Protokoll der Sitzung vom 08.11.2006

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: 90 % der CO2- Emissionen stammen aus den Industrieländern!)

Das wird dann immer so dargestellt: Selbst wenn es technisch gelingen würde, sämtliche CO2-Emissionen, die es in Deutschland gibt, auf null zurückzufahren, könnte man damit weltweit nur 3 % der CO2-Emissionen beseitigen. Das ist eine Milchmädchenrechnung, die ich so nicht teile.

(Zuruf des Abg. Thomas Knapp SPD)

Ich glaube auch, dass die Konsequenz aus all diesen Zahlen – jetzt lassen Sie mich doch einmal ausreden, Herr Knapp – nur darin bestehen kann, dass wir in zwei Bereichen, die ich jetzt auch nennen will, eindeutig einen Zahn zulegen müssen.

Der erste Bereich ist die Energieeffizienz. Es gibt kein größeres und kein wirksameres Kraftwerk als die Energieeinsparung. Das ist der größte Bereich.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD)

Ich komme Punkt für Punkt darauf zurück. Lassen Sie mich bitte ausreden.

Der zweite Punkt: die Entwicklung beim Einsatz regenerativer Energien. Völlig einverstanden. Wir sind im Augenblick bei einem Anteil von 8,5 % und haben uns für das Jahr 2010 vorgenommen, bei 11,5 % zu landen. Das können wir auch schaffen; da bin ich ganz sicher. Wir haben ja noch drei Jahre Zeit.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Der Bund ist dann schon bei 15 %!)

Aber selbst wenn wir im Jahr 2010 diese 11,5 % schaffen und auch das schaffen, was in der Koalitionsvereinbarung steht – 20 % im Jahr 2020 –, stellt sich noch die Frage: Woher kommen die anderen 80 %?

Ich gehe noch einen Schritt weiter: Selbst wenn ich davon ausgehe, dass die Energieeffizienz noch eingerechnet werden muss, sagt mir Herr Gabriel

(Abg. Thomas Knapp SPD: Guter Mann!)

ein guter Mann; er sagt die Wahrheit –

(Abg. Thomas Knapp SPD: Deshalb ist er ja ein guter Mann!)

jetzt lassen Sie mich das doch einmal ausführen –, dass in der Zukunft, in den nächsten Jahren, auch bei einem Anteil der regenerativen Energien von 20 % und wenn man die Möglichkeiten der Energieeffizienz ausgenutzt hat, 75 % der gesamten Stromproduktion aus fossilen Energieträgern gewonnen werden müssen. Fossile Energieträger, das heißt z. B. Kohle, zu 75 %. Das ist eine klimaschutzpolitische Bankrotterklärung, wie sie schlimmer nicht sein kann, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Franz Untersteller GRÜNE meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke des Präsidenten)

Keine Zwischenfragen jetzt.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Bei Ihnen wären es 90 %! Das wäre der Super-GAU!)

Jetzt passen Sie auf. – Deshalb hat die Internationale Energieagentur natürlich schon recht,

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Fossil ist doch nicht fossil! Da kommt es auf den Wirkungsgrad an!)

wenn sie sagt: Der erste Punkt muss lauten, die Energieeffizienz zu steigern. Der zweite Punkt ist der verstärkte Einsatz regenerativer Energien. Aber der dritte Punkt heißt: Wir können auf absehbare Zeit nicht auf die Atomkraft verzichten, meine Damen und Herren,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Genau! – Beifall des Abg. Karl Zimmermann CDU)

auch unter klimaschutzpolitischen Gesichtspunkten. Das ist der Punkt, um den es geht.

Deshalb, Herr Knapp, lautet die Alternative nicht – diesen Fehler machen Sie immer –: entweder regenerativ oder Kernenergie. Entscheidend ist, dass wir für einen bestimm

(Minister Ernst Pfister)

ten Zeitraum, den ich jetzt gar nicht näher bestimmen will, beides brauchen, um im Sinne kommunizierender Röhren den Anteil der regenerativen Energien bis 2050 zu steigern und in dem gleichen Zeitraum den Anteil der Kernenergie zu senken. Das muss die Zielsetzung sein, weil das der einzige Weg ist, um auf Kohle und auf andere fossile Energieträger verzichten zu können. Wer etwas für das Klima tun will, der muss viel für regenerative Energien tun,

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Der muss das ef- fizient einsetzen!)

und er muss viel für Energieeffizienz tun. Aber er wird, wenn er die klimaschutzpolitischen Ziele erreichen will, weltweit auf absehbare Zeit nicht auf Atomkraft verzichten können. Das sage ich noch einmal in aller Deutlichkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Wir wis- sen nicht einmal, wo wir das endlagern sollen!)

Jetzt gehen wir doch einmal ans Eingemachte. Da wir in der Frage der Kernenergie nicht zusammenkommen – das ist auch nicht schlimm; ich habe Ihnen meine Meinung gesagt, ich kenne Ihre Meinung, und wir werden diese Frage in Baden-Württemberg sowieso nicht selbst entscheiden; das machen andere in Berlin –, lassen wir das doch einfach einmal offen. Unabhängig von dieser Frage bin ich mit Ihnen völlig einer Meinung, dass wir den Anteil der regenerativen Energien steigern müssen. Welche Möglichkeiten haben wir hierfür?

Der wichtigste Bereich in Baden-Württemberg – das passt eben zu Baden-Württemberg – ist die Wasserkraft. Das ist unumstritten. Bei der Wasserkraft wird es so sein, dass wir deren Anteil noch im Jahr 2010 durch die entsprechenden großen Wasserkraftanlagen – Rheinfelden und andere; Sie haben sie genannt – um einen Prozentpunkt – nicht um 1 %, sondern um einen Prozentpunkt – steigern können. Das ist schon einmal etwas; das ist nicht wenig, denn es handelt sich um 800 bis 1 000 Millionen Kilowattstunden, die da hinzukommen. Also werden wir bei der Wasserkraft einen deutlichen Schritt nach vorn machen, auch im Hinblick auf das Ziel, den Anteil der regenerativen Energien an der Bruttostromerzeugung bis zum Jahr 2010 auf 11,5 % zu erhöhen.

Zweiter Punkt: Was die kleinen Wasserkraftwerke angeht, so brauchen wir diese auch. Wir haben über 1 000 kleinere Wasserkraftwerke in Baden-Württemberg. Diese brauchen wir selbstverständlich auch. Es ist doch nicht so, dass wir sie abgelehnt hätten. 93 % – ich sage es noch einmal – aller Anträge auf Genehmigung von kleinen Wasserkraftwerken sind vom Wirtschaftsministerium, von der Landesregierung positiv verbeschieden worden, und nur 7 % aller Anträge sind abgelehnt worden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die bauen wir auch noch!)

Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren. Die werden in der Bilanz im Verhältnis nicht besonders viel beitragen, aber für die Klimaschutzpolitik sind sie durchaus von Bedeutung.

Dritter Punkt: Windenergie. Die Nutzung der Windenergie passt besser an die Küste als nach Baden-Württemberg. Das ist unbestritten. Von der Leistungsfähigkeit und vom Ertrag her kann eine Küstenregion in dieser Hinsicht natürlich viel, viel mehr machen als ein Land wie Baden-Württemberg. Trotzdem ist es ja nicht so, dass hier nichts geschehen wäre.

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Heute gibt es in Baden-Württemberg 267 Windkraftanlagen. Ihre Zahl ist in den letzten fünf Jahren um das Vierfache gesteigert worden.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Wir sind trotz- dem Letzter von allen Flächenländern!)

Die Zahl der Windkraftanlagen ist in diesem Zeitraum also immerhin um das Vierfache gesteigert worden, und wir speisen dabei gegenüber dem Jahr 2000 nun das Sechsfache der Strommenge ein. Da soll doch niemand behaupten, dass wir in Baden-Württemberg auf dem Gebiet der Windkraft nichts täten. Jeder muss aber wissen, dass aufgrund der besonderen Situation in Baden-Württemberg Grenzen für die Windkraft bestehen, jedenfalls im Vergleich zu anderen Bundesländern.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Hessen hat aber auch mehr Windkraftanlagen!)

Rund 260 Anlagen – Stand heute – haben wir. Regionalplanerisch genehmigt sind heute jedoch insgesamt 350 Windkraftwerke. Die sind bereits genehmigt, die kann man bauen, und das wird auch niemand ablehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Hessen hat aber das Doppel- te und Dreifache und ist von der Fläche her klei- ner!)

Vierter Punkt: Solarenergie. Wir sind in einer Situation, in der man sagen kann, dass die Branche brummt. Die Solarbranche brummt, und sie brummt nirgendwo so sehr wie in Baden-Württemberg.

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Das stimmt doch gar nicht! Bayern!)

Baden-Württemberg ist das Solarenergieland Nummer 1; das kann man gar nicht anders sagen. Vielleicht kann man das anhand einer Vergleichszahl klarmachen: Gegenüber dem Jahr 2000 ist die Stromeinspeisung aus Solarenergie um das 30-fache gestiegen.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Dank des EEG der rot-grünen Bundesregierung! Und das will die FDP nach wie vor abschaffen!)

Dass dafür natürlich das Energieeinspeisegesetz verantwortlich ist, das ist doch überhaupt keine Frage. Ich möchte Ihnen aber auch sagen, dass in diesem Haus immer, wenn es um das EEG ging, einstimmige Beschlüsse gefasst worden sind. Betreiben Sie also keine Geschichtsklitterung, Herr Kollege, damit das auch einmal klar ist!

(Minister Ernst Pfister)

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Thomas Knapp SPD: Das war auch ein Fehler in der Vorlage! Da heißt es „Gesetz zur Förderung der Erneuerbaren Energien“! Das Gesetz war von 1991!)

Ich setze sehr auf die Biomasse als weiteren Bereich, der meines Erachtens besonders große Entwicklungsmöglichkeiten gerade auch in Baden-Württemberg hat. BadenWürttemberg ist ein Land, das sehr waldreich ist; 38 % der Fläche Baden-Württembergs sind Wald. Baden-Württemberg ist ein Land, das noch in großen Teilen landwirtschaftlich strukturiert ist – mit entsprechenden Flächen. Da kann man in der Zukunft eine ganze Menge machen.

Ich will Ihnen konkret sagen, was ich vorhabe. Ich will insbesondere die Biomasse-Forschungsplattform, die wir entwickelt haben, zur Grundlage nehmen, um die energetische Nutzung von Biomasse voranzubringen. Wir haben vor, z. B. im Biosphärengebiet Schwäbische Alb einen Leuchtturm zu errichten, einen Leuchtturm insofern, als dort ein supermodernes Biomassekraftwerk mit einer besonders innovativen Form der Vergasung errichtet werden soll. Das wird eine Möglichkeit sein, meine Damen und Herren, um die Energiebilanz entscheidend zu verbessern.