Protokoll der Sitzung vom 16.12.2010

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Her ren! Doch, Herr Mentrup, es gibt Gründe – auch wenn Sie sich das nicht vorstellen können –, Ihren Gesetzentwurf abzuleh nen.

Die Zahl, die Sie hier nennen, nämlich dass 17 % der Kinder, die eine Gymnasialempfehlung haben, von ihren Eltern dann nicht aufs Gymnasium geschickt werden, ist mit Blick auf das G 8 nicht belastbar. Wenn Sie in den Bildungsbericht schau en, der uns vor anderthalb Jahren auf den Tisch gelegt wor den ist, und die Entwicklung in früheren Jahren anschauen, dann sehen Sie, dass diese Zahl schon immer in dieser Grö ßenordnung lag. Hier spielt G 8 keine deutliche Rolle.

Dann frage ich Sie ähnlich wie Frau Vossschulte: Was wollen Sie eigentlich? Sie wollten bei der letzten Plenardebatte vor drei Wochen einen gesetzlichen Anspruch der Abgänger aus der Realschule auf einen Platz am beruflichen Gymnasium durchsetzen. Da hatten Sie die beruflichen Gymnasien im Fo kus. Jetzt fokussieren Sie sich aus durchsichtigen wahltakti schen Gründen wieder auf das G 8.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sehr richtig! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das eine schließt doch das andere nicht aus!)

Jetzt sollen die Kinder vor allem dort ihre Potenziale entwi ckeln können. Was wollen Sie denn nun eigentlich?

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Unruhe stiften! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das wissen die selbst nicht!)

Beides ist nicht bezahlbar. Wenn Sie uns sagen, wie diese Doppelstruktur finanziert werden soll, dann ist das ein verlo ckender Gedanke. Aber da brauchen wir Hinweise, wie das alles bezahlt werden soll.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Wer hat Ihnen denn diesen Unfug eingeredet?)

Meine Damen und Herren, es gibt Probleme mit G 8. Hoffent lich wird es sie nicht weiter geben. Wir nehmen diese Proble me zur Kenntnis, und wir nehmen sie auch ernst.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das merken wir! Das ist doch lächerlich!)

Wir begrüßen es sehr, dass sich die Frau Kulturministerin die sem Problem deutlich zugewandt hat und hier Lösungen vor schlägt und dass auch vonseiten des Kultusministeriums die se Problematik verstärkt aufgegriffen wird. So soll es z. B. in Zukunft jährliche Gespräche mit jedem Gymnasium geben. Diese Vorgehensweise begrüßen wir sehr, denn da ist mögli cherweise in der Vergangenheit zu wenig getan worden.

(Beifall des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP – Abg. Al brecht Fischer CDU: Gute Frau!)

Auch die weiteren Entlastungen in der Unterstufe – ich will sie jetzt nicht weiter ausführen; Frau Dr. Schick wird sie si cher noch näher erläutern – halten wir grundsätzlich für rich tig. Aber an dieser Stelle möchte ich schon davor warnen: Wir dürfen die organisatorischen und pädagogischen Freiheiten nicht zu sehr einschränken, die wir unseren Schulen an dieser Stelle bisher gegeben haben.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr richtig!)

Ich denke, da müssen wir ein bisschen aufpassen.

Wie gesagt, wir wollen keine parallelen Strukturen, weil wir einfach die Mittel dafür nicht haben. Für uns ist es wichtig, dass wir das Gymnasium G 9, das wir noch immer haben, nämlich die beruflichen Gymnasien – das ist ja nach wie vor ein neunjähriger Bildungsgang –, stärker ausbauen als bisher. Wir sind sehr froh, dass es hier jetzt 100 neue Klassen geben wird und auch für die Zukunft ein weiterer bedarfsgerechter Ausbau vorgesehen ist. Diesen Weg gehen wir natürlich voll und ganz mit.

Meine Damen und Herren, abschließend noch einige wenige Zahlen. Die beruflichen Gymnasien gibt es in der Bundesre publik nur in Baden-Württemberg und in Sachsen. Sie sind ein ganz wichtiges Integrationsinstrument, vielleicht sogar das wichtigste, das wir haben.

(Beifall des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP – Gegen ruf der Abg. Ursula Haußmann SPD: Nicht wegen je dem Käse klatschen!)

Der Ausländeranteil an den beruflichen Oberschulen und an unseren beruflichen Gymnasien – wie gesagt: Ausländer; lei der werden die Kinder mit Migrationshintergrund nicht sta tistisch erfasst – ist doppelt so hoch wie an unseren normalen Gymnasien. Da zeichnet sich das schon ab.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Aber auch dort sind sie unterrepräsentiert!)

Noch zwei andere Zahlen, dann bin ich fertig. 30 % der Abi turienten kommen über unsere beruflichen Schulen. Wenn man die Fachhochschulreife noch dazunimmt, haben 50 % der jungen Menschen in unserem Land ihre Hochschulzugangs berechtigung über die beruflichen Schulen erworben.

Diesen Weg wollen wir verstärkt weitergehen, weil er aus un serer Sicht viel zielführender ist

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Was machen Sie mit den Kindern auf den Gymnasien?)

als diese Zickzackpolitik, die Sie von der SPD hier machen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich der Ministerin für Kultus, Jugend und Sport Professorin Dr. Marion Schick.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist bald Weihnachten, und zu Weihnachten ist anscheinend nichts un möglich. Lieber Herr Abg. Mentrup, dass Sie uns zu Weih nachten sogar einen „neunjährigen G-8-Zug“ schenken wol len – so haben Sie es vorhin ausgedrückt –, das hatte ich in der heutigen Aussprache allerdings nicht erwartet. Vielen Dank dafür.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Aber das war sicherlich nur ein Versprecher. Diese Bildungs art ist mir nämlich noch gar nicht bekannt.

Zum Gesetzentwurf der SPD und zu diesem Weihnachtsge schenk für Eltern und Schüler, das Sie darin verpacken möch ten: Manchmal sind Geschenke gar nicht so willkommen, ver ehrter Herr Abg. Mentrup.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Reden Sie einmal mit den Eltern! – Abg. Helen Heberer SPD: Die Welt der Mythen und Fabeln!)

Ich darf in diesem Zusammenhang den Vorsitzenden des Lan deselternbeirats, Herrn Christian Bucksch, zitieren, der am 9. Dezember dieses Jahres zu Ihrer Idee für eine Lösungsmög lichkeit Folgendes sagte:

Die vorgeschlagene Wahlmöglichkeit ist zu kurz gesprun gen. Denn man lässt mit dieser Möglichkeit die Schulen außer Acht, die schon ein gut funktionierendes G-8-Mo dell für sich entwickelt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es!)

Vielleicht möchten Sie lieber eine Stellungnahme von Schü lerseite hören. Der Vorsitzende des Landesschülerbeirats, Paul Stritt, hat im Oktober zur Frage einer Parallelführung von G 8 und G 9 gesagt – ich zitiere –:

Davon halte ich nichts. G 8 richtig umzusetzen bedeutet für die Lehrer viel Arbeit. Ihnen würde man damit in den Rücken fallen. Man darf nicht an den alten Lehrplänen kleben, sondern muss den neuen Bildungsplan umsetzen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Das wäre wichtiger, als immer nur zur sagen: „Früher war alles besser.“

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Sehr gut!)

Die Schüler sind doch manchmal, was Weitblick, Klarblick und Durchblick betrifft, beneidenswert weit. Aber sie sind auch in einem hervorragenden Bildungssystem untergebracht, nämlich in Baden-Württemberg. Das ist also vielleicht doch nicht ganz überraschend.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: So ist es! – Abg. Ursula Hauß mann SPD: Oje! – Abg. Katrin Altpeter SPD: Es ist so schlecht und so flach!)

Der Wunsch, mit dieser Parallelführung einen Sturm der Be teiligung zu erreichen, ist zu einem sehr lauen Lüftlein abge flaut. In Nordrhein-Westfalen hat man versucht, dieses Ge schenk zu machen. Frau Abg. Vossschulte hat darauf hinge wiesen, dass in Nordrhein-Westfalen erst zwei Anträge hier für vorliegen, und das nach einer mehrwöchigen, monatelan gen Phase,

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Zweieinhalb Mona te!)

in der die Schulen die Möglichkeit hatten, dies zu beantragen. Dafür, dass es dort niemand haben will, gibt es sicherlich vie le Gründe.

Lassen Sie uns aber nun einen Blick in Ihre Gesetzesinitiati ve werfen. Dort heißt es, es entstünden für die öffentlichen Haushalte keine Kosten. Ich muss hierzu gar nicht inhaltlich Stellung nehmen und beurteilen, ob dies nun stimmt oder nicht. Die SPD ist sich in dieser Sache anscheinend selbst nicht ganz einig. Ich bin etwas irritiert. In der Onlineausgabe des „Schwarzwälder Boten“ vom 3. Dezember dieses Jahres musste ich lesen, Abg. Zeller von der SPD-Fraktion

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Der ist heute gar nicht da!)

habe gesagt – ich zitiere –,

dass es eine Wahlmöglichkeit geben müsse, ob Schüler ihr Abitur in acht... oder neun Jahren... machen wollen. Er vermute, dass die meisten Eltern G 9 wählen würden.

Jetzt kommt es:

Dann müssten vom Land allerdings 700 zusätzliche Lehrerdeputate zur Verfügung gestellt werden.