Protokoll der Sitzung vom 25.11.2010

Die Verfassungslage ist ganz eindeutig. Wir haben sie begut achten lassen. Nach Artikel 104 a des Grundgesetzes sind Land und Bund für die Finanzierung ihrer jeweiligen Aufga ben gesondert zuständig. Das steht da klar drin. In Ihrem An trag geben Sie dies auch zu. Deswegen sind die Bahn und der Bund verpflichtet, Trassen so zu planen, so umzusetzen, dass sie umwelt- und menschenfreundlich sind.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Und wenn sie es nicht machen?)

Das Land kann sich darüber hinaus durchaus an passiven Lärmschutzmaßnahmen beteiligen, wenn sie über die vorge schriebenen gesetzlichen Regelungen hinausgehen. Aber die Trassenführung selbst ist Aufgabe der Bahn und des Bundes. Sie müssen sie auch bezahlen. Dazu haben die Grünen – wie gesagt – im Bundestag Haushaltsanträge eingebracht. Diese haben Ihre Bundestagsfraktionen abgelehnt.

(Beifall bei den Grünen)

Wir haben uns immer für die Bekämpfung des Lärms an der Quelle eingesetzt. Wir haben schon auf unserem Parteitag ein EU-weites Umrüstungsprogramm für das rollende Material gefordert,

(Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

damit der Lärm an der Quelle bekämpft wird. Das ist nämlich die wirksamste Maßnahme.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das wird doch schon gemacht!)

Zweitens: Schon damals auf dem Parteitag haben sich alle für lärmabhängige Trassengebühren eingesetzt. Auch dies ist ei ne Maßnahme, um den Lärm an der Quelle zu bekämpfen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Peter Hauk CDU: Das war rechtzeitig, als Sie in der Opposition waren! – Abg. Gundolf Fleischer CDU: In der Regierungsver antwortung haben Sie alles abgelehnt! – Gegenruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das stimmt überhaupt nicht! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Aber natürlich!)

Drittens: Wir haben schon zu rot-grünen Zeiten Anträge in Richtung des damaligen Bundesverkehrsministers Tiefensee gestellt und darin gefordert, dass der Schienenbonus für sol che Güterverkehrsstrecken geändert wird. Schon damals hat er es abgelehnt. Dazu ist bisher nichts geschehen. Es ist klar, dass der Schienenbonus für Güterverkehrsstrecken, an denen enormer Lärm entsteht, natürlich unsinnig ist, so sinnvoll er auch für eine ganz normale Schienenstrecke ist. Deshalb muss dieser Schienenbonus geändert werden.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Lärm ist Lärm!)

Unsere Position ist hier ganz klar und deutlich. Wir haben uns immer auf allen Ebenen – nach den rechtlichen Möglichkei ten – für eine menschenfreundliche Trassenführung, für Lärm schutz und Lärmbekämpfung an der Quelle eingesetzt.

(Abg. Peter Hauk CDU: Aber immer zu spät, Herr Kretschmann! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Ja, dann könnt ihr gleich zustimmen! – Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Dazu stehen wir auch. Das werden wir auch in Zukunft wei ter vorantreiben.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Aber da habe ich auch einen Lärmschutz ge braucht! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Stimmen Sie jetzt zu oder nicht?)

Ich erteile Herrn Abg. Bachmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD fordert von uns heute ein klares Bekenntnis zu Baden 21. Dieses werden wir – die Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP/DVP – später in der namentlichen Abstimmung ablegen. Aber ich möchte für unsere Fraktion noch einmal klipp und klar ergän zen: Von Anfang an haben wir zu diesem Projekt gestanden. Wir stehen nicht erst seit heute dazu.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: So ist es!)

Wir waren auch die Ersten, die gemeinsam mit der IG BOHR für eine menschen- und umweltfreundliche Trasse eingetre ten sind. Die IG BOHR ist übrigens eine typische Jasagerin itiative, die, wie Herr Kollege Fleischer schon gesagt hat, kon struktive Vorschläge zur Verbesserung von Projekten vorlegt. Es ist klar, dass eine solche Initiative gern mit der Koalition zusammenarbeitet. Ganz anders die Parkschützer bei Stutt gart 21: Das ist eben die klassische „Dagegen-Initiative“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns ist es wichtig, Verkehrs projekte menschen- und umweltfreundlich zu gestalten. Für die Rheintalbahn heißt dies konkret: Wir brauchen an etlichen Streckenabschnitten mehr Lärmschutz. Wir brauchen eine Lärmbündelung entlang der Autobahn und ergänzend zum Schutz der dortigen Anwohner einen umfassenden Schutz vor dem kombinierten Bahn- und Autolärm, und wir brauchen ei ne Einhausung von Streckenabschnitten, also z. B. in Offen burg einen Tunnel.

Was für Württemberg recht ist, muss für Baden billig sein.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Das ist jetzt der fal sche Begriff!)

Apropos billig: Menschen- und umweltfreundliche Lösungen sind nie billig. Deswegen scheuen wir auch Mehrkosten bei Bahnprojekten nicht. Uns sind die Menschen eben lieb und teuer.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es! Und den Grünen sind sie egal!)

Kollege Kretschmann, ganz anders die Grünen mit ihrem neu esten Gutachten: Sie wollen doch dem Land verbieten,

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Die Verfas sung verbietet es!)

bei Bahnprojekten Geld in die Hand zu nehmen.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Lesen Sie einmal die Verfassung! – Abg. Peter Hauk CDU: Das ist eine ganz neue Form der Rechtstreue, die die Grü nen entwickeln!)

Denn wer die Verfassung bei Stuttgart 21 bemüht, muss wis sen, dass er damit bei Baden 21 den Lärmschutz boykottiert.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Verfassungsrechtlich, habe ich mir sagen lassen, steht der grü ne Gutachter wie immer ganz allein da. Das ist wie bei Vier egg-Rößler bei Stuttgart 21: ein Gutachter bei den Grünen, al le anderen bei uns.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Das sind ja auch noch nicht einmal Ingenieure, die etwas da von verstehen.

Hier ist es genauso. Der Justizminister hat noch einmal versi chert, dass die herrschende Meinung – das ist jahrelang ge prüft worden – davon ausgeht, dass man Bahnprojekte im In teresse der Menschen mit Landes- und kommunalem Geld verbessern darf. Andernfalls hätte die Landesregierung die Verträge doch gar nicht unterzeichnet. Das entspricht auch der bundesweit gängigen Praxis, und das entspricht einem ver nünftigen Verständnis von Föderalismus. Herr Kretschmann, Sie waren doch in der Föderalismuskommission. Die Zustän digkeiten sollen nahe bei den Menschen vor Ort bleiben. Das geht nur, wenn man dort auch Projekte verbessern und über einen bundesweiten Standard hinaus ergänzen darf. Andern falls macht das alles gar keinen Sinn.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es!)

Dasselbe gilt übrigens auch für Stuttgart 21. Das ist doch wie der grüne Dialektik. Im Rheintal sind Sie wahrscheinlich auch für Tunnel. Da ist es dann vernünftig, einen Tunnel zu bauen. Hier macht es Ihnen überhaupt nichts aus, wenn in Esslingen, in Plochingen, in Stuttgart-Obertürkheim und in Stuttgart-Un tertürkheim

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Im ganzen Filstal!)

die Menschen weiter einer ungeheuren Lärmbelastung ausge setzt bleiben, weil Sie das Projekt ablehnen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Im Rheintal soll es dann schlechter Lärm sein; da wollen Sie etwas machen. Aber der Kopfbahnhof in Stuttgart verlärmt die gesamte Innenstadt. Das ist dann plötzlich guter Lärm. Das ist doch typisch grüne Dialektik.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Ha gen Kluck FDP/DVP: So ist es! – Widerspruch des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE)

Deswegen: Wer verbieten will, bei Bahnprojekten für einen besseren Schutz von Mensch und Umwelt zusätzliches Geld zu investieren, betreibt eine Politik zulasten von Mensch und Umwelt. Das ist ein Schlag ins Gesicht derer, die sich für kon struktive Lösungen bei neuen Verkehrswegen einsetzen.

Deshalb braucht dieses Land auch in den kommenden Jahren statt der „Dagegen-Politik“ der Grünen eine „Dafür-Politik“ unserer Koalition.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Ha gen Kluck FDP/DVP: Jawohl!)

Für die Landesregierung erteile ich der Ministerin für Umwelt, Naturschutz und Verkehr, Frau Mi nisterin Gönner, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin dem Landtag sehr dankbar dafür, dass wir in der heutigen Debatte das Thema Rheintalbahn in dieser Deut lichkeit besprechen und dass damit auch die Gelegenheit ge geben ist, noch einmal die, wie ich finde, eindeutige Positio nierung der Landesregierung darzustellen.

Die Position der Landesregierung zum viergleisigen Ausbau der Rheintalbahn ist eindeutig. Die verkehrliche Wirkung ist aus mehreren Gründen unumstritten: Zum einen wollen wir, dass der Güterverkehr auf den umweltfreundlichen Verkehrs träger Schiene gebracht wird, und darüber hinaus können wir durch die erweiterten Möglichkeiten für den Personennah- und -fernverkehr die Schaffung neuer Kapazitäten und Ent wicklungsspielräume voranbringen.

Wir haben dabei aber auch stets eine Planung verlangt, die in der gebotenen Weise Rücksicht auf Mensch und Umwelt nimmt. Land und Region fordern gemeinsam, Hand in Hand, substanzielle Verbesserungen der Bahnplanung. Das Thema Lärmschutz spielt dabei eine zentrale Rolle. Wir haben erst gestern hier über das Thema Lärmschutz diskutiert. Auch da

stellte man schon fest, dass die Grünen gern mit zweierlei Maß messen.