Protokoll der Sitzung vom 15.12.2010

Mir und den Menschen hier geht die Schlichtung am Arsch vorbei.

Meine Damen und Herren, deutlicher kann man bei den Geg nern die Enttäuschung über den Ausgang der Schlichtung nicht zum Ausdruck bringen, und deutlicher kann man die Ab lehnung des Schlichterspruchs nicht zum Ausdruck bringen. Ich sage dazu nur: Glaubwürdigkeit von jemandem, der die Schlichtung und den Schlichter vorgeschlagen hat, kann man so eigentlich nicht zum Ausdruck bringen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, Herr Geißler hat Stuttgart 21 den Vorzug vor K 21 gegeben mit der Begründung: Für K 21 gibt es bis jetzt keine Pläne. Für K 21 kann es deswegen auch kei ne Finanzierung geben. Wir brauchten mindestens zehn Jah re, bis wir für K 21 ein Baurecht bekämen; und K 21 – das hat Ihnen überhaupt noch niemand richtig klargemacht – würde Bauen unter Verkehr bedeuten.

Der Anspruch der Gegner des Projekts Stuttgart 21 heißt K 21. Die Wirklichkeit bedeutet: S 21 ist besser und günstiger als K 21.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP sowie der Abg. Wolfgang Drexler und Johan nes Stober SPD)

Meine Damen und Herren, ich habe es jetzt schon kurz ange sprochen: Die Wirtschaftsprüfer haben in der Schlichtung die Kostenprognose der Deutschen Bahn für plausibel, aber auch für risikobehaftet erklärt. Dass man bei solch großen Projek ten wie Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm die Kosten nicht auf Euro und Cent vorhersehen kann, bevor der Bau losgeht, ist eine pure Selbstverständlichkeit. Die Kos ten sind also plausibel, aber risikobehaftet.

Trotz allem hörten aber die Gegner nicht auf zu sagen: „Stutt gart 21 ist ganz einfach zu teuer.“ Dazu muss man jetzt ein mal ein paar Sätze sagen dürfen: Bei Stuttgart 21 und der Neu baustrecke Wendlingen–Ulm beträgt der Stand der Kosten im Moment 7 Milliarden €. Von diesen 7 Milliarden € sind 1,5 Milliarden € Mittel aus Baden-Württemberg. 5,5 Milliarden € – so darf ich sagen –, was Bahninvestitionen betrifft, bekommt Baden-Württemberg nach Jahren von der Bahn und dem Bund geschenkt.

(Zuruf des Abg. Rainer Stickelberger SPD)

Jetzt machen wir solch einen Eiertanz, wenn uns einmal in ei nem Schaltjahr oder nach zwei Schaltjahren etwas geschenkt wird, und wir sagen: „Für ein solches Geschenk sind wir zu vornehm und zu edel. Das nehmen wir nicht an.“ Meine Da men und Herren, Sie können von uns als Befürwortern viel verlangen, aber dass wir in eine solche Politik einstimmen, können Sie wirklich nicht verlangen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD – Abg. Jörg Döpper CDU: Nie und nimmer! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

1,5 Milliarden € entsprechen bei einem Bruttoinlandsprodukt von derzeit 340 Milliarden € im Jahr in Baden-Württemberg nicht einmal 0,5 % davon. Ein Anteil des Landes von 1,5 Mil liarden € entspricht nicht einmal einer Jahresrate, die BadenWürttemberg in den Länderfinanzausgleich einzahlt.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut! – Abg. Win fried Kretschmann GRÜNE: Das hängt aber in kei ner Weise zusammen! – Zuruf des Abg. Jörg Döpper CDU)

Ich sehe überhaupt nicht ein, dass wir uns deswegen schämen sollten.

Nun wird von den Gegnern gesagt: „Dieses Geld könnte man für andere Strecken in Baden-Württemberg besser und nütz licher anlegen.“ Dazu muss man jetzt auch einmal ein klares Wort sagen.

Erstens: Die 5,5 Milliarden € stehen uns nicht zur Verfügung, wenn wir morgen auf Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm verzichten.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

Zweitens: Eine wichtige Investition – ich glaube, das ist der letzte Punkt, bei dem sich Gegner und Befürworter noch ei nig sind –, die aber nicht wir Baden-Württemberger vorzu nehmen haben, ist abgesehen von Stuttgart 21 und der Neu baustrecke Wendlingen–Ulm die in das dritte und vierte Gleis am Oberrhein.

Dort, wo wir für das dritte und vierte Gleis das Baurecht ha ben, wird gebaut oder ist gebaut worden. Ich darf nur einmal daran erinnern,

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Rastatter Tunnel!)

dass wir in der letzten Woche die Brücke bei Kehl eingeweiht haben. Ich darf daran erinnern, dass es für die Strecke Katzen

bergtunnel–Basel eine Finanzierungsvereinbarung über 400 Millionen € zwischen der Bahn und dem Bund gibt. Dort kann und wird gebaut werden.

Im Übrigen: In der letzten Plenarsitzung haben es die Grünen, die zu den Parteigängern der Gegner von Stuttgart 21 zählen, einmütig abgelehnt, dass das Land einen Anteil für die Ver besserung der Pläne beim dritten und vierten Gleis bezahlt.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl!)

Dann tun Sie nicht so, als ob wir den Bau des dritten und vier ten Gleises torpedieren würden.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, dieser Sachverhalt wird auch nicht dadurch besser, dass sich heute der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Baden, Fischer, dazu geäußert hat.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Fischer, bleib bei dei nem Leisten!)

Bischof Fischer soll uns einfach einmal nachweisen, wo wir mangels Geld nicht bauen, obwohl wir ein Baurecht haben. Dann wird ein Schuh daraus.

(Abg. Claus Schmiedel SPD und Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Rastatter Tunnel!)

Langsam! Beim Rastatter Tunnel besteht kein Baurecht. Ich habe mir gestern von der Verkehrsministerin sagen lassen, dass man gerade dabei ist, die relativ alten Pläne zu aktuali sieren.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Der Graben ist schon da!)

Man wird noch einmal in ein verkürztes Planfeststellungsver fahren gehen müssen. Wir haben kein Baurecht für den Rastat ter Tunnel.

(Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE: Aber wir hatten das schon!)

Es wird nicht besser, Frau Splett, wenn Sie schreien.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr richtig! – Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE: Ich will nur, dass Sie mich hören!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch einen Gesichtspunkt zum Thema „Anspruch und Wirk lichkeit“ anführen. Der Anspruch der Gegner war immer: „Wir sind in der Mehrheit. Ihr könnt reden, was ihr wollt.“ Jetzt will ich einmal sagen: Seit der Schlichtung gibt es ja nicht nur ei ne, sondern mehrere Umfragen, wie die Haltung der BadenWürttemberger zu Stuttgart 21 ist. In all diesen Umfragen gibt es eine spürbare Mehrheit für Stuttgart 21.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD)

Ihr Anspruch heißt: Es gibt dafür keine Mehrheit. Umfragen, nach denen Sie sonst auch so gern schielen, besagen aber ganz eindeutig: Es gibt eine Mehrheit für Stuttgart 21.

Nun lassen Sie mich noch etwas zu den Demonstranten sa gen, die wöchentlich auf die Straße gehen. All diese werden immer als Demonstranten gegen Stuttgart 21 „vereinnahmt“. Wenn ich davon aber einmal die Zahl derer abziehe, die aus einem Ohnmachtsgefühl gegenüber der Politik demonstrie ren,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Und der Wirtschaft!)

weil es nun gerade schick ist, in Stuttgart zu demonstrieren, dann sieht es mit den vielen Tausend gegen Stuttgart 21 auch anders aus.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: 700 km fah ren die mit dem Bus! – Zuruf des Abg. Helmut Wal ter Rüeck CDU)

Wer aus Berlin, aus Hamburg und weiß Gott woher angekarrt wird, der weiß nicht einmal, was Stuttgart 21 ist.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Der demonstriert hier – ich sage es noch einmal – aus einem Ohnmachtsgefühl gegen die Politik, aber nicht gegen die ba den-württembergische Verkehrspolitik.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es! – Zurufe der Abg. Dr. Gisela Splett und Brigitte Lösch GRÜNE)

Meine Damen und Herren, der Schlichter hat uns recht gege ben. Seit Neuestem gibt es eine deutliche Mehrheit für Stutt gart 21. Deswegen appelliere ich von hier aus im Namen der Befürworter an die Bahn als Bauherr, jetzt endlich im vorge sehenen Tempo die Baumaßnahmen fortzusetzen. Begonnen sind sie ja schon.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie des Abg. Wolfgang Drexler SPD – Abg. Albrecht Fischer CDU: Sehr richtig! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Bravo! Wir wollen einen Tunnel sehen!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schmiedel.