Wenn Sie die Wachstumsraten in Europa einmal anschauen, werden Sie aber auch feststellen, dass die Deutschen im Bremserhäuschen ganz hintendran sitzen. Dafür ist natürlich Ihre Politik verantwortlich.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Drexler SPD: Schon unter Kohl war das so! – Abg. Stickelberger SPD: Alle unter SPD-Wirtschaftsmi- nistern?)
Wir brauchen erstens Wachstum, wir brauchen zweitens soziale Sicherungssysteme, die von der Arbeit abgekoppelt sind, weil darüber natürlich auch die Wettbewerbsfähigkeit verbessert wird. Wir brauchen soziale Sicherungssysteme, die als Herausforderung dem demographischen Wandel tatsächlich auch standhalten.
Wir brauchen drittens eine viel stärkere Eigenverantwortung der Bürger und eine Bereitschaft, selbst Vorsorge zu treffen.
die Bürgerinnen und Bürger, die finanzielle Eigenvorsorge betreiben sollen, tatsächlich in die Lage versetzen, so etwas zu tun. Deshalb werde ich nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen: Wer zu einer neuen Form einer von Eigenverantwortung getragenen Sozialversicherungspolitik Ja sagt, der muss gleichzeitig auch zu einer Steuerreform Ja sagen, meine Damen und Herren.
Deshalb, Kollege Zeller, sage ich Ihnen: Ich will eine vorgezogene Steuerreform, jedenfalls dann, wenn sie zum allergrößten Teil nicht auf Pump finanziert wird, sondern wenn sie durch Einsparungen finanziert wird.
Wer aber – jetzt kommt der Punkt – zu einer vorgezogenen Steuerreform, die nicht auf Pump finanziert werden soll, Ja sagt, der muss natürlich auch dazu Ja sagen, dass es zu Subventionsabbau kommt.
Wir müssen uns aber auch darüber im Klaren sein, dass diese vorgezogene Steuerreform nur die erste Stufe einer grundlegenden Steuerreform sein darf, für die wir übrigens auch wieder einen gewaltigen Subventionsabbau brauchen.
Meine Damen und Herren, ich habe nichts gegen das Kirchhof-Modell. Ich freue mich sehr, dass jetzt die breite Diskussion über ein Steuersystem begonnen hat, das niedrigere Steuern vorsieht, das gerecht ist, das aber auch durchschaubar und verständlich ist. Nur: Es ist nicht so, dass wir da praktisch am Punkt null anfangen müssten. Ich darf in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, dass die FDP-Bundestagsfraktion schon vor Jahren im Deutschen Bundestag eine, wohlgemerkt, durchgerechnete Gesetzesinitiative für eine Vereinfachung und Verschlankung unseres Steuersystems auf den Weg gebracht hat, die mit den Zahlen 15, 25 und 35 für die Steuersätze umschrieben ist.
Ich glaube nach wie vor, dass dieses System „15/25/35“, das im Grunde vom Kirchhof-Modell nicht allzu weit entfernt ist, eine hervorragende Alternative wäre, die im Deutschen Bundestag von heute auf morgen durchgesetzt werden könnte.
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Aber der Staat braucht schon auch noch Geld! – Heiterkeit der Abg. Ursula Haußmann SPD)
Die wichtigste Aussage des Ministerpräsidenten in seiner Regierungserklärung lautete aus meiner Sicht, der Staat müsse zurückgenommen werden, der Staat müsse sich selbst zurücknehmen. Ich stimme dem ausdrücklich zu.
(Abg. Zeller SPD: Dann fangt doch mal selber an! – Abg. Stickelberger SPD zu Abg. Zeller SPD: Das Amt von Frau Fauser! – Gegenruf des Abg. Zeller SPD: Das wäre das Erste!)
Wir haben auf der Ebene einer europäischen Verfassungsordnung damit begonnen. Hier sind entscheidende Wegmarken gesetzt worden. Wir haben in diesem Sommer alle miteinander diese Wegmarken gewürdigt. Jetzt muss die Chance der Föderalismuskommission genutzt werden, eine Jahrhundertchance. Wir müssen in Deutschland im Verhältnis des Bundes zu den Ländern von der organisierten Verantwortungslosigkeit wegkommen und zu einer Entflechtung von Kompetenzen und Verantwortlichkeiten kommen. Wir müssen wieder klar die Frage beantworten: Wer ist in unserem Lande wofür verantwortlich?
Dazu müssen die Mischfinanzierungen abgebaut werden – ich unterstreiche das voll, was hierzu gesagt wurde –, dazu müssen die Zuständigkeiten der Länder und insbesondere der Landtage gestärkt werden.
Dazu ist es notwendig, dass wir von dem Kooperationsföderalismus, den wir bisher hatten, wieder stärker zu einem Wettbewerbsföderalismus kommen.
Meine Damen und Herren, wenn wir dies nicht tun, wenn wir diese Chance nicht nutzen und wenn wir nicht binnen Jahresfrist zu einer Novellierung, zu einer Änderung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern kommen, dann droht unser Staat handlungsunfähig zu werden, reformunfähig zu werden. Denn egal, wie die politische Couleur auch aussieht: Der Bundesrat blockiert den Bundestag, die Länder können keine eigenständige Politik mehr betreiben, und die Gemeinden hängen am Tropf von Bund und Ländern. Wir müssen von dieser dramatischen Fehlentwicklung des Föderalismus wegkommen. Diese Föderalismusreform ist eine riesige Chance. Vielleicht ist es die letzte in den nächsten 10, 20, 30 Jahren. Ich kann nur alle Mitglieder dieser Föderalismuskommission aufrufen, die Chance zu nutzen. Wir müssen dieser Föderalismusreform zum Erfolg verhelfen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich hoffe sehr, dass bei dieser Föderalismusreformdiskussion ein Grundgedanke zumindest am Rande, vielleicht später auch im Zentrum mitspielt. Das ist der Gedanke, dass wir im Grunde mit dem, was von Ministerpräsident Teufel und anderen Ministerpräsidenten in Sachen Länderfinanzausgleich unterschrieben worden ist, nicht zufrieden sein können. Wir müssen erkennen, dass diese Länderfinanzausgleichssysteme zwar notwendig sind – wer möchte dies bestreiten –, aber auch eine Fehlentwicklung darstellen. Die
Fehlentwicklung ist, dass derjenige, der Eigeninitiative wagt, bestraft wird und eine Tendenz zur Gleichmacherei besteht. Diese Tendenz ist falsch. Beim Länderfinanzausgleich muss es viel stärker als bisher dazu kommen, dass diejenigen, die sich in besonderer Weise anstrengen, dafür nicht bestraft werden, sondern eine Belohnung erhalten.
Was auf europäischer Ebene richtig ist, was in der Zukunft hoffentlich im Verhältnis von Bund und Ländern richtig ist, das muss natürlich auch im Land Baden-Württemberg gelten. Meine Damen und Herren, wir dürfen bei der Verwaltungsreform nicht dabei stehen bleiben, staatliche Verwaltung so effizient wie möglich zu organisieren und im Zuge der Eingliederung der Sonderbehörden in die Regierungspräsidien bzw. in die Landratsämter eine ehrgeizige, aber durchaus realistische Effizienzrendite zu erwirtschaften. Dies ist wichtig, und dazu stehen wir. Aber wir dürfen dabei nicht stehen bleiben, sondern wir müssen gleichzeitig daran arbeiten, Aufgabenkritik zu betreiben, Aufgaben abzugeben und gelegentlich auch für überflüssig zu erklären,
und wo immer möglich Aufgaben zu privatisieren. Effizienzrenditen zu erwirtschaften ist das eine. Das ist richtig, das müssen wir machen. Aber die Aufgabenkritik ist die andere Seite der Medaille. Beides gehört untrennbar zusammen. Wir als Freie Demokraten werden uns sehr darum bemühen, dass auch Aufgabenkritik betrieben wird. Denn wer echte Aufgabenkritik macht und die richtigen Konsequenzen zieht, der wird die Effizienzrendite von 20 % leichter tatsächlich erwirtschaften können.
Der Ministerpräsident – ich will ihn noch einmal zitieren – sagt, der Staat müsse sich zurücknehmen. Diesem Ansatzpunkt folgt die Justizreform. Diese Justizreform wollen wir gemeinsam mit der Verwaltungsreform umsetzen.
Wir wollen die Justiz auf die Kernaufgaben beschränken, die zwingend in hoheitlicher, staatlicher Trägerschaft wahrgenommen werden müssen. Wir wollen überall dort, wo dies möglich, sinnvoll und sachgerecht ist, Aufgaben privatisieren oder aber auch an freie Träger abgeben. Das gilt für die Notariate, das gilt für die Handels- und Genossenschaftsregister, das gilt für die Bewährungshilfe, und das gilt nach unserer Überzeugung auch für das Gerichtsvollzieherwesen.
Der Staat müsse sich zurücknehmen, sagt der Ministerpräsident. Der Staat muss sich zurücknehmen, sage auch ich, denn nur dadurch werden die Stellenpläne dauerhaft entlas
tet, nur dadurch wird es möglich, dass die riesigen Pensionslasten, die ungebremst auf uns zukommen, zumindest gemildert werden. Allein durch das Beschwören dieser Pensionslasten – bis zum Jahr 2040 8,5 Milliarden €; ich sage es noch einmal: 8,5 Milliarden € – wird es nicht besser, sondern man muss konkret handeln. Ich bin der Justizministerin dankbar, dass sie als erste Justizministerin in einem großen Schritt wirklich einen konkreten und praktikablen Vorschlag vorgelegt hat, um die Stellenpläne, aber auch diese riesigen Pensionslasten wenigstens ein Stück weit in den Griff zu bekommen.
Die öffentliche Sicherheit und Ordnung gehört zu den zentralen Aufgaben des Staates, ebenso Polizei und Justiz und natürlich auch Bildung und Wissenschaft.
Meine Damen und Herren, gerade im Bereich von Bildung, Schule, Wissenschaft und Forschung kann das Land BadenWürttemberg eine echte Erfolgsbilanz vorlegen. Unsere Hochschulen stehen im nationalen und internationalen Wettbewerb. Die Hochschulreform und die Hochschulmedizinreform haben dazu beigetragen, dass die Strukturen in einer Weise verändert worden sind, dass sie diesem Wettbewerb gewachsen sind.
Diese Hochschulreform trägt Früchte: mehr Autonomie, weniger Bürokratie, globalisierte Haushalte, leistungsbezogene Mittelzuweisungen und mehr Wettbewerb. Zwischen den Bildungseinrichtungen muss in der Zukunft viel stärker auch ein Wettbewerb stattfinden. Wo steht geschrieben, dass es in einer freien Gesellschaft nicht in fast allen Lebensbereichen Wettbewerb geben darf? Also muss in Zukunft auch der Wettbewerb zwischen Bildungseinrichtungen verstärkt werden.
Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat in verschiedenen Studien den baden-württembergischen Universitäten und Hochschulen führende Plätze zugewiesen. Qualität durch mehr Autonomie, Qualität durch mehr Wettbewerb, das, meine Damen und Herren, sind urliberale Motive. Ich kann Ihnen sagen, wir werden diese Erfolge nicht als Ruhekissen nutzen, sondern es wird – ganz im Gegenteil – zum 1. Januar 2005 eine Fortführung dieser Hochschulreform geben. Der Ministerpräsident kann sich darauf verlassen, dass wir genau das tun, was er fordert, nämlich staatliche Vorgaben auf das notwendige Mindestmaß zurückzuführen, die Autonomie der Hochschulen mutig zu stärken und sich auf die hochschulübergreifende Steuerung zu beschränken. Genau das ist der richtige Weg.