Das ist klar, da stimmt jeder zu. Die Frage ist jedoch: welche Subventionen, welche Ausnahmen und welcher Steuersatz?
Warum wollen wir einen niedrigeren Steuersatz? Selbst wenn das Steueraufkommen hinterher insgesamt gleich bleibt, bestehen große Unterschiede, was die Investitionsförderung und die Leistungsgerechtigkeit betrifft. Denn bei unseren hohen Grenzsteuersätzen
ist es für manchen Großverdiener vernünftig, einen Tag darauf zu verwenden, sich zu überlegen, wie er Steuern umgehen kann, statt an diesem Tag etwas Gescheites zu arbeiten. Es ist in der Tat so: Heute wird ungeheuer viel Kraft auf die Umgehung von Steuern verwendet. Das wird jedoch tendenziell umso uninteressanter, je niedriger der Grenzsteuersatz ist.
Diese hohen Grenzsteuersätze haben natürlich auch dazu geführt, dass unsere Wirtschaft falsche Signale bekommen hat, dass wir Fehlinvestitionen und falsche Konsumentscheidungen getätigt haben. Ich will Ihnen einige Beispiele nennen, wo Kapital fehlgeleitet worden ist – nicht, weil man die Rentabilität gesucht hat, sondern weil man einen günstigen Steuersatz gesucht hat.
Nehmen Sie etwa das Beispiel der Ostimmobilien. Sie werden jetzt gleich sagen, das sei in der Zeit der CDU-Bundesregierung gemacht worden.
Okay. Ich will das aber einfach einmal feststellen. In Ostdeutschland sind so lange neue Wohnungen gebaut worden,
In der Zwischenzeit ist dadurch die Kapazität der Bauwirtschaft aufgebläht worden. Um diese Kapazität nun wieder auszulasten, werden neue Steuerentlastungen gefordert. Daran sieht man, dass ein solches Vorgehen zu Kapitalfehlleitungen führt.
Oder nehmen Sie – damit die Opposition nun nicht zu gut wegkommt – die Ökosteuer und die Pendlerpauschale.
Die Ökosteuer ist eingeführt worden, damit das Autofahren teurer wird. Als es dann teurer geworden war, hat man Angst vor den Wählern bekommen. Dann wollte man das Kilometergeld erhöhen. Dazu haben die Grünen jedoch gesagt: Dem stimmen wir nur zu, wenn diese Vergünstigung nicht nur für Autofahrer gilt, sondern als Pendlerpauschale für alle. Das führt jetzt zu folgendem Effekt: Wenn Sie zu fünft in einem Pkw vom Schwarzwald aus zum Daimler fahren, dann bekommen alle fünf Pkw-Insassen die Pendlerpauschale.
Oder: Wenn Sie in Meersburg wohnen und in Konstanz arbeiten und deshalb jeden Morgen über den See schwimmen, dann bekommen Sie auch die Pendlerpauschale. Das kann doch nicht Sinn der Sache gewesen sein.
(Abg. Drexler SPD: Und gesund sind Sie noch da- zu, wenn Sie schwimmen! – Abg. Walter GRÜNE: Wenn Sie Fahrrad fahren, dann kriegen Sie die auch!)
Das ist eine der wenigen Aussagen, in denen ich Herrn Drexler zustimmen kann: Und es ist noch gesund. Gut.
Um wirklich noch einmal ganz ernst zu werden: Es ist innerhalb der Wirtschaftswissenschaft allgemein anerkannt, dass es durch eine falsche Steuerpolitik zu Kapitalfehlleitungen und dadurch zu Kapitalverschwendung kommt. Das aber kann doch in niemandes Interesse sein.
Ja, das sage ich Ihnen jetzt gleich. – Wir wollen eine tief gehende und weit reichende Steuerreform, und zwar bald. Ich sage ganz bewusst: Uns schwebt vor, dass eine solche Steuerreform bald kommt und nicht erst im Jahr 2008. Wir sind auch bereit – das hat insbesondere auch unser Ministerpräsident immer wieder betont –, mit anderen politischen Kräften zusammenzuarbeiten.
und die zumindest gesprächsbereit waren. Wir sind immerhin bereit, auch mit anderen zusammenzuarbeiten; das muss ich einmal in aller Deutlichkeit sagen. Wir halten das Thema nämlich für so wichtig, dass eine Zusammenarbeit auch über Parteigrenzen hinweg möglich sein sollte.
Jetzt noch einiges zu Kirchhof. Zunächst einmal: Professor Kirchhof kommt – ich glaube, da sind wir uns alle einig – das große Verdienst zu, durch seine Persönlichkeit und durch seinen Vorschlag dieses Thema zu einem Thema mit ganz großer Bedeutung gemacht zu haben. In der Zwischenzeit besteht in Deutschland über alle politischen Grenzen hinweg eigentlich die Einsicht, dass wir ein neues Steuerrecht brauchen. Dazu hat Professor Kirchhof ohne Frage einen großen und wichtigen Beitrag geleistet.
Eines ist auch klar: Sein Modell ist von allen Modellen am weitesten ausgearbeitet; es ist das konsequenteste, es ist das klarste, es ist das weitest gehende.
Jetzt will ich doch auch einmal an die Redlichkeit und an die Logik appellieren. Es ist klar: Wer die grundsätzlichste Veränderung macht, hat natürlich in der Übergangszeit auch die meiste Arbeit zu leisten. Ich komme gleich auf die 40 Milliarden €, die vorhin genannt worden sind. Weil er ein ganz anderes Steuerrecht will, sind natürlich große Aufgaben in der Anpassung, in der Einführung und im Umbau zu leisten. Das ist überhaupt keine Frage. Ich muss allerdings sagen, dass wir mit Professor Kirchhof dauernd im Gespräch sind und dass er keineswegs nicht bereit ist, auch Veränderungen im Detail an seinem System hinzunehmen. Wir und auch ich ganz persönlich haben ihn schon auf einige Probleme hingewiesen. Da ist er bereit, mit uns auch darüber zu diskutieren.
Um eines noch zu sagen: Wir wissen natürlich als praktische Politiker, dass kein Kirchhof pur und kein Merz pur durchgesetzt wird, aber wir wünschen, dass in alle Systeme mehr Kirchhof hineinkommt, als heute drin ist.
Jetzt kommt die Sache der Nichtfinanzierbarkeit. Das sind ja die zwei Vorwürfe, die Sie gemacht haben: nicht finanzierbar und sozial unausgewogen.
Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass die Chefs der Steuerabteilungen richtig gerechnet haben, so, wie sie rechnen müssen. Ich werde aber gleich erläutern, wie das aussieht. Der Jahresausfall nach der Übergangszeit ist mit 11,4 Milliarden € bei Professor Kirchhof sogar der geringste
nach der Übergangszeit –, wobei in den 11,4 Milliarden € 2 Milliarden € deswegen drin sind, weil er eine größere Kindergelderhöhung vorschlägt als alle anderen. Das kann er also abziehen, wenn er sich mit den anderen vergleicht. Ich komme auf das Kindergeld nachher noch einmal zurück.
Professor Kirchhof behauptet, dass sein System aufkommensneutral sei. So, wie er es sieht, und wenn man es dynamisch betrachtet, ist es aufkommensneutral. Die Chefs der Steuerabteilungen haben natürlich statisch gerechnet. Ich muss sagen: Das ist deren Aufgabe. Dabei kamen sie auf 11 Milliarden €. Jetzt können Sie – vorhin ist das schon einmal von jemandem genannt worden – davon ausgehen, dass bei einem Steuersatz von 25 % sehr viel Fluchtkapital wieder zurückkäme. Das ist neu. Sie können damit rechnen, dass die Schwarzarbeit zurückginge. Und wenn mehr Kapital zurückkommt, können Sie auch damit rechnen, dass die Konjunktur belebt wird.
Das sind Dinge, die ein Abteilungsleiter natürlich nicht in seine Rechnung einbeziehen kann, aber wir als Politiker müssen sie einbeziehen. Ich bin der festen Überzeugung, es ist ein Unterschied, ob einer in Deutschland demnächst 42 % – bisher waren es 48,5 % – bezahlen muss oder ob er 25 % bezahlen muss. Ich bin überzeugt, es käme Kapital zurück. Deswegen sollte man sehen, dass das System zumindest auf mittlere Sicht aufkommensneutral sein kann.