Dadurch wird nach menschlichem Ermessen eine größere Effizienz erreicht. Die Kommission ist dem Europäischen Parlament verantwortlich.
Ich kann gut verstehen, wenn Sie da Bedenken haben und den Kopf schütteln. Ich hätte mir eine sehr viel kleinere Kommission als sehr viel effizienter vorstellen können. Ich sage Ihnen: Alle neuen Länder und alle kleineren Länder
haben die Frage ihrer Gleichberechtigung in der Europäischen Union an zwei Punkten festgemacht: erstens daran, dass sie einen Kommissar stellen, und zweitens daran, dass sie im rollierenden System – ich komme gleich darauf zu sprechen – weiterhin im Halbjahresabstand selbst auch einmal den Vorsitz im Rat stellen. Da musste man wirklich zu Kompromissen bereit sein. Die Kleineren sind mit der jetzigen Lösung nicht zufrieden. Es ist ein Kompromiss, aber immerhin einer, der im Jahr 2009 zu einer entscheidenden Verbesserung führt.
Ich komme zur dritten Institution, nämlich zum Ministerrat. Ich habe immer gesagt: Das ist für mich das reformbedürftigste Gremium überhaupt. Im Rat – das habe ich auch damals ausgeführt, als der Landtag in Karlsruhe getagt hat – sollte man zwischen den administrativen Kompetenzen und den gesetzgebenden Kompetenzen unterscheiden und den Rat als Gesetzgeber öffentlich tagen lassen. Es gibt kein einziges demokratisches Parlament der Welt, das nicht öffentlich tagt. Manche Beschlüsse, die wir beklagen, sind allein deswegen zustande gekommen, weil hinter verschlossenen Türen jeweilige Fachministerräte Dinge durchgesetzt haben, die sie im nationalen Kabinett nie hätten durchsetzen können, weil dort auch ein Finanzminister, ein Wirtschaftsminister und ein Regierungschef sitzen und weil dort ein Denken im Ganzen stattfindet, während es sich in den Fachministerräten jeweils monocolor um Umweltminister, Verkehrsminister oder Innenminister gehandelt hat. Deswegen ein Gesetzgebungsrat.
Es wird jetzt ein Allgemeiner Rat geschaffen. Ich hätte mir lieber einen Allgemeinen Rat und einen Gesetzgebungsrat getrennt vorgestellt. Es wird jetzt ein Allgemeiner Rat einschließlich Gesetzgebungsrat geschaffen. Dafür wird aber jedes Land einen Vertreter benennen. Dieser ist künftig Gesetzgeber für sein Land und nicht mehr der jeweilige Fachminister. Der jeweilige Fachminister kann beim jeweiligen Tagesordnungspunkt in der Ratssitzung dazukommen. Das ist unter Aspekten der Fachkompetenz auch vernünftig, aber es nimmt ein ständiger Vertreter die Funktion der Gesetzgebung im Rat wahr. Das ist eine entscheidende Verbesserung.
Eine weitere entscheidende Verbesserung ist, dass die beiden Funktionen der Außenpolitik, die bisher zwei Menschen wahrnehmen – nämlich die Funktion des Mitglieds der Kommission für das Ressort Außenbeziehungen und für den Rat die Funktion des Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die Herr Solana wahrgenommen hat –, vereinigt werden, praktisch ein Doppelhut entsteht und man sich sogar dazu durchringen konnte, diesen Mann oder diese Frau europäischen Außenminister zu nennen. Damit haben wir ganz sicher noch nicht eine europäische Außenpolitik. Diese wird von Inhalten und weit weniger von Institutionen abhängen. Aber das ist eine wesentliche Verbesserung gegenüber bisher, zumal auch aufgenommen ist, dass ein eigener Auswärtiger Dienst auf der europäischen Ebene aufgebaut wird.
Wir haben es im Rat also mit einer Konzentration zu tun. Wir haben nicht mehr 15 Fachministerräte, die für die Gesetzgebung zuständig sind, sondern einen Gesetzgebungsrat, einen Allgemeinen Rat.
Dann stellte sich die Frage des Vorsitzes. Ich habe gerade angedeutet, wie stark die neuen und die kleineren Länder an einem alle halbe Jahre rollierenden System interessiert waren. Aber genauso klar ist unter Effizienzgesichtspunkten und unter Gesichtspunkten der Kontinuität, dass man nicht alle halbe Jahre unter einem neuen Ratsvorsitz beispielsweise neue Schwerpunkte der Europapolitik setzen kann. Es war deshalb vernünftig, zu einer „hauptamtlich“ arbeitenden Figur zu kommen, die für einen längeren Zeitraum den Vorsitz hat.
Auch da hat man Kompromisse gemacht, vernünftige, wie ich meine; denn man musste einen Dualismus zwischen dem Ratspräsidenten und dem Kommissionspräsidenten vermeiden. Der Ratspräsident bekommt nicht mehr Kompetenzen, als bisher der halbjährlich wechselnde Ratspräsident hat, nämlich Vorbereitung der Sitzungen, Leitung der Sitzungen und, unbeschadet der Pflichten der Außenvertretung für den Außenminister, Außenvertretung. Er wird künftig für jeweils zweieinhalb Jahre gewählt, bei einmaliger Wiederwahlmöglichkeit.
Nun gibt es einen Teil III. Bezüglich dieses Teils III haben diejenigen, die dem Konvent die Aufgaben vorgegeben haben, gesagt: Da habt ihr eigentlich nicht die Aufgabe, das inhaltlich-materiell zu verändern, sondern die Aufgabe, aus den unterschiedlichsten europäischen Verträgen das Recht zusammenzuführen, in eine Ordnung zu bringen und in einer für den Bürger verständlichen Sprache zu formulieren. Es ist außerordentlich wichtig, das zu sagen; denn wir konnten tatsächlich nicht die Kompetenzen verändern.
Nun will ich Ihnen sagen, wie wichtig das Zusammenfügen dieses Teils III mit dem Teil I ist. Ich habe vorhin als großen Erfolg dargestellt – was es auch ist –, dass es künftig keine allgemeinen Zielsetzungen mehr gibt, die Kompetenzen begründen, sondern begrenzte Einzelermächtigungen. Am zweitletzten Tag ist für den ganzen Teil III vom Präsidium ein Artikel III.0 vorgeschlagen worden, in dem stand, dass alle Bestimmungen, also alle Kompetenzen des Teils III, im Lichte der allgemeinen Zielsetzungen der Europäischen Union auszulegen seien. Das wäre nichts anderes gewesen
Ich habe mich noch am gleichen Tag an den Präsidenten gewandt und sehr kritisch darauf hingewiesen. Die Regelung ist in der allerletzten Sitzung wieder korrigiert worden. Jetzt steht sogar expressis verbis – und das ist eine Verbesserung – in diesem Artikel III.0, dass die Kompetenzordnung des Teils I gilt: in jedem Einzelfall begrenzte Einzelermächtigung.
Es gab aber andere überfallartig eingebrachte Bestimmungen – ich komme nachher auf einige zu sprechen –, die in allerletzter Minute durchgesetzt wurden, ohne dass man das hätte verhindern können.
Teil III ist also von entscheidender Bedeutung, weil er die Zuordnung zu den Artikeln über die Kompetenzordnungen in Teil I bedeutet. Lange haben wir dafür gekämpft, dass Teil III dieselbe Rechtsqualität wie Teil I erhält. Das ist erreicht worden. Die Verfassung hat also insgesamt Verfassungscharakter, kann also nur mit den verfassungsändernden Mehrheiten geändert werden, Teil III genauso wie Teil I.
In Teil III ist von großer Bedeutung, dass wir die so genannten drei Säulen, die bisher die Arbeit in der Europäischen Union geprägt haben, vereinigt haben. Die erste Säule ist die Integration aller Aufgaben, für die die Europäische Union zuständig war, die zweite Säule ist die Außenund Sicherheitspolitik, und die dritte Säule ist die Innenund Rechtspolitik. Sie waren intergouvernemental. Das bedeutet: ausschließlich Aussprachen zwischen den Staaten und auf jeden Fall das Einstimmigkeitsprinzip. Jetzt ist alles zusammengeführt. Die Europäische Union ist eine eigene Rechtspersönlichkeit, und unglaublich viele Einstimmigkeitsbeschlüsse sind in Mehrheitsentscheidungen überführt worden.
Natürlich kann man bezüglich Mehrheitsentscheidung und Einstimmigkeit fragen: Ist das Glas halb voll oder halb leer?
Weit mehr als die Hälfte der Entscheidungen, für die bisher eine Einstimmigkeit vorgeschrieben war, sind in Mehrheitsentscheidungen überführt worden. Aber in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik beispielsweise gibt es noch unglaublich viele Punkte, bei denen Einstimmigkeit erforderlich ist, weil die Staaten an dieser Stelle ihre Souveränität nicht aufgeben; das muss man ganz klar sagen.
In der Außen- und Sicherheitspolitik ist man weitergekommen, sogar erheblich; aber man darf sich da keiner Illusion hingeben. Ob Europa zu einer einheitlichen Außenpolitik kommt, hängt nicht von institutionellen Regelungen ab, sondern es kommt auf die Inhalte an. Die souveränen europäischen Staaten werden noch für lange Zeit ihre Außenpolitik zwar mit anderen abstimmen, aber in den entscheidenden Fragen letztlich selbst bestimmen.
Beispielsweise wurde auch erreicht, dass Deutschland, das größte Land der Europäischen Union, zum allerersten Mal und im Gegensatz zum Vertrag von Nizza bei Abstimmungen mehr Gewicht bekommt. Der Abstimmungsmodus wird künftig eine doppelte Mehrheit beinhalten, nämlich zum einen eine Mehrheit der Mitglieder und zum anderen 60 % der Einwohner, also nicht nur eine Mehrheit der Einwohner, sondern 60 % der Einwohner. Das geht sehr weit und passt vielen anderen nationalen Regierungen nicht. Es gibt auch die superqualifizierte Mehrheit. Hier sind – etwa für gravierende Änderungen – eine Zweidrittelmehrheit der Staaten und 60 % der Einwohner erforderlich.
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Was an Positivem erreicht worden ist, entspricht weitestgehend dem, was der Bundesrat gefordert hat und was auch in diesem Hause diskutiert worden ist. Ich habe allen Grund, wenn auch in Kürze, einer ganzen Reihe von Personen und Institutionen, ohne die das Ergebnis nicht erreicht worden wäre, Dank zu sagen.
Fast alles, was wir Länder erreicht haben, haben wir mit Unterstützung des Präsidenten des Konvents, Giscard d’Estaing, erreicht. Ihm möchte ich ausdrücklich danken. Ferner möchte ich den Kollegen aus Deutschland danken, mit denen es eine regelmäßige und denkbar enge Zusammenarbeit gegeben hat, zunächst Professor Glotz, dann Außenminister Fischer sowie dem Vertreter des Bundestags, Professor Meyer, der ja unser Landtagskollege gewesen ist.
Ausdrücklich und aus ganzer Überzeugung danken möchte ich dem Landtag von Baden-Württemberg. Der Herr Präsident hat mich für die ganze Dauer des Konvents im Ausschuss der Regionen vertreten, dessen Stellung wir durch ein eigenständiges Klagerecht auch stärken konnten. Ich möchte dem Sprecher des Ständigen Ausschusses, unseres Europaausschusses, Herrn Kollegen Herrmann, dafür danken, dass er eine öffentliche Anhörung durchgeführt hat, an der sich die Parlamente aller deutschen Länder beteiligt haben. Das war im Meinungsbildungsprozess für unsere Anliegen ganz wichtig.
Ich hatte ein kleines, aber vorzügliches Team, eine Arbeitsgruppe, die mich im Staatsministerium unterstützt hat. Ihr möchte ich danken. Ehrenamtlich hat dort Professor Oppermann, ein führender deutscher Europarechtler und Verfassungsrechtler aus Tübingen, mitgewirkt. Er hat mich ständig begleitet und beraten. Ihm möchte ich danken.
Ferner möchte ich dem Vorsitzenden des Europaausschusses im Bundesrat danken, unserem Minister Palmer, der mich in Bundestag und Bundesrat in vielen Fällen vertreten hat und der – auch in Abstimmung mit den anderen Ländern – vieles durchsetzen konnte.
Das Erste betrifft die offene Koordinierung. Wir haben in monatelangen Diskussionen erreicht, dass es in Teil I der Verfassung künftig keine offene Koordinierung mehr gibt. Die offene Koordinierung ist eine Methode, nach der man auf europäischer Ebene nicht zuständig ist, aber es werden immer mehr Kränzchen, Arbeitsgruppen geschaffen und Leitlinien erarbeitet. Das ist gestrichen worden und war ganz weg. Am allerletzten Tag ist in wichtigen einzelnen Politikbereichen der europäischen Ebene – Industriepolitik, Forschungspolitik, Sozialpolitik – in Teil III die Methode der offenen Koordinierung praktisch wieder eingeführt worden, obwohl die europäische Ebene für diese Bereiche kaum eine Zuständigkeit hat – wenn überhaupt, dann nur eine ergänzende.
Der zweite Punkt von ebenso großer Bedeutung ist die Daseinsvorsorge. Wir wollten erreichen, dass für Fragen der Daseinsvorsorge in unseren Städten und Gemeinden, die sich bei uns in Jahrhunderten entwickelt haben, nicht das allgemeine Wettbewerbsrecht gilt, sodass wir nicht heute mit Fragen der Sparkassen und der Gebäudebrandversicherungsanstalten und morgen mit Fragen der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung in unseren Gemeinden beim zuständigen Kommissar in Brüssel landen, wenn sich auch nur einer in Bezug auf seine Wettbewerbsfähigkeit verletzt sieht.
Das ist nicht erreicht worden. So hat Frankreich in letzter Minute einen Artikel initiiert, nach dem die Daseinsvorsorge im Rahmen eines europäischen Gesetzes konkretisiert werden muss. Das ist sehr ambivalent zu sehen. Frankreich will auch das Reservat dessen, was wir Daseinsvorsorge nennen. Frankreich glaubt, dies dadurch erreichen zu können, dass der Kommissar für Wettbewerbsfragen künftig nicht mehr von sich aus, sondern nur im Rahmen eines europäischen Gesetzes tätig werden kann.
Wenn das funktioniert und dieses Gesetz ein Abwehrgesetz ist, kann das günstig sein. Meine Erfahrung ist – deswegen habe ich dagegen gekämpft –, dass die europäische Ebene auch die kleinste Kompetenz, die man ihr gibt, an sich zieht.
Wir müssen damit rechnen, dass Daseinsvorsorge künftig nicht mehr auf Länderebene oder auf nationaler Ebene, sondern in einem europäischen Gesetz definiert wird. Ich halte es zumindest für möglich, dass das weit reichende Auswirkungen hat.
Das Dritte: Das zentrale Anliegen der deutschen Länder für die letzte Runde war – gleichermaßen unterstützt von der Bundesregierung –, dass wir in Fragen der Zuwanderung die nationale Kompetenz bekommen und dass, soweit es sich um europäische Zuständigkeit handelt, das Einstimmigkeitsprinzip gilt. Hier wurde durch einen Brief, den meine Kollegen Fischer und Meyer gemeinsam mit mir geschrieben haben, in einem Teilsegment in letzter Minute ein großer Erfolg erreicht. Nach dem Wunsch der Länder und der Bundesregierung wird die Zuständigkeit für die Zahl der Zuwanderer aus Drittstaaten in den Arbeitsmarkt künftig zur nationalen Ebene zurückkommen – aber eben auch nur dies. Das gilt beispielsweise nicht für die Frage der Familienzusammenführung und nicht für die gesamte Frage der Asylgesetzgebung, die künftig auf europäischer Ebene, und zwar nach dem Mehrheitsprinzip, gelöst werden – doppelte Mehrheit, wie ich es vorhin angeführt habe. Das kann gewaltige Auswirkungen haben. Ich muss ganz offen sagen: Ich kenne europäische Länder, die nicht einmal tausend Zuwanderer im Jahr haben. Wie viele wir haben – allein 90 000 Asylbewerber –, das weiß jeder. Das ist ein hoch sensibler Bereich.
Ich bedauere außerordentlich, dass es nicht möglich war, einen Gottesbezug in diese Verfassung zu bringen. Ich glaube, dass Grund- und Menschenrechte eine letzte Verankerung brauchen,
weil ich der Überzeugung bin, die in vorzüglicher Weise John F. Kennedy wie folgt formuliert hat: „Der Mensch hat Rechte, die er nicht aus der Gunst des Staates, sondern unmittelbar aus der Hand Gottes hat.“ Das ist auch meine Überzeugung. Ich bedauere, dass es nicht möglich war, eine Formulierung wie in der deutschen oder der badenwürttembergischen Verfassung unterzubringen: „in Verantwortung vor Gott und den Menschen“, dass es nicht möglich war, eine Formulierung, wie sie in der polnischen Verfassung steht, durchzubringen, die wirklich Menschen, die an Gott glauben, gleichermaßen in ihrem Anliegen berücksichtigt wie Menschen, die diesen Glauben nicht teilen. Das hat die polnische Verfassung sehr gut gelöst. Es war aber nicht möglich. Es war nicht einmal möglich, einen Bezug auf 2000 Jahre christliche Kultur und Religion in die Verfassung zu bringen, obwohl das, glaube ich, jeder objektive Historiker so formulieren würde, weil es den geschichtlichen Tatsachen entspricht. Es ist eine weiche Formulierung gewählt worden, in der allgemein auf Kultur und Religion und ihre Bedeutung für die europäische Geschichte hingewiesen wird.
Ausgesprochen und mit meiner Zustimmung sind die Rechte der Kinder verankert, aber es ist kein Wort über den Schutz von Ehe und Familie gesagt. Kinder fallen aber nicht vom Himmel