Jetzt komme ich zum Wirtschaftsbereich, Herr Oettinger. Das Wirtschaftsministerium spielt doch in der Politik von Baden-Württemberg überhaupt keine Rolle mehr. Sie haben das Wirtschaftsministerium ja um 65 % der Aufgaben reduziert. Der Wohnungsbau ist zum Innenministerium gekommen. Für die Förderung der Biotechnologie haben Sie eine eigene Gesellschaft, die BIOPRO Baden-Württemberg GmbH, gegründet.
Die Medienwirtschaft ist zum Staatsministerium gekommen. Was ist denn in diesem Ministerium noch übrig?
Sie brauchen vielleicht gerade noch einen Minister, aber einen Staatssekretär brauchen Sie nicht. Das ist das, was Sie für ein wirtschaftsstarkes Baden-Württemberg tun!
Beim BIP-Wachstum ist Baden-Württemberg auf den sechsten Platz unter allen Bundesländern zurückgefallen. Hessen hat uns in den Achtzigerjahren überholt, Bayern in den Neunzigerjahren. Jetzt liegen wir gerade einmal an sechster Stelle, weil Sie in der Mittelstandspolitik einen Fehler nach dem anderen machen. Sie haben zum Beispiel
die Mittel für die Förderung der wirtschaftsnahen Forschung jetzt noch einmal gekürzt. Was ist passiert? Zum Beispiel hat nun ein Zentrum für Forschungstechnik in Baden-Württemberg, das forschungsnahe Technik für den Mittelstand erfindet, zugemacht, obwohl diese Anstalt 75 % der Mittel als Drittmittel hereingeholt hat. 500 000 € konnte das Land Baden-Württemberg nicht mehr zuschießen.
Sie haben die Mittel für die Ausbildungsförderung in der mittelständischen Industrie reduziert. Sie haben die Darlehen für die mittelständische Industrie bei der L-Bank auf fast nur noch ein Zehntel reduziert. Das ist Ihre Mittelstandspolitik. Der Mittelstand spielt bei Ihnen offensichtlich gar keine Rolle mehr, und deswegen haben wir auch eine Delle im Wachstum, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Nun zur Energiepolitik: Eines der Wachstumsfelder sind die erneuerbaren Energien. Im letzten Jahr hat es in Bonn eine Konferenz der Vertreter von 127 Regierungen aus aller Welt gegeben, die dort beschlossen haben, dass sie bis zum Jahr 2015 eine Milliarde Menschen an die erneuerbaren Energien heranführen müssen, weil sie nicht über Kohlekraftwerke und andere Verbrennungsprozesse an Energie kommen. Das ist ein riesiges Investitionsvolumen. BadenWürttemberg ist zwar möglicherweise bei Erfindungen dabei, aber nicht bei der Schaffung von Arbeitsplätzen. Die 130 000 zusätzlichen Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien sind in anderen Bundesländern geschaffen worden und nicht bei uns.
Diese Arbeitsplätze sind mehrheitlich in Bayern und in Nordrhein-Westfalen geschaffen worden; an uns sind sie vorbeigegangen. Ein Zukunftsmarkt wird hier aus ideologischen Gründen überhaupt nicht bearbeitet. Das ist der Punkt.
Die Politik in Baden-Württemberg muss sowohl bestehende Arbeitsplätze erhalten als auch neue Arbeitsplätze erschließen, damit die Menschen neue, zukunftsorientierte Arbeitsplätze bekommen.
Jetzt haben wir das Kyoto-Protokoll. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, der CO2-Ausstoß in Baden-Württemberg beträgt in den Jahren 2004 und 2005 79,5 Millionen Tonnen. Dem Kyoto-Protokoll zufolge dürfte er gerade einmal 70 Millionen Tonnen betragen. Wo sind denn die Konzepte dafür, das Kyoto-Protokoll einzuhalten? Da sind Sie völlig gescheitert. Sie haben ein Gutachten in Auftrag gegeben, wie man dieses Ziel erreichen kann. In diesem Gutachten steht sogar detailliert, wie das geschehen kann. Sie befolgen die Vorschläge aber nicht. Sie geben ein Gutachten in Auftrag, und wenn dieses Gutachten nicht in Ihre ideologischen Vorstellungen passt, wird es eben nicht umgesetzt. Ich bin einmal gespannt, wie Sie in diesem Jahr den CO2-Ausstoß noch um neuneinhalb Millionen Tonnen
reduzieren wollen, um das Kyoto-Protokoll einzuhalten. Dazu hat sich der Fraktionsvorsitzende der CDU mit keinem Wort geäußert.
(Abg. Alfred Haas CDU: Bei Ihnen gibt es Hoff- nung! Eine hoffnungsvolle politische Entwicklung! – Abg. Wieser CDU: Freud’scher Versprecher! – Weitere Zurufe von der CDU, u. a.: Kyoto!)
Sie müssen im Altbaubestand handeln. Sie müssen etwas beim Verkehr tun, Sie müssen etwas im industriellen Bereich tun. Und da machen Sie nichts. Sie haben die Mittel für die Förderung erneuerbarer Energien in einem Maße reduziert – schauen Sie sich das doch einmal im Haushalt an –, dass Sie zukunftsunfähig sind. Auch auf Bundesebene machen Sie auf diesem Gebiet nichts.
Jetzt kommen wir zum dritten Bereich, zum Wohnungsbau. Das Landeswohnungsbauprogramm haben Sie so in den Keller gefahren, dass man überhaupt nicht mehr von einer Wohnungsbauförderung sprechen kann. Deswegen haben wir in den Zentren natürlich auch Wohnungsnot. 2005 werden gerade noch 1 850 Wohnungen gefördert. 1996 wurden noch über 22 000 Wohnungen gefördert. Gehen Sie doch einmal in die Großstädte; da sehen Sie, wie groß die Wohnungsnot ist. Wir brauchen 50 000 neue Wohnungen pro Jahr.
Wir fördern gerade einmal 1 850. Da Sie ja immer an der Spitze sein wollen, nenne ich Ihnen einmal die Zahlen der anderen Bundesländer:
In Bayern fließen pro Kopf 16,9 € in die Wohnungsbauförderung, in Schleswig-Holstein 25,7 € und in NordrheinWestfalen 45,7 €. Aber Baden-Württemberg, das Land der Eigenheimbesitzer und des Wohnungsbaus, fördert im Landeswohnungsbauprogramm den Wohnungsbau gerade einmal mit 3,08 € pro Kopf der Bevölkerung.
(Beifall bei der SPD – Abg. Alfred Haas CDU: Wir haben heute Haushaltsberatungen! Sagen Sie doch einmal, wo das Geld herkommt!)
Zum Sozialen will ich Ihnen noch etwas sagen: Sie haben alle Programme für die Langzeitarbeitslosen und gegen die Jugendarbeitslosigkeit heruntergefahren. Von 19,2 Millionen € haben Sie gerade einmal 800 000 € übrig gelassen. Das gesamte Programm gegen die Langzeitarbeitslosigkeit haben Sie eingestellt,
„Schnee von gestern“? 105 000 Menschen gehen den Herrn Haas wohl überhaupt nichts mehr an. Die hat er offenbar schon abgeschrieben. Das ist für ihn Schnee von gestern.
Diese Programme waren sinnvoll. Es waren ergänzende Programme, und sie waren im Grunde genommen vernünftig.
(Abg. Alfred Haas CDU hält eine Broschüre mit dem Titel „Hartz IV“ hoch. – Abg. Alfred Haas CDU: Lesen Sie mal das hier!)
Auf der anderen Seite pflegen Sie natürlich Ihre Klientel in der Landwirtschaftspolitik ganz toll. 1991 betrug der Zuschuss an die Landwirtschaft ohne Forsten 741 Millionen €, 2004 739 Millionen €. Er ist in den letzten 15 Jahren gleich geblieben, obwohl wir ein Drittel landwirtschaftliche Betriebe weniger haben.
(Abg. Hauk CDU: Aber die Fläche! Kollege Drex- ler, die Fläche ist doch entscheidend für die Ein- kommenssituation und nicht die Zahl der Betriebe!)
Bei diesem Thema wachen Sie auf. Bei den Langzeitarbeitslosen sind Sie nicht aufgewacht. Das ist mir schon klar. Aber bei der Agrarpolitik und beim Forsten sind Sie aufgewacht. Das ist mir schon klar.
Wir wollen in der Agrarverwaltung Wildwuchs von Agraranstalten und -instituten eindämmen. Deswegen brauchen wir natürlich auch konsequenterweise keine Staatssekretärin in dem Ministerium, und wir brauchen eigentlich auch keinen Minister in diesem Ministerium.