Herr Kretschmann, das ist jetzt keine unsolidarische Bemerkung gegenüber anderen. Ich habe mich stets zum Länderfinanzausgleich bekannt, aber ich möchte nur einmal darauf hinweisen, dass andere klassische föderative Staaten und klassische Demokratien keinen horizontalen Finanzausgleich kennen, beispielsweise unser Nachbarland, die Schweiz, beispielsweise die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Beide haben keinen horizontalen Finanzausgleich.
Meine Damen und Herren, deswegen ist es schon einmal angebracht, zu sagen: Selbst in einer solchen Notsituation wie der des Jahres 2005 wäre Baden-Württemberg ohne Leistungen in den Länderfinanzausgleich schuldenfrei, und zwar auch insgesamt. Wir haben mehr in den Länderfinanzausgleich gezahlt, als die Gesamtverschuldung des Landes Baden-Württemberg beträgt.
Weil es aber zehn Nehmerländer und vier Zahlerländer gibt, kommen Sie auf demokratischem Weg über Mehrheiten in den Parlamenten zu keinen Veränderungen. Ich habe mich immer zum Länderfinanzausgleich bekannt, aber ich habe immer auch gesagt, dass ich für einen gerechten Länderfinanzausgleich bin.
Eine Totalnivellierung, eine Nivellierung bis auf 98 % halte ich nicht für gerecht. Immer noch hält sich das Gerücht, die beiden süddeutschen Länder seien die reichen Länder in Deutschland. Ich frage dann immer: Vor dem Länderfinanzausgleich oder nach dem Länderfinanzausgleich?
Vor dem Länderfinanzausgleich sind wir das sehr wohl. Aber nach dem Länderfinanzausgleich ist alles eben planiert, und wir stehen in diesem Landesparlament bei den Haushaltsplanberatungen überhaupt nicht besser als die Parlamente in anderen deutschen Ländern.
Meine Damen und Herren, das Land hat in der Personalreduzierung getan, was es konnte. Da haben wir überhaupt keine Nachhilfe gebraucht. Wir haben ab 1992 in zehn Jahren 10 000 Stellen abgebaut, und trotzdem gab es nicht einen Euro Einsparung. Warum? Weil die gesamten 10 000 Stellen, die wir im administrativen Bereich eingespart ha
ben, in neue Lehrerstellen und in neue Polizeibeamtenstellen umgeschichtet worden sind. Ich denke, dass wir auch heute noch darin übereinstimmen, dass diese neuen Lehrerstellen notwendig gewesen sind. Denn erfreulicherweise haben wir in diesem Zeitraum jedes Jahr am Einschulungstag 30 000 Grundschüler mehr eingeschult als im vorherigen Jahr. Dieses Land hatte im Unterschied zu fast allen anderen Ländern die Kraft, zusätzliche Lehrerstellen zu schaffen – bis in dieses Jahr hinein. In der laufenden Legislaturperiode schaffen wir noch einmal 5 500 Stellen.
Die gesamten Personaleinsparungen sind von einem Bereich erbracht worden, der nur 18 % der Landesbediensteten umfasst, nämlich dem klassischen Kern der Verwaltung. Wir konnten bei den Lehrern, bei den Hochschulen – diese sind „vollgelaufen“ –, bei der Polizei, bei der Justiz und im Strafvollzug keine Personalkürzung vornehmen. Diese Bereiche umfassen 82 % des Personals.
Diese konsequente Einsparungspolitik ist im Übrigen natürlich ein sehr zweischneidiges Schwert, weil junge Leute keine Chancen mehr haben, eingestellt zu werden. Jeder verhält sich mikroökonomisch vernünftig, und makroökonomisch ist es eine Katastrophe, wenn überall immer mehr Personal abgebaut wird. Dies führt mit zur Arbeitslosigkeit.
Meine Damen und Herren, seit dem Jahr 1991 sind inzwischen insgesamt 17 000 Stellen in der Landesverwaltung eingespart worden.
Ich muss fragen: Wer hatte den Mut zur Einführung der 41Stunden-Woche? In der Wirtschaft niemand. Baden-Württemberg geht mit der Einführung der 41-Stunden-Woche voran. Wir hatten den Mut, aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder auszutreten, um auch für gerechte Verhältnisse innerhalb der Verwaltung zu sorgen, sodass in unserem Land Angestellte wenigstens stufenweise zur gleichen Arbeitszeit kommen wie die Beamten.
Jetzt muss ich noch etwas zur Verschuldung sagen. Wir standen 1999 kurz vor der Nettonullneuverschuldung. Der Finanzierungssaldo wies damals noch ein Minus von 50 Millionen € aus. So nahe waren wir vor wenigen Jahren an der Nettonullneuverschuldung – aufgrund der kontinuierlichen Sparpolitik der Neunzigerjahre. Danach kam Jahr für Jahr ein geradezu ebenso katastrophaler Einbruch der Steuereinnahmen – 2004 zum achten Mal in Folge – wie Anfang der Neunzigerjahre.
Sie legen immer so großen Wert auf eine mittelfristige Finanzplanung. Jetzt möchte ich einmal auf die mittelfristige Finanzplanung des Jahres 1999 zurückkommen, die ja bis zum Jahr 2004 reichte. Hätten wir die Steuereinnahmen erzielt, die in der mittelfristigen Finanzplanung des Jahres 1999, die in diesem Haus verabschiedet worden ist, veranschlagt waren, dann hätten wir heute schon die Nettoneuverschuldung.
Wir hatten gegenüber der ersten Steuerschätzung für 2004 Steuerausfälle von 3,1 Milliarden €. Das ist die Situation, wie sie entstanden ist. Nun kann man doch beim besten Willen nicht Debattenbeiträge eröffnen und völlig losgelöst von dieser Entwicklung einfach irgendeine Zahl und damit verbunden einen Vorwurf in das Land hinausposaunen.
Meine Damen und Herren, ich habe das alles übrigens auch schön grafisch dargestellt. Ich stelle es Ihnen einmal zur Verfügung. Es ist wirklich eindrucksvoll.
Dann muss man, glaube ich, schon auch noch sagen, wie das Umfeld ist. Der Kollege Oettinger hat schon darauf hingewiesen, dass wir immerhin noch am zweitbesten dran sind. Herr Kollege Kretschmann, wir haben eine Verschuldung, die ich nicht nur für schlecht halte, sondern auch für nicht verantwortbar, doch ist sie unumgänglich. Wir liegen jedoch damit in der Pro-Kopf-Verschuldung besser als jedes Land, das die SPD regiert oder in dem die Grünen an der Regierung beteiligt sind. Das möchte ich einmal mit allem Nachdruck sagen.
Bei uns beträgt die Verschuldung 3 345 € pro Kopf der Bevölkerung, in Nordrhein-Westfalen 5 271 €, in Niedersachsen 5 431 €, in Rheinland-Pfalz 5 460 €, im Saarland 6 555 €
gut, aber im Saarland und in Niedersachsen waren andere länger als wir an der Regierung; das darf man, glaube ich, auch einmal sagen – und in Schleswig-Holstein 6 599 €. Man muss hinzufügen, dass Bayern besser ist als BadenWürttemberg. Bayern hat die geringste Verschuldung, Baden-Württemberg die zweitniedrigste.
Meine Damen und Herren, ich möchte dann Ihr Bewusstsein für das Thema Ausgleichssysteme schärfen, weil ich meine, dass zu den wichtigsten Aufgaben baden-württembergischer Politik auch gehört, gegenüber dem Bund und gegenüber Europa unsere berechtigten Interessen wahrzunehmen. Vom Länderfinanzausgleich habe ich bereits gesprochen. Daneben gibt es den Umsatzsteuerausgleich. Es gibt den Fonds „Deutsche Einheit“. Und es gibt eine Fülle anderer Ausgleichssysteme. Im Jahr 2004 hat Baden-Württemberg 2 Milliarden 148 Millionen € in den Länderfinanzausgleich im engeren Sinne bezahlt. 31,8 % des Gesamtvolumens werden von Baden-Württemberg gedeckt. Hinzu kommt, dass wir in den Fonds „Deutsche Einheit“ bezahlen. Wir rutschen in der Tat nach diesen Ausgleichssystemen vom dritten auf den elften Platz ab. Diese Folgerung muss man sich einmal vor Augen halten.
Meine Damen und Herren, ich glaube, dass es eine beständige Aufgabe sein muss, hier zu gerechteren Verhältnissen zu kommen. Baden-Württemberg zahlt, und zwar überall. Wir bluten aus, und es geht bei uns an die Substanz der Infrastruktur. Schauen Sie sich beispielsweise einmal an, welche Straßenbaumittel noch im Haushalt stehen. Ich glaube, es geht auch an die Substanz unserer Bundesstraßen. Schauen Sie sich einmal an, was uns heute für den Ausbau der Bundesstraßen zur Verfügung steht. Ich meine, es ist auch nicht in Ordnung, dass zwar fünf Jahre nach der Wiedervereinigung die Schienen in den neuen Bundesländern, die von der russischen Besatzungsmacht abgebaut worden sind, also zweite Gleise, wieder eingebaut sind, dass aber zweite Gleise in Baden-Württemberg, die von der französischen Besatzungsmacht zwischen Horb und Hattingen abgebaut worden sind, 60 Jahre nach dem Krieg und nach der Besatzungszeit nicht wieder eingebaut sind.
Anhand dieser Beispiele will ich nur aufzeigen: In BadenWürttemberg geht es an die Substanz der Infrastruktur. Infrastruktur ist ein Zentralbereich, die Voraussetzung guter Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung.
Ich möchte an dieser Stelle nur einmal das Beispiel Forschung und Entwicklung erwähnen – alles Dinge, auf die Sie nicht hinweisen. Hier liegt Baden-Württemberg mit Ausgaben in Höhe von 1 131 € pro Kopf an der Spitze aller Länder in Deutschland. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 631 € pro Einwohner. Wir ziehen also den Bundesdurchschnitt nach oben. Unsere Ausgaben für die Forschung und die Entwicklung sind doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt.
Forschungsausgaben sind aber nichts anderes als das, was ein Bauer im Frühjahr macht, wenn er sät. Sie sind die Voraussetzung dafür, dass man später ernten kann. Ich kann nur sagen: Damit legen wir die Grundlage für die Sicherung der Arbeitsplätze von morgen und übermorgen.
Wir ernten bereits. Baden-Württemberg hat die beste Erwerbstätigenentwicklung in den letzten zehn Jahren, nämlich 350 000 neue Arbeitsplätze. Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit in Deutschland, und zwar Monat für Monat. Wir haben auch die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland.
Das alles ist doch eine hervorragende Basis für die Landespolitik heute und morgen. Nichts ist ungefährdet. Ich habe vorhin den Abzug von Arbeitsplätzen dargestellt. Deswegen sage ich: Aus meiner Sicht sind die Prioritäten für die
und Vorfahrt für die Familie, die nach wie vor Hilfe am allernötigsten hat, weil Familien mit Kindern nachgewiesenermaßen das geringste verfügbare Pro-Kopf-Einkommen haben.
Hier geht es auch um Zukunftschancen der kommenden Generation. Wir investieren in die Köpfe der Menschen. Vorfahrt für Bildung – im Vorschulalter, in der Schule, in der Berufsschule, an den Hochschulen und in der Forschung.