und Sonderbehörden sowie die jetzigen Aufgaben der Mittelinstanzen zusammenfassen würden, dann hätten diese die fünffache Größe dessen, was wir als oberste Einheit schaffen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Deshalb: Wenn Sie von Subsidiarität reden, dann rennen Sie bei mir offene Türen ein. Ich habe den Grundsatz der Subsidiarität bedacht, als ich dieses Konzept mitentwickelt habe.

Herr Kollege Drexler, wie hätten Sie es denn gern? Vorhin hat der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion zu den gestrigen Beschlüssen der Koalition gesagt: „Willkommen im Klub! Jetzt seid ihr endlich so weit, wie wir sind.“

(Abg. Schmiedel SPD: Am Anfang!)

Frau Kollegin Haußmann hat laut der heutigen Ausgabe der „Aalener Post“ geäußert: „Gott sei Dank ist die Landesregierung jetzt auch so weit. Wir möchten noch viel weiter gehen.“

Aber gestern, während der Fraktionssitzung, als ich gerade vorgetragen habe und als die ersten Vorlagen intern verteilt worden sind – ohne dass Sie also auch nur das Konzept gekannt hätten; Sie haben nur eine dpa-Meldung gekannt –, hat Ihr Pressesprecher schon eine Erklärung abgegeben, in der er gesagt hat: Ganz und gar unmöglich, was für eine Verwaltungsreform die da machen.

(Abg. Bebber SPD: Um 14 Uhr haben wir das ge- habt! – Abg. Drexler SPD: Wir haben das gehabt!)

Wie hätten Sie es denn gern? Entweder machen wir das nach, was Sie seit langem fordern – dann freuen Sie sich –, oder aber wir machen etwas völlig Unmögliches. Ich kann

nur sagen: Ihre Oppositionspolitik, die ich seit Jahren beobachte, ist reiner Reflex.

(Abg. Drexler SPD: Ja, ja!)

Wenn wir „schwarz“ sagen, sagen Sie „weiß“. Egal, was wir sagen – Sie sagen am gleichen Tag das Gegenteil.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Sie sagen, wir hätten eine Verwaltungsreform bisher abgelehnt.

(Zuruf von der SPD: Ja! – Abg. Teßmer SPD: Al- les abgelehnt!)

Wir haben I h r e Vorstellungen von einer Verwaltungsreform abgelehnt; die haben wir abgelehnt. Wir wollen keine Regionalkreise in Baden-Württemberg, keine Mammutbehörden, keine zentralen Landesämter. Wir wollen ein Land, das von unten nach oben aufgebaut ist.

(Minister Dr. Christoph Palmer: In der Fläche!)

Wir wollen eine Verwaltungsreform mit Bürgernähe. Wir wollen Hilfe für den Mittelstand durch integrierte Entscheidungen.