Herr Minister Stächele, Sie erhalten das Wort zur Beantwortung der Anfrage namens der Landesregierung.
Als sichtbares Zeichen für die Teilnahme an Einsätzen oder auch bei besonderen Verwendungen außerhalb des in Deutschland stattfindenden Dienstes, insbesondere bei humanitären, friedenserhaltenden oder Frieden schaffenden Maßnahmen, hat der Bundesminister der Verteidigung 1996 für Soldaten und zivile Mitarbeiter der Bundeswehr die
Einsatzmedaille der Bundeswehr gestiftet. Es handelt sich dabei um eine Auszeichnung im ordensrechtlichen Sinne.
Die Einsatzmedaille wird in drei Stufen verliehen. Voraussetzung für die Verleihung der Medaille in Bronze ist eine Einsatzdauer von mindestens 30 Tagen im jeweiligen Einsatzland, für die Verleihung der Medaille in Silber müssen es bereits 360 Tage sein, und für die Verleihung der Medaille in Gold bedarf es einer Einsatzdauer von 690 Tagen. Dabei muss der Dienst allerdings nicht unbedingt zusammenhängend erbracht werden, sondern er kann jeweils auch in Teilabschnitten geleistet werden.
Diese Einsatzmedaille kann mittlerweile für insgesamt – auch diese Zahl ist interessant – 26 verschiedene Auslandseinsätze der Bundeswehr verliehen werden, darunter auch für die Teilnahme am Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der Afghanistan-Mission ISAF. Diese Einsatzmedaille der Bundeswehr im Rahmen der Afghanistan-Mission wurde bislang tatsächlich 16 986-mal verliehen. Wir haben allerdings keine Informationen darüber, wie sich diese Zahlen auf die einzelnen Bundesländer verteilen.
Die Einsatzmedaille selbst wird vom Bundesminister der Verteidigung verliehen. Dabei erfolgt die Aushändigung in der Regel im Einsatzland durch die dortigen Kommandeure vor der Rückkehr der jeweiligen Soldatinnen und Soldaten in die Heimat.
Eine Umfrage hat ergeben, dass es neben dieser Einsatzmedaille keine speziellen Orden der Länder zur Würdigung des Einsatzes von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr gibt. Die Länder selbst haben also keine entsprechenden Orden hierfür eingerichtet.
Sie wissen, dass die Landesregierung diesen Einsatz immer in besonderer Weise würdigt. Das zeigt beispielsweise der viel beachtete Besuch von Ministerpräsident Teufel am 3. Oktober 2000 bei den Einheiten im Kosovo. Ministerpräsident Teufel hat dann bei uns hier in Deutschland zwei Einheiten der Bundeswehr – es waren Kommandospezialkräfte aus Calw – das so genannte Fahnenband des Landes Baden-Württemberg als Auszeichnung des Landes für diesen Einsatz überreicht und damit ihre Verdienste gewürdigt. Auch Ministerpräsident Oettinger plant, entsprechende Einsatzorte zu besuchen.
Aber, wie gesagt, die Verleihung und Aushändigung von Orden auf der Ebene des Bundes erfolgt durch den Bundesminister der Verteidigung.
M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. R o l f G a ß m a n n S P D – S t u t t g a r t n i c h t m e h r s i c h e r s t e G r o ß s t a d t i n d e r B u n d e s r e p u b l i k
a) Was sind die Ursachen für die extrem angestiegene Zahl von Straftaten in der Landeshauptstadt Stuttgart, insbesondere bei den Wohnungseinbrüchen und der Kinderund Jugendkriminalität?
b) Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um dem Kriminalitätsanstieg entgegenzuwirken und Stuttgart auf der Liste der sicheren Großstädte nicht weiter abrutschen zu lassen?
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ihre Mündliche Anfrage, Herr Kollege Gaßmann, beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt – das wird eine sehr lange und ausführliche Antwort werden –:
Stuttgart war seit dem Jahr 2000 vier Mal in Folge die im Bundesvergleich sicherste Großstadt in Deutschland. Im aktuellen Vergleich für das Jahr 2004 liegt Stuttgart auf Rang 3 hinter München und Essen und vor Dortmund, Köln und Düsseldorf. Dabei ist der Abstand zu den beiden ersten Städten relativ gering, zu den genannten drei nachfolgenden Städten aber deutlich.
Der Anstieg der Zahl der Straftaten um insgesamt 4 405 Fälle oder 23,6 % kann im Wesentlichen auf fünf verschiedene Faktoren zurückgeführt werden:
Erster Faktor: Serienstraftaten im Deliktsbereich „Warenund Warenkreditbetrug“ führten zu einem Anstieg um 1 391 Fälle oder 116 %. Hierbei nahm die Verkaufsplattform Internet eine besondere Rolle ein.
Zweitens fanden in Stuttgart intensive polizeiliche Kontrollen statt. Allein im Rahmen des Konzeptionseinsatzes „Sichere Innenstadt“ zur Bekämpfung der Rauschgift- und Straßenkriminalität wurden ca. 10 000 Personen mehr als im Vorjahr kontrolliert. Dies führte zu einer Aufhellung des Dunkelfelds und zwangsläufig zu einem Anstieg bei der registrierten Rauschgift- und Straßenkriminalität. Insgesamt wurden in diesen beiden Deliktsfeldern 1 492 Fälle mehr registriert.
Der dritte Grund für den Anstieg der Zahl der Straftaten besteht darin, dass die Bundesgrenzschutzinspektion Stuttgart im Jahr 2004 1 813 Fälle mehr für die Kriminalstatistik angeliefert hat. Dies ist insbesondere auf eine vom Bundesgrenzschutz im Jahr 2004 geschlossene Ordnungspartnerschaft mit der Deutschen Bahn AG zurückzuführen, was zu einem stringenten Anzeigeverhalten der Deutschen Bahn AG führte und sich besonders bei der Zahl der Sachbeschädigungsdelikte bemerkbar machte.
Viertens: Ursächlich für die Zunahme der Zahl der Gesamtstraftaten ist auch das geänderte Anzeigeverhalten der Stuttgarter Straßenbahnen AG. Dies führte zu einem immensen Anstieg um 1 907 Fälle beim Deliktsfeld „Erschleichen von Leistungen“.
Als fünften und letzten der großen Gründe für den Anstieg nenne ich die Umstellung der Landesdatenhaltungssysteme der Polizei auf das neue, bundesweite Informationssystem der Polizei ab Mitte November 2003. Durch diese Umstellung kam es dazu, dass beim Polizeipräsidium Stuttgart für das Jahr 2003 etwa 1 500 Fälle zu wenig und in der Folge für das Jahr 2004 zu viel erfasst wurden. Straftaten, die im Jahr 2003 begangen wurden, sind dann also erst im Jahr 2004 mitgerechnet worden.
Beim Deliktsfeld Wohnungseinbruch wurde für das Jahr 2004 zwar ein Anstieg um 168 Fälle oder 30,5 % gegenüber 2003 verzeichnet. Im längerfristigen Vergleich ist die Lage aber deutlich entspannter. So verringerte sich die Zahl der Wohnungseinbrüche in den letzten zehn Jahren um 19,8 % auf 718 Delikte im Jahr 2004.
Im Bereich der Kinder- und Jugendkriminalität ist die Anzahl der Tatverdächtigen im Jahr 2004 gegenüber dem Vorjahr um 1 458 oder 27,4 % angestiegen. Hierbei ist bei den Kindern eine Zunahme um 16,7 %, bei den Jugendlichen um 32,3 % und bei den Heranwachsenden um 27,1 % zu verzeichnen. Dagegen bewegt sich der Anteil der unter 21jährigen Tatverdächtigen an der Gesamtzahl seit 2002 bei nahezu 25 %. Die deutlichen Anstiege resultieren vor allem aus Zuwächsen in den Deliktsbereichen Körperverletzung und Diebstahl, die in hohem Maße auch von der Anzeigebereitschaft der Bevölkerung abhängig sind. Zudem wurden im Bereich der Kinder- und Jugendkriminalität die Kontroll- und Ermittlungsmaßnahmen verstärkt. Hierdurch konnte eine Vielzahl von Fällen vom Dunkel- ins Hellfeld überführt werden.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Kriminalitätsanstieg in Stuttgart zu einem gewissen Teil aus tatsächlichen Zuwächsen, mehr aber aus besonderen, einmaligen Verzerrungsfaktoren sowie einer deutlichen Aufhellung des Dunkelfelds resultiert. Der gewollte Anstieg durch verstärkte polizeiliche Aktivitäten zeigt, dass die Polizei in Stuttgart die Probleme angeht, Verfolgungsdruck aufbaut und sich um die Dinge frühzeitig kümmert, bevor sich Fehlentwicklungen verfestigen.
Jetzt zum zweiten Teil Ihrer Anfrage: Die Landesregierung wird auch im Jahr 2005 an ihrer bewährten Linie festhalten. Hierbei setzt die Polizei auf eine Doppelstrategie aus konsequent repressiven wie auch zielgruppengerechten präventiven Maßnahmen. Insbesondere verstärkte Präsenz sowie frühzeitige und niederschwellige Kontrollmaßnahmen, zum Beispiel intensivierte Bestreifung von Brennpunkten, Präventionseinsätze, verstärkte Jugendschutzkontrollen, sowie das bewährte Sicherheitskonzept „Sichere Innenstadt“ tragen zu einer insgesamt sehr guten Sicherheitslage bei.
Um dem Anstieg der Zahl der Wohnungseinbrüche entgegenzuwirken, wurden bereits ab Februar 2004 umfangreiche repressive und präventive Maßnahmen wie Intensivierung der Präventionsveranstaltungen, gezielte Präsenzeinsätze in betroffenen Wohngebieten sowie Fahndungsstreifen durchgeführt und Verhaltensempfehlungen gegeben. Zur weiteren Optimierung der Bekämpfung des Wohnungseinbruchdiebstahls wurde eine Ermittlungsgruppe Wohnungseinbruch eingerichtet, die seit 1. Februar dieses Jahres die zentrale Auswertung und umfassende Ausermittlung
Die Bekämpfung der Kinder- und Jugendkriminalität bleibt nach wie vor ein Schwerpunkt der Polizeiarbeit. Aus diesem Grund hat die Polizei die bewährten und erfolgreichen Arbeitstechniken aus dem Modellprojekt „Haus des Jugendrechts“ in Bad Cannstatt seit dem 1. Januar 2005 auf das gesamte Stadtgebiet und übrigens auch landesweit übertragen und damit ein breit angelegtes Maßnahmenpaket zur Eindämmung der Jugendkriminalität umgesetzt. Kernpunkte sind die Einführung des Wohnortprinzips in der polizeilichen Jugendsachbearbeitung, eine hierdurch optimierte Zusammenarbeit von Polizei, Justiz und Jugendhilfe im Rahmen eines Stufenmodells auf der Grundlage neu gefasster Diversions- und Zusammenarbeitsrichtlinien, eine frühzeitige und systematische Intervention gegen Schulschwänzen und Jugendgefährdungen sowie die gezielte Förderung der Jugendkriminalprävention aus Mitteln der Landesstiftung. Insbesondere mit dem Stufenmodell wird über die Möglichkeiten der informellen Verfahrenserledigungen hinaus auf das gesamte Spektrum möglicher Reaktionen zurückgegriffen, um so zeitnah und individuell auf delinquentes Handeln junger Tatverdächtiger reagieren zu können.
Darüber hinaus wurde auch die ursachenorientierte Präventionsarbeit deutlich forciert. Allein 18 Initiativen befassen sich mit der Zielgruppe Kinder und Jugendliche.
Fazit, Herr Gaßmann: Die Landeshauptstadt liegt mit deutlichem Abstand zu weiteren Städten unter den drei sichersten Großstädten bundesweit. Sie hat eine personell recht ordentlich ausgestattete Polizei mit einer zeitgemäßen Organisation. Die aktuellen statistischen Entwicklungen geben keinen Anlass, an der grundsätzlich guten Sicherheitslage Stuttgarts zu zweifeln. Gerade in den Deliktsbereichen, die das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung besonders beeinträchtigen wie der Straßenraub und nunmehr auch der Wohnungseinbruch, sind die Zahlen rückläufig. Auch weiterhin werden alle Anstrengungen unternommen werden, die Sicherheit in Stuttgart auch künftig auf hohem Niveau zu halten.
Herr Staatssekretär, welche Erklärung gibt es dafür, dass die Stuttgarter Polizei von 62 000 Straftaten im Jahr 2004 ausgeht, während das Innenministerium wenige Wochen zuvor von einer um etwa 10 % niedrigeren Zahl von Straftaten ausgegangen ist, nämlich von ca. 56 000? Welche Zahl ist nun richtig?
Ich muss der Frage nachgehen. Ich kann nicht aus dem Stand heraus sagen, warum da zwei unterschiedliche Zahlen vorliegen. Vielleicht hat es damit zu tun, dass bei der Übertragung der Zahlen von 2003 auf 2004 unterschiedlich gerechnet wurde.
Übrigens, um Vergleiche zu ermöglichen, wurden die Zahlen der Jahre 2003 und 2004 zusammengezogen und wurde ein Durchschnittswert genommen. Deshalb sollte man nachschauen, ob das jetzt der Durchschnittswert von 2003 und 2004 ist oder eine bereinigte oder nicht bereinigte Zahl.
Ich habe ja vorhin darauf hingewiesen, dass es durch die Umstellung der Datenerfassung teilweise nicht einfach ist, in der Jahresfolge von Jahr zu Jahr einen Vergleich zu ziehen. Deshalb sind für diese zwei Jahre, für diese Umstellungszeit auch Durchschnittszahlen gewählt worden. Aber ich kann, bezogen auf die Zahl, die Sie konkret nennen, noch im Einzelnen nachprüfen, wo der Grund dafür liegt.
Herr Staatssekretär, wie will die Landesregierung sicherstellen, dass die Staatsanwaltschaft die jetzt bekannten Fälle der Jugendkriminalität zeitnah behandeln kann? Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft beklagt ja – das wissen Sie auch –, dass sie noch Personal abbauen muss, sodass deswegen zu erwarten ist, dass eine zeitnahe Behandlung der Fälle überhaupt nicht möglich ist. Sie rechnet mit fünf bis sechs Monaten. Verstehen Sie darunter immer noch die Maßnahmen, die im „Haus des Jugendrechts“ getroffen waren, nämlich zeitnahe Verurteilungen auch sicherzustellen?