Wie konnte es also dazu kommen? Ein Teil der Demonstran ten sagt: Wir sind das Volk. Manche geben dem Druck teil weise nach, nicht in der Frage des Projekts, aber auf dem Weg, wie man dorthin kommt. Wahr ist: Die meisten davon sind Bürger Baden-Württembergs – ja –, sie sind Teile des Volkes – aber sie sind nicht das Volk. Sie sind Teile des Volkes.
Ich respektiere jeden Bürger in Baden-Württemberg ob seiner Meinung, die er kundtun darf und auch kundtun soll. Das ist überhaupt keine Frage. Aber wenn Menschen meinen, der Volksdruck, der Sturm, der Druck der Straße – die Proteste
müssten sogar schärfer werden, hieß es am Freitag beim Auf ruf zur Demonstration, wohlgemerkt nach dem Donnerstag – könne und würde schon die Politik beeinflussen, dürfen wir uns dem, glaube ich, nicht hingeben.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Fried linde Gurr-Hirsch CDU: Jawohl! – Abg. Thomas Blenke CDU: Sehr gut!)
Deshalb meine ich: Sie, Kollege Kretschmann, sind auch po litisch ein Stück weit mitverantwortlich, dass manche der Gegner – vielleicht auch alle – auf falschen Vorstellungen be harren.
Sie haben in Ihrer Rede vorhin als einziges Argument – und das nicht einmal stimmig – die Kosten genannt.
Natürlich! – Verkehrsprojekte in Baden-Württemberg sind teuer. Ich sage sogar, sie sind teurer als anderswo, weil nir gendwo die Topografie so bewegt ist wie in unserem Land. Allein auf den 15 km, die mancher Grüne heute schon mit dem Hubschrauber bewältigen muss – –
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP sowie des Abg. Thomas Knapp SPD – Abg. Thomas Knapp SPD: Da hat er wahrscheinlich Bo nusmeilen verwendet! – Zurufe der Abg. Helmut Walter Rüeck, Klaus Herrmann und Thomas Blenke CDU)
Ich wollte nur sagen, dass allein auf den 15 km Wegstrecke Höhenunterschiede von 250 Höhenmetern zu bewältigen sind. Dass das nicht einfach ist, kann, glaube ich, jeder nachvoll ziehen. Das heißt, die Kosten für ein Projekt – egal, ob Auto bahn, Landstraße oder Schiene – werden bei uns immer hö her sein als anderswo.
Als Zweites kommt hinzu: Baden-Württemberg ist nahezu so dicht besiedelt wie Nordrhein-Westfalen – es ist das am zweit stärksten besiedelte Land in Deutschland überhaupt –, aber im Unterschied zu Nordrhein-Westfalen sind wir Gott sei Dank noch in allen Bereichen des Landes bevölkert und sind auch in den ländlichen Räumen noch relativ dicht besiedelt.
Dann führen Sie Kosten an. Ich meine, Ihre Argumentation ist schon etwas wackelig. Sie sagen nämlich einfach: Das, was berechnet wurde, stimmt nicht, und unsere empirischen Gut achten haben schon in etwa recht. Entschuldigung, bis Wend lingen ist diese Strecke baureif. Deshalb beginnen wir jetzt in Stuttgart. Bis Wendlingen ist die Strecke planfestgestellt. Ab Wendlingen laufen die Planfeststellungsverfahren in unter schiedlichen Stadien. Aber in den planfestgestellten Bereichen weiß jeder, wo welche Mauer wie zu sitzen hat. Da weiß je der, wo welcher Tunnel ist, wie die Lärmschutzwand errich tet werden muss etc. Das heißt, da gelten nicht mehr die Er fahrungswerte von irgendwo anders her, sondern da gelten die konkreten Kosten, die man dann eben auch ermitteln kann.
Dann stellen Sie sich hin und sagen: „Das alles stimmt nicht.“ Ich finde, Sie machen es sich ein bisschen einfach. Sie sagen: „Früher war es auch immer so: Alles ist teurer geworden als geplant.“ Mag ja sein. Durchschnittlich 2 % Inflation wird es auch in Zukunft geben. Da machen wir uns auch nichts vor. Das ist klar. Wir reden von den Baukosten, Stand heute.
Auch dort waren die Grünen dagegen. Wenn es ordentlich durchgerechnet ist, warum soll man es dann nicht machen?
Dann kommt aber ein Weiteres hinzu, Herr Kollege Kretsch mann: Zur Sache sagen Sie dann nichts mehr. Sie sagen nur, eine bessere ökologische Verknüpfung und das mit den Zü gen wäre anderswo auch machbar, und das könnte man auch mit dem Kopfbahnhof bekommen. Sie sagen aber nicht, dass die Durchbindung von Zügen gerade für die ältere Generati on eine ganz entscheidende Rolle spielt, wenn es nämlich um das Umsteigen geht, beispielsweise für den, der von Tübin gen nach Heilbronn fahren muss.
Natürlich! Frau Splett, auch Sie werden vielleicht irgend wann einmal – hoffentlich nicht – mit Krückstöcken oder Geh hilfen einen Kopfbahnhof wo auch immer bewältigen müs sen.
Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist einer der Vorteile eines Durchgangsbahnhofs. Aber das ist nicht der einzige Grund für den Neubau; das ist nur einer der Vorteile. Nein, Sie nennen darüber hinaus auch keine Alternativen.
Sie sagen nicht, was Sie wollen. Sie sagen lediglich, es müs se verkehrsmäßig besser werden. Nennen Sie uns doch eine der Alternativen! Wollen Sie die Strecke Wendlingen–Ulm? Wollen Sie eine Einbindung in das europäische Hochge schwindigkeitsnetz? Wollen Sie K 21 – so, wie viele der De monstranten?
Und welches K 21 wollen Sie? Wollen Sie die geständerte Form mit einer Stahlbrücke und darüber ratternden Hochge schwindigkeitszügen über den Köpfen der Cannstatter sowie der Ober- und Untertürkheimer?
Wollen Sie das? Nein, Sie sagen es nicht. Sie erwähnen nicht die Alternative, dass in Esslingen weitere Gleise am Neckar entlang mitten durch die Stadt gebaut werden müssten. Das ist doch die Wahrheit.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)
Zur Wahrhaftigkeit zähle ich eben auch, wenn man schon über Alternativen spricht, die Alternativen auch als solche zu be nennen. Dazu gehört auch, davon zu sprechen, dass Sie über haupt keine Finanzierung haben, dass Sie keine Planungen ha ben, nicht einmal ansatzweise. Vor allem, Herr Kretschmann, haben Sie niemanden, der baut. Es baut nämlich auch hier nicht das Land.
Auch hier baut nicht der Bund. Weder die Grünen bauen, noch die CDU baut. Es baut die Bahn. Die Bahn wird vielleicht den Kopfbahnhof, wie er jetzt ist, sanieren. Das ist in Ordnung.
Warum denn? Warum sollte sie auch? Entschuldigung, in 15 Jahren stünden wir wieder an einem Punkt, der entscheidungs reif wäre, und in 15 Jahren kämen dann die Cannstatter, die Obertürkheimer, die Untertürkheimer, die Esslinger
und die Filstäler, und sie würden uns mit Protesten über schwemmen. Sie würden uns sagen: „Das geht nicht.“ Und dann müssten wir wieder abbrechen.
Deshalb, Herr Kretschmann, ist es so, und weil es so ist, müs sen wir an diesem Projekt festhalten. Wir müssten es sogar tun, wenn es schlecht wäre. Aber es ist gut! Es ist ein gutes Projekt; es ist in allererster Linie – Herr Kretschmann, diesen Hinweis müssen Sie sich immer wieder gefallen lassen – ein ökologisches Projekt.
Bisher waren Ihnen in der Frage der Ökologie keine Kosten zu hoch. Da haben Sie nie nach Kosten gefragt. Ich bin der Meinung, wir müssen nicht nur viel für den Bereich Umwelt schutz tun, sondern auch viel investieren. Aber es muss auch effizient sein.
Welche Ihrer Antworten gilt denn jetzt? Sie sind gegen Kurz streckenflüge. Sie sind gegen Flugzeuge überhaupt. Trotzdem fliegen viele von Ihnen.
(Heiterkeit bei der CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Gegen die Flugzeuge schon, aber nicht gegen Hubschrauber!)
Sie sind gegen den Pkw-Bereich. Straßenbaumaßnahmen wer den auch hier in Stuttgart von den Grünen hinterfragt, von den Grünen im Zweifelsfall abgelehnt.