Protokoll der Sitzung vom 27.07.2005

Alles in allem bleibt uns gar nichts anderes übrig, auch um europäische Rechtsvorgaben in Baden-Württemberg umzu

setzen, als diese Vorgaben in den Gesetzentwurf einfließen zu lassen. Deswegen werden wir trotz aller grundsätzlichen Bedenken, die ich geäußert habe, dem Gesetzentwurf der Landesregierung zustimmen.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erhält Herr Justizminister Dr. Goll.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorhin ist an einer Stelle schon zu Recht angedeutet worden: Es geht nicht etwa um die Qualität der Notariatsdienstleistungen bei uns im Land. Diese sind nämlich völlig in Ordnung – mit einer einzigen Einschränkung: den überlangen Wartezeiten in einigen Teilen Badens. Genau an diesem Punkt wird gehandelt. Wir werden 25 freie Notare zulassen.

Nach jetzigem Stand muss man eigentlich sagen: Dass uns das Thema ständig beschäftigt, liegt nicht an der Qualität der Versorgung mit Notariatsdienstleistungen. Das geht in diesem Fall vielmehr auf die europäische Ebene zurück. Wir sind die Einzigen in Europa, die noch ein Amtsnotariat haben. Deswegen kommen wir auf europäischer Ebene immer mehr unter Druck.

Dennoch könnte man sich einmal die Frage stellen: Warum eigentlich? Denn auch im Bereich der so genannten Gesellschaftsteuerrichtlinie zahlen die Unternehmen eigentlich immer das Gleiche, egal, ob sie es an einen freien oder an einen beamteten Notar zahlen. Vom Wettbewerb, von der Belastung der Unternehmen her besteht also eigentlich gar kein Unterschied. Aber die EU stört, dass die betreffenden Anteile in die Staatskasse wandern. Deswegen werden sie als Steuern bezeichnet, deren Erhebung wiederum in diesem Zusammenhang unzulässig ist.

Deswegen mussten wir handeln. Das Gebührensystem war von konkreten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs betroffen, und wir mussten das Gebührensystem anpassen. Im Wesentlichen geht es hierbei um Anpassungen.

Diese Anpassungen waren nicht ganz einfach, weil sie sozusagen ein ordentliches Loch in das System gerissen haben. Es war ziemlich kompliziert, den Gesetzentwurf zu erstellen. Ich verschweige auch nicht, dass eigentlich jedem, der damit zu tun hatte, irgendwann einmal auch die Erkenntnis Bismarcks durch den Kopf gegangen ist, wonach man beim Machen von Würsten und Gesetzen besser nicht zuschauen sollte.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Aber wir haben schließlich alle notwendigen Kompromisse gefunden, um Ihnen heute dieses erforderliche Reparaturgesetz auf den Tisch legen zu können.

Herr Abg. Oelmayer, Sie haben sich nach den Einnahmeausfällen erkundigt. Diese Ausfälle entstehen im allgemeinen Haushalt, nicht im Justizhaushalt.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Da bin ich ja beruhigt!)

Wir durften das Geld schon bisher nicht behalten. Insofern ist der Gesamthaushalt betroffen. Aber Sie haben das Problem angesprochen. Man kann in der heutigen Zeit natürlich nicht leichten Herzens auf Geld verzichten. Dennoch sieht man, dass das System zunehmend in eine Schieflage gerät. Sollte die Entwicklung nämlich so weitergehen, dass wir immer mehr Teile der Gebühren an beamtete Notare durchreichen müssen, stimmt die ganze Architektur nicht mehr. Dann muss man sich Gedanken machen, wie die Zukunft aussieht.

Die Andeutungen des Generalanwalts sind nicht in die Urteile eingeflossen. Sie wären in der Tat darauf hinausgelaufen, dass jeder Euro, den ein beamteter Notar anfasst, automatisch wie eine Steuer zu behandeln ist. Das wäre für die jetzige Konstruktion wirklich gefährlich. Bis jetzt wird nur danach gefragt: Landet das Geld in der Staatskasse oder in der privaten Tasche? Wenn die Äußerungen des Generalanwalts Schule machen sollten, dann dürften, wie gesagt, bestimmte Gebühreneinnahmen von einem beamteten Notar gar nicht mehr angefasst werden. Dann stünden wir hier vor einem echten Problem. Kein Mensch weiß natürlich, ob es in Zukunft eintritt.

Insofern muss ich an dieser Stelle sagen: Ich treffe auch keine Prognose, schon gar nicht für die Zukunft. Wenn es bei den Gebühren so weitergeht, sollten wir irgendwann in der Tat Modelle finden, durch die wir selbst das Gesetz des Handelns in der Hand haben, und uns nicht nur durch jedes EU-Urteil vorschreiben lassen, welches Gesetz wir machen sollten.

Aber wir haben auf Sicht – auf Sicht, das ist richtig – jetzt Ruhe und können uns überlegen, wie wir die weitere Entwicklung gemeinsam gestalten. Ich bin aber zuversichtlich, dass dabei plausible und konsensfähige Lösungen möglich sein werden.

Es wurden noch handwerkliche Fehler angesprochen. Sie haben die Mitarbeiter gelobt. Sie sehen nicht so aus, als wenn sie handwerkliche Fehler machen würden. Machen sie auch nicht. Aber ich verstehe, warum man sich an den betreffenden Punkten noch einmal festhakt. Es gibt natürlich Regelungen in diesem Gesetz, die seltsam aussehen, und zwar aus folgendem Grund: Wir haben ursprünglich vorgehabt, das Gebührensystem zu verändern, auch im Sinne einer Kompensation für Ausfälle. Von diesem Vorhaben haben wir dann ganz abgesehen, damit uns nicht seitens der EU vorgeworfen wird, wir würden einen Umgehungstatbestand schaffen. Am Schluss hat man einfach alle Regeln so gelassen, wie sie waren.

Alle Punkte, die Sie angesprochen haben – zumindest zwei davon –, bezogen sich eigentlich auf die alten Regeln. Da gibt es Unterschiede zwischen badischen und württembergischen Notaren, es gibt privilegierte und nicht privilegierte Geschäfte. So war es früher, und so ist es auch jetzt noch.

Zum von Ihnen angesprochenen vorzeitigen Erbausgleich gibt es die Meinung von Gelehrten, dass ein solcher Tatbestand unter Umständen noch einmal vorkommen könnte. Deshalb haben wir ihn vorsichtshalber mit hineingeschrieben, an sich im Sinne der Notare. Das tut nicht weh, der Tatbestand kann aber – wir haben die Problematik schon

(Minister Dr. Goll)

gesehen – nach einer bestimmten Meinung doch noch einmal vorkommen.

Nun habe ich gehört, dass auch Sie, lieber Herr Oelmayer – die Koalition stimmt sowieso zu –, dem Gesetz zustimmen wollen. Das finde ich sehr nett. Auch der SPD wäre keine Krone herausgefallen, wenn sie zugestimmt hätte,

(Heiterkeit des Abg. Dr. Noll FDP/DVP – Abg. Oelmayer GRÜNE: Kein Zacken aus der Krone!)

und für den Notfall wäre immerhin noch Kollege Dr. Noll hier.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Ich bedanke mich für die Debatte und bitte, dem Gesetz die Zustimmung zu erteilen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

In der Allgemeinen Aussprache liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen daher in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 13/3965.

Abstimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Ständigen Ausschusses, Drucksache 13/4516.

Ich rufe auf

Artikel 1

Änderung des Landesjustizkostengesetzes

in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ständigen Ausschusses. Wer Artikel 1 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Bei zahlreichen Enthaltungen mit Mehrheit beschlossen.

Ich lasse über

Artikel 2

Änderung des Landesgesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit

in der Fassung der Beschlussempfehlung,

Artikel 3

Neubekanntmachung des Landesjustizkostengesetzes

und

Artikel 4

Schlussvorschriften

in der Fassung der Beschlussempfehlung abstimmen. Wer diesen Artikeln zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Mit Mehrheit bei zahlreichen Enthaltungen so beschlossen.

Die Einleitung

lautet: „Der Landtag hat am 27. Juli 2005 das folgende Gesetz beschlossen:“.

Die Überschrift

lautet: „Gesetz zur Änderung des Landesjustizkostengesetzes und des Landesgesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit“. – Sie stimmen der Überschrift zu.

Wir kommen zur

S c h l u s s a b s t i m m u n g

Wer dem Gesetz im Ganzen zustimmen möchte, den bitte ich, sich zu erheben. – Danke. Gegenprobe! – Danke. Enthaltungen? – Danke. Dem Gesetz wurde mehrheitlich zugestimmt.