Protokoll der Sitzung vom 27.10.2010

Jetzt komme ich zum Thema Investitionen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Hm!)

Wir können ruhig über Stuttgart 21 reden, das ist nicht verbo ten. Im Streit um Stuttgart 21 geht es in Wirklichkeit um un terschiedliche Modernisierungsstrategien.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das kann man wohl sagen!)

Die Frage der Zukunft – die nehmen wir kraftvoll auf – lau tet:

(Oh-Rufe – Abg. Thomas Blenke CDU: „Kraftvoll“ stimmt nicht!)

Wie gestalten wir das Land unter der Maßgabe der demogra fischen Entwicklung, unter der Maßgabe, dass in der Verfas sung eine Schuldenbremse steht, unter der Maßgabe, dass da durch die Ressourcen knapper werden? Wir müssen ja zu aus geglichenen Haushalten kommen. Das Land darf ab dem Jahr 2010 keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Im Bund darf die Schuldenaufnahme ab dem Jahr 2016 nur noch etwa ein Zehntel der derzeitigen Schuldenaufnahme betragen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: 2010? 2020, nicht 2010! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Nicht korrigieren! Da ist er empfindlich!)

Ja, richtig: 2020. – Die entscheidende Frage lautet: Wie schaffen wir es, bei den knappen Ressourcen dort zu investie ren, wo es am notwendigsten ist? Darüber wird der Streit in der Zukunft gehen. Diesen Streit nehmen wir auf.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Veronika Netzham mer CDU: Das ist nichts Neues! – Zuruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU)

Wenn es um den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg und den Wirtschaftsstandort Deutschland geht, dann wird niemand bestreiten, dass die wirkliche europäische Magistrale

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

von den Häfen von Rotterdam und von Hamburg über unse re industriellen Kernzonen durch die Schweiz bis nach Ober italien zum Hafen von Genua geht.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das ist altes Denken! – Abg. Veronika Netzhammer CDU: Im Rheintal sind die Bewohner total euphorisch! – Gegenruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Warum wollen Sie die Rheintalbahn nicht? – Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Einfach zuhören! – Darüber, dass das eine europäische Tras se von überragender ökonomischer und ökologischer Bedeu tung ist, besteht Konsens; das bestreitet eigentlich überhaupt niemand.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Und jetzt? – Abg. Al brecht Fischer CDU: Dann dafür sein!)

Selbst die Bürgerinitiativen im Rheintal bestreiten die Not wendigkeit der Aufrüstung durch ein drittes und viertes Gleis nicht.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Aufrüstung?)

Dort geht es nur um die Linienführung;

(Abg. Claus Schmiedel SPD: „Nur“!)

denn die Leute müssen auch leben können und wollen nicht im Lärm untergehen.

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Genau!)

Aber dass dies notwendig ist, ist keine Frage und wird akzep tiert.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: So ist es! – Zuruf der Abg. Veronika Netzhammer CDU)

Sie konnten in einem Interview des Bundesverkehrsministers Ramsauer nachlesen: Die Strecke ist dramatisch unterfinan ziert. Wir haben Verträge mit der Schweiz. Bis 2020 müsste sie fertig sein.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

In der Schweiz wird die Strecke fertig, bei uns nicht – noch nicht einmal zu 25 % –, weil sie unterfinanziert ist.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das liegt doch nicht am Geld, sondern an der Planung! – Abg. Dr. Diet rich Birk CDU: Bis die Planung fertig ist, sind Sie wieder dagegen! – Weitere Zurufe)

Auch Sozialdemokraten sollten zuhören. – Die entscheiden de Frage ist: Wo erzielen wir die höchsten ökologischen und ökonomischen Effekte bei den knappen Mitteln, die wir ha ben?

(Zuruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU)

Die Bundeskanzlerin hat die Sache an sich gezogen und ge sagt, Stuttgart 21 sei ein europäisches Projekt. Aber sie hat nicht gesagt: „Wenn die Mittel nicht reichen, bekommt ihr vom Bund frisches Geld.“ Im Gegenteil: Sie hat Minister Ramsauers Etat noch einmal um 5 % gekürzt.

(Zuruf der Abg. Veronika Netzhammer CDU)

Ich will es noch einmal sagen: Es geht um etwas ganz ande res. Es geht nicht darum, wer verweigert und wer investiert,

(Beifall bei den Grünen – Abg. Veronika Netzham mer CDU: Genau darum geht es!)

sondern darum, wer die knappen Mittel an der richtigen Stel le investiert.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Die Stuttgart-21-Debatte führe ich jetzt nicht; die wird gera de in den Vermittlungsgesprächen geführt. Auch da geht es genau um die Frage unterschiedlicher Modernisierungsstrate gien, um die Frage: Wie erreiche ich mit den knappen Mitteln die besten Mobilitätseffekte im Netz? Darum wird gestritten. Es geht nicht um „Verweigerung oder Investition?“.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Es geht darum, Herr Ministerpräsident, wie wir es trotz der Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung schaffen, dort zu investieren, wo es unabdingbar notwendig und erforderlich ist, um die Quellen des Reichtums der Zukunft nicht zu un tergraben.

Da muss doch jeder ehrlicherweise sagen: Die FDP ist daran grandios gescheitert. Wenn man das Ziel hat, zu investieren und gleichzeitig die Haushalte zu konsolidieren, kann man keine Steuern senken. Das ist einfach nicht möglich.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Ach, Quatsch! – Zuruf von der FDP/DVP: Aber natürlich!)

In Wirklichkeit brauchen wir mehr Investitionsmittel, um die erforderlichen Aufgaben zu schultern. Betrachten wir einmal, was Schwarz-Gelb jetzt gerade bei der Steuerpolitik macht: Sie wollen weg von der Ökosteuer, anstatt vielleicht einzelne Härtefallregelungen für Industriebetriebe zu machen. Sie wol len die Ökosteuer pauschal oder doch weitgehend aussetzen und stattdessen die Tabaksteuer erhöhen. Die Tabaksteuer zu erhöhen ist natürlich immer gut, denn es nützt der Gesundheit – aber es nützt dem Staatshaushalt nur sehr wenig, wie unse re Erfahrung zeigt. Man sollte nicht glauben, dass man die entgangenen Einnahmen aus der Ökosteuer durch die Erhö hung der Tabaksteuer wieder hereinholt. Das ist ein Märchen. Das wird sich nicht erfüllen. Das zeigt Ihre ganze Hilflosig keit in der Steuerpolitik, die darauf zurückzuführen ist, dass Ihnen ein klares ordnungspolitisches Denken fehlt und Sie nicht wissen, wo Sie Lenkungseffekte erzielen müssten. Dies zeigt sich an der aktuellen Debatte.

(Beifall bei den Grünen)

Herr Ministerpräsident Mappus, es geht darum: Investieren wir in die dynamischen Sektoren der Volkswirtschaft? Haben wir das vor Augen?

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Oder wollen wir die Altindustrien retten, so, wie Sie das tun, indem Sie die Laufzeit von Atomkraftwerken verlängern,

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Ist die Automo bilindustrie eine Altindustrie?)

so, als könnten wir abgeschriebene Atomkraftwerke exportie ren?

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sie wollen doch die Laufzeiten von Bahnhöfen verlängern!)

Die ganze Dynamik findet bei den regenerativen Energien statt.

(Zuruf des Abg. Winfried Scheuermann CDU)