Ich betone dies deshalb, weil ich mich in der Vergangenheit immer wieder dafür ausgesprochen habe, die anstehenden Änderungen der Gemeindeordnung, der Landkreisordnung und des Kommunalwahlgesetzes in einem Gesamtpaket zusammenzufassen. Deswegen kriegen wir die Novelle halt erst heute auf den Tisch und nicht schon ein paar Wochen früher, wie Sie es gerne gehabt hätten.
(Abg. Stickelberger SPD: Ein paar Jahre auf dem Sprung! – Abg. Gall SPD: Dafür, dass es ein paar Jahre gedauert hat, ist es ganz toll!)
Meine Damen und Herren, es liegt bestimmt nicht im Interesse der Gemeinden und der Kreise, wenn die maßgeblichen Vorschriften des Kommunalwahlrechts immer wieder in einzelnen Punkten geändert werden.
Die Kommunen brauchen gerade in einem zentralen Bereich wie der Kommunalverfassung ein gewisses Maß an Sicherheit, Verlässlichkeit und Kontinuität.
Deshalb haben wir darauf bestanden, sämtliche anstehenden Änderungen in einem einzigen Gesetzespaket zusammenzufassen.
Zu Beginn der Legislaturperiode ist in der Koalitionsvereinbarung festgelegt worden, dass die Regierungskoalition die Möglichkeiten der unmittelbaren Bürgerbeteiligung in unseren Städten und Gemeinden deutlich verstärkt – so steht es drin –, und mit dem vorliegenden Gesetzentwurf lösen wir diese Zusage ein, und zwar Punkt für Punkt.
Wir werden … in der Gemeindeordnung den so genannten Positivkatalog für die Zulassung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid … aufheben.
Genau dies ist in dem Gesetzentwurf vorgesehen. Bis auf den Negativkatalog wird es künftig also keine thematischen Einschränkungen für Bürgerentscheide mehr geben.
Die Hürden für die unmittelbare Bürgerbeteiligung werden damit entscheidend gesenkt. Mir ist bewusst, dass dies einigen von Ihnen noch nicht weit genug geht.
Bitte berücksichtigen Sie aber auch, dass die Absenkung dieser Hürden, wie wir sie jetzt vorsehen, im kommunalen Raum durchaus kritisch gesehen wird.
Uns allen liegt die Stellungnahme des Gemeindetags wie auch der anderen kommunalen Landesverbände zu dem Gesetzentwurf vor. Ich will ausdrücklich sagen, dass ich die kritischen und mahnenden Worte, die der Gemeindetag in diesem Zusammenhang gefunden hat, sehr gut nachvollziehen kann. Mit den Erleichterungen, die wir bei Bürgerentscheid und Bürgerbegehren vornehmen wollen, rühren wir an demokratischen Grundgedanken des Grundgesetzes und der Landesverfassung. Nach Artikel 28 des Grundgesetzes muss die kommunale Selbstverwaltung von Verfassungs wegen jedenfalls im Grundsatz eine repräsentativ-demokratische Struktur aufweisen. Die Einführung direkt-demokratischer Beteiligungsmodelle der Bevölkerung ist nur insoweit zulässig, als die freie und weisungsunabhängige Stellung der gewählten Gemeindeorgane nicht dergestalt ausgehöhlt wird, dass von einem funktionsfähigen Repräsentativorgan nicht mehr gesprochen werden kann. Der Gemeindetag hat in seiner Stellungnahme ausdrücklich betont – ich sage: ausdrücklich –, dass die Bürgerbeteiligung die gewählten Gemeindeorgane, also Gemeinderat und Bürgermeister, nicht ersetzen kann und sie auch nicht auf eine reine Ausführungs- oder Vollzugsfunktion beschränken sollte.
Dieser Auffassung kann ich mich nur anschließen. Wir haben seit 1955 in unserer Gemeindeordnung einen Ausgleich zwischen repräsentativer und unmittelbarer Demokratie, der bis heute bundesweit vorbildlich ist. Wir haben einen Status gefunden, der starke Kommunen gewährleistet, der die starke Stellung des Gemeinderats und des Bürgermeisters in unseren Kommunen verankert und der ein wichtiger Baustein unserer bewährten Kommunalverfassung ist. Ich möchte mich deutlich dagegen aussprechen, dass die parlamentarisch-repräsentative Demokratie und die Formen der unmittelbaren Bürgerbeteiligung gegeneinander ausgespielt werden.
Die Gewichte der beiden Elemente – also dem repräsentativen und dem unmittelbaren Element der Demokratie – kann man natürlich unterschiedlich setzen. Aber mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nehmen wir diese Gewichtung jedenfalls neu vor und setzen einen deutlichen Akzent in Richtung unmittelbare Bürgerbeteiligung.
Ein sinnvolles, auf vernünftige Ergänzung angelegtes Verhältnis zwischen direkter und repräsentativer Demokratie muss auch die Frage beantworten, in welchen einzelnen Bereichen es generell besser ist, die Entscheidung dem Gemeinderat vorzubehalten. Der vorgelegte Gesetzentwurf sieht deshalb grundsätzlich vor, den bewährten Negativkatalog beizubehalten.
An dieser Stelle gibt es allerdings ein Missverständnis. Diesem Missverständnis will ich gleich entgegentreten. Das Missverständnis hat sich nach meinem Eindruck um die neu eingefügte Nummer 6 des Negativkatalogs gebildet. Ich meine die darin aufgeführte Formulierung „Bauleitpläne und örtliche Bauvorschriften“. Hier soll nach Auffassung der Landesregierung, die sich hierbei auf die kommunalen Landesverbände berufen kann, kein Bürgerentscheid stattfinden.
Das Missverständnis besteht darin, dass auch in den Gemeindeordnungen derjenigen Länder, in denen nichts Derartiges steht, das Baugesetzbuch gilt. Das Baugesetzbuch wiederum verlangt für das Bauleitplanverfahren jedoch zwingend einen umfassenden und abgestuften Abwägungsprozess, den ein Bürgerentscheid so überhaupt nicht leisten kann.
Auf der anderen Seite betrifft die neue Nummer 6 nur das förmliche Bauleitplanverfahren. Dagegen sind die Grundsatzentscheidungen zur Gemeindeentwicklung im Vorfeld
(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Wie auch immer wieder fälschlicherweise behauptet wird! – Gegenruf des Abg. Stickelberger SPD: Nicht von uns!)
Der Gesetzentwurf sieht in Bezug auf Bürgerbegehren und Bürgerentscheid weiterhin vor, dass das erforderliche Zustimmungsquorum von 30 auf 25 % aller Stimmberechtigten gesenkt wird. Der oft sehr knappe Ausgang der in den letzten Jahren durchgeführten Bürgerentscheide zeigt, dass diese Senkung von erheblicher praktischer Auswirkung ist. Ich habe vor noch nicht einmal acht Tagen in meiner Nachbargemeinde explizit genau einen solchen Fall gehabt.
Schließlich soll nach dem Gesetzentwurf die Frist für die Einreichung eines Bürgerbegehrens, das sich gegen einen Beschluss des Gemeinderats richtet, von vier auf sechs Wochen verlängert werden. Auf die weiteren Einzelheiten brauche ich an dieser Stelle nicht einzugehen, da bei den Ausschussberatungen sicherlich noch Gelegenheit sein wird, sich hierüber auszutauschen.
Mit der vorliegenden Regelung wird die unmittelbare Bürgerbeteiligung in unseren Städten und Gemeinden eine beträchtliche Weiterentwicklung erfahren – da bin ich mir ganz sicher – und damit der Tendenz zur Stärkung der unmittelbaren Demokratie Rechnung tragen.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, in der gebotenen Kürze auf die zu Beginn kurz angesprochenen weiteren Punkte eingehen.
Die Möglichkeit, einen Anschluss- und Benutzungszwang vorzusehen, soll im Hinblick auf die Staatszielbestimmung des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen erweitert werden. Das betrifft in erster Linie die Versorgung mit Nah- und Fernwärme. Der vorgeschlagene Gesetzestext weist Ähnlichkeiten – darauf will ich in aller Bescheidenheit hinweisen – mit dem Regelungsvorschlag auf, den die Grünen bereits im letzten Jahr vorgelegt haben.