Protokoll der Sitzung vom 28.01.2004

rellen Defizite des Haushalts – Größenordnung 2 bis 3 Milliarden € – anzugehen, das heißt, wenn es gelingt, eine Neuverschuldung von null nicht nur zu avisieren, sondern sie tatsächlich auch zu erreichen. Erst dann bin ich endgültig mit dem Haushalt zufrieden.

Wenn wir dieses Ziel erreichen wollen – und wir wollen es erreichen –, dann brauchen wir nicht nur, aber auch ein angemessenes wirtschaftliches Wachstum und eine entsprechende Erholung der Steuereinnahmen. Dies ist eine der Voraussetzungen für eine dauerhafte Haushaltskonsolidierung.

Ich sage aber auch: Wachstum allein wird nicht ausreichen. Die mittelfristige Finanzplanung zeigt dies ganz eindeutig und klar. Sie müssen sich einmal die Zahlen anschauen: Die mittelfristige Finanzplanung für das Jahr 2007 weist zwar 2,4 Milliarden € mehr an Steuereinnahmen als für das Jahr 2004 aus; im Jahr 2007 werden aber gleichzeitig 2,1 Milliarden € für höhere Personalausgaben, für steigende Pensionsverpflichtungen und für höhere Zinsen in Anspruch genommen. Wenn Sie sich diese Größenordnung vor Augen halten, dann erkennen Sie, dass in der Zukunft kein einziger Bereich von Einsparungen ausgenommen werden kann, Herr Kollege Drexler. Kein einziger Bereich!

(Abg. Drexler SPD: Sie machen Schwerpunkte!)

Es darf keinen Bereich geben, der in der Zukunft nicht daraufhin überprüft wird,

erstens, ob die erbrachten Leistungen nicht auch effizienter und kostengünstiger erbracht werden können – das ist die Forderung nach der Erschließung von Effizienzreserven –,

zweitens, ob die erbrachten Leistungen nicht besser erbracht werden können, wenn sie nach unten delegiert werden – natürlich mit einer entsprechenden Finanzausstattung,

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Stichwort Subsidiarität, Stichwort „Delegation nach unten“ –,

drittens, ob etlichen Leistungen überhaupt noch die Bedeutung zukommt, die man ihnen ursprünglich einmal zugemessen hat, oder ob nicht Leistungen schlicht und einfach für überflüssig erklärt werden können – Stichwort Aufgabenkritik, Stichwort Bürokratieabbau, Stichwort „Mut zu Prioritäten“ –,

schließlich, ob etliche Leistungen nicht besser privat erbracht werden können, das heißt Vorrang von privater vor öffentlicher Erbringung von Leistungen, wo dies möglich ist.

Meine Damen und Herren, dies alles sind Anforderungen, die nicht in das Jahr 2007 oder in das Jahr 2010 verschoben werden, sondern dies sind Anforderungen, die diese Landespolitik aufgenommen hat, zum Beispiel in der Verwaltungsreform und in der Justizreform. Wir jedenfalls wollen weg von zergliederten Zuständigkeiten. Wir wollen hin zu einer einheitlichen Verwaltung nach dem Modell der Kommunalverwaltung, zu einer Verwaltung, die schlanker ist,

die überschaubarer ist und auch kürzere Wege aufweist. Wir wollen hin zu Entscheidungen, die nicht verzettelt sind, sondern die integriert sind, die gebündelt werden. Weil gebündelte Entscheidungen vor Ort für die Bürger und für die Wirtschaft besser sind, sind sie auch mehr am Kunden orientiert.

Wir wollen die Abläufe vereinfachen. Wir wollen Entscheidungsprozesse und Verantwortung nach unten verlagern. Wir wollen Aufgaben verringern. Wir werden damit eine Effizienzrendite erreichen, die über die Jahre hinweg schrittweise zu einer nachhaltigen Entlastung des Landeshaushalts führt.

Meine Damen und Herren, wer immer über eine mittelfristige und langfristige Entlastung des Landeshaushalts spricht, wird um diese große Verwaltungsreform nicht herumkommen. Er muss sie durchführen. Wir haben sie angepackt. Wir haben sie übrigens so angepackt, dass durch die gesetzliche Einführung einer entsprechenden Berichtspflicht dazu beigetragen wird, dass diese Effizienzrendite auch tatsächlich erwirtschaftet wird und nicht via Kreisumlage auf die Städte und Gemeinden abgewälzt werden kann.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Hauk CDU)

Wir wollen ausdrücklich auch Aufgaben und Zuständigkeiten auf die Städte und Gemeinden übertragen und damit die kommunale Selbstverwaltung stärken. Gerade in diesem Bereich – das gebe ich zu – können wir alle miteinander noch ein Stückchen mutiger werden, noch mehr Vertrauen in die kommunale Selbstverwaltung entfalten. Wenn wir dies tun wollen, setze ich sehr darauf, dass Ressortegoismen, die bisweilen noch festzustellen sind, abgebaut werden.

Die Justizreform, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist ein Musterbeispiel dafür, was es heißt, den Staat auf den Kernbereich seiner Aufgaben zu konzentrieren und in allen anderen Bereichen, die nicht zu den Kernbereichen gehören, freien Trägern zukünftig Vorrang vor dem Staat einzuräumen.

Das fängt bei der Bewährungs- und Gerichtshilfe an, setzt sich über die Gerichtsvollzieherdienste fort und geht bis hin zu der Frage, ob beispielsweise Handels- und Genossenschaftsregister unbedingt bei den Amtsgerichten geführt werden müssen oder ob sie nicht auch von der Selbstverwaltung der Wirtschaft geführt werden können. Es geht weiter mit 25 neuen freien Notariaten im badischen Landesteil, und es wird seine Fortsetzung im generellen Übergang zum freien Notariat finden. Nicht zuletzt haben wir ein einheitliches Rechtspflegeministerium geschaffen, das auch für die Arbeitsgerichtsbarkeit zuständig ist, und wir haben es auch so ausgestattet, dass es in der Zukunft seinen Aufgaben bei entsprechenden Synergieeffekten nachkommen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, dies sind konkrete Beispiele dafür – Stichwort Verwaltungsreform, Stichwort Justizreform –, wie strukturelle Reformen auf den Weg gebracht werden müssen, wenn wir die Chance haben wollen, diesen Haus

halt in absehbarer Zeit auf eine vernünftige Grundlage zu stellen.

(Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Dazu gehört natürlich auch die Tatsache, dass in diesem Haushalt ein weiteres Stellenabbauprogramm enthalten ist, mit dem bis zum Jahr 2008 2 480 Stellen eingespart werden. Denn eines ist klar: Wir werden diese Haushaltskonsolidierung nur dann hinbekommen, wenn wir die Personalkosten senken – ihr Anteil liegt heute bei Betrachtung der direkten Personalkosten bei 42 % und beträgt bei Hinzunahme der indirekten Personalkosten 52 % – und wenn uns gleichzeitig in Zukunft die Pensionszahlungen nicht völlig überfordern.

Drei Wege stehen offen. Der erste Weg: Wir müssen die Zahl der Bediensteten verringern. Der zweite Weg: Wir müssen das reale Pensionseintrittsalter noch deutlicher erhöhen, als es schon geschehen ist. Wir werden möglicherweise drittens auch nicht daran vorbeikommen, so schwierig das ist, parallel zur sukzessiven Absenkung des Rentenniveaus auch das Niveau der Pensionen schrittweise abzusenken.

(Beifall des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Meine Damen und Herren, man braucht kein Prophet zu sein, um festzustellen, dass wir wahrscheinlich alle drei Wege gleichzeitig werden beschreiten müssen.

Selbstverständlich muss auch klar sein, dass nach dem Schuljahr 2007/2008, wenn die Schülerzahlen zurückgehen – und das wissen wir –, auch im Bildungsbereich, in dem wir in den vergangenen Jahren nur aufgebaut haben, in dem wir in den letzten 10, 15 Jahren 10 000 und mehr Stellen geschaffen haben, ein Personalabbau erfolgen muss. Nur so, meine Damen und Herren, werden wir es erreichen – das ist mir sehr, sehr ernst; ich möchte das dick unterstreichen –, dass die Personalkosten nicht einen immer größeren Anteil an unserem Haushalt einnehmen, sondern dass eine Entwicklung in die umgekehrte Richtung eingeleitet wird. Denn nur bei sinkenden Personalkostenanteilen werden wir unsere Haushalte in der Zukunft nachhaltig konsolidieren können.

Zur Landespolitik gehört für mich auch eine faire Partnerschaft zwischen Städten und Gemeinden auf der einen Seite und dem Land auf der anderen Seite. Beide – Länder und Gemeinden – haben in den vergangenen Jahren unter den weggebrochenen Steuereinnahmen sehr gelitten.

Ich will an zwei Beispielen deutlich machen, wie ich das Verhältnis zwischen Land und Gemeinden – und zwar auch unter dem Gesichtspunkt der Finanzierungsfrage, der Finanzausstattung – sehe. Unstrittig ist meines Erachtens die Regelung, dass es im Zusammenhang mit der Beteiligung der Kommunen am Länderfinanzausgleich zu einer Spitzabrechnung kommt. Ich glaube, das ist absolut unbestritten. Das sagen auch die kommunalen Landesverbände.

Umstrittener ist natürlich die Entnahme von 80 Millionen € aus der Finanzausgleichsmasse zugunsten des Landes. Nur, meine Damen und Herren, bitte ich sehr darum, dies im Gesamtzusammenhang zu betrachten. Zu diesem Gesamtzu

sammenhang gehört, dass Sie zuerst einmal die Auswirkungen der November-Steuerschätzung betrachten, und zwar auch im Blick auf die Gemeinden. Dazu gehört zweitens, dass Sie das Ergebnis des Vermittlungsausschusses vom Dezember letzten Jahres betrachten – Stichwort Gewerbesteuerumlage, die immerhin eine Entlastung der Gemeinden in Höhe von 350 bis 380 Millionen € bewirkt. Dazu gehört selbstverständlich auch die Tatsache, dass jetzt 80 Millionen € aus der Finanzausgleichsmasse zuungunsten der Gemeinden entnommen worden sind.

Wenn Sie dies alles zusammenrechnen, dann kommen Sie zu dem Ergebnis, dass der kommunale Anteil an den Nettosteuereinnahmen von Land und Gemeinden im Jahr 2004 wiederum auf fast 42 % angestiegen ist. Was heißt dies? Fast 42 % Anteil der Gemeinden am Steueraufkommen – dies bedeutet, dass der Anteil der Gemeinden zwar noch nicht ganz so hoch ist wie im Zeitraum von 1998 bis 2002, aber höher ist als in der Zeit von 1993 bis 1998.

Meine Damen und Herren, wenn man dies alles zusammenfasst, dann kann man ohne weiteres sagen – und das kann ich hier, ohne rot zu werden, tun –, dass es eine faire Partnerschaft zwischen dem Land und den Kommunen gibt. An dieser fairen Partnerschaft werden wir auch in Zukunft festhalten.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Diese faire Partnerschaft gilt übrigens auch – Kollege Oettinger hat es angesprochen – zwischen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dem Land. Ich will das jetzt nicht vertiefen, aber eines ist klar: Wir werden aus meiner Sicht die Chance haben, im Herbst zu einer Entscheidung über die Erhöhung der Rundfunkgebühr zu kommen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Sender ihre Hausaufgaben erledigen. Damit meine ich nicht den Südwestrundfunk, der seine Hausaufgaben erledigt hat. Aber ich habe schon die Erwartung an die Sender, an die Programmgestalter in den Sendern, dass bis zur Sommerpause dieses Jahres auch strukturelle Vorschläge zur Abspeckung der Sender gemacht werden. Das ist meines Erachtens schon eine Voraussetzung dafür, dass wir zum 1. Januar 2005 zu einer Entscheidung kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Bei der Messe habe ich im Gegensatz zu CDU und SPD kein Problem. Die FDP in Leinfelden-Echterdingen hat zu 100 % der Messe zugestimmt.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wie viele Leute sind das?)

(Heiterkeit)

Darum sage ich es.

(Zuruf: Gute Führung! – Weitere Zurufe)

Gute Führung.

(Unruhe – Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Im Ernst will ich aber darauf hinweisen, dass ich natürlich Respekt habe vor der Leistung, vor dem Auftreten, vor dem Denken des Oberbürgermeisters – das will ich hier sagen –, und ich muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass im Gemeinderat keine Mehrheit für die Messe vorhanden ist. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, meine Damen und Herren, dass ich keinen Zweifel daran lasse: Die Messe oben auf den Fildern muss kommen, und sie wird auch kommen. Meine Damen und Herren, Baden-Württemberg ist das Exportland Nummer 1. Wir brauchen eine starke Messe. Wir brauchen ein Schaufenster für die Wirtschaftskraft dieses Landes. Deshalb bleibt es dabei: Auch gegen die Entscheidung des Gemeinderats, die ich bedauere, wird die Messe auf den Fildern kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Sie ist eine der Zukunftsinvestitionen, die wir zu leisten haben.

Eine zweite Zukunftsinvestition ist der Bereich von Bildung, Forschung und Wissenschaft. Herr Kollege Drexler, der Bundeskanzler bemühe sich, lese ich, jetzt den Anteil der Ausgaben für Forschung, Technologieförderung und Innovationen bundesweit von etwa 2,3 % in die Größenordnung von 3 %, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, zu bringen.

(Abg. Drexler SPD: Jawohl!)

Dazu möchte ich Ihnen sagen, dass wir in Baden-Württemberg natürlich längst viel weiter sind. Wir haben nachgewiesenermaßen einen Anteil von 3,9 % am Bruttoinlandsprodukt.