Meine Damen und Herren, ich denke an die Verkehrsinfrastruktur. Heute Morgen haben wir unter Punkt 1 über dieses Thema gesprochen. Mir ist dabei aber zu selten der Begriff einer europäischen Verkehrstransversale gefallen.
Denn Baden-Württemberg kann die Lissabon-Strategie unter anderem dann am besten umsetzen, wenn via Berlin möglichst rasch sowohl die Verkehrsader Paris–Bratislava als auch die Verkehrsader Nord–Süd, sagen wir einmal von Hamburg bis nach Mailand herunter, verwirklicht werden. Das sind zentrale europäische Verkehrsadern. Wer die Lissabon-Strategie ernst nimmt, muss auch an Verkehrsinfrastruktur denken. Deswegen kann ich nur sagen: Ich hoffe, dass Herr Tiefensee wirklich mehr gibt als bisher. Denn auch mit dem, was bisher für die Rheintalbahn eingestellt ist, bin ich nicht zufrieden, weil man damit bis zum SanktNimmerleins-Tag nicht fertig wird. Das kann nicht sein.
Ein Land wie Baden-Württemberg, mitten im europäischen Verkehrs- und Handelsfluss, braucht diese Verkehrsachsen. Das ist ein zentraler Bestandteil der Lissabon-Strategie.
Wir werden auch überlegen müssen, ob Liberalisierung im Sinne von Europa, im Sinne von Berlin, Baden-Württemberg und Stuttgart nicht da und dort ein bisschen angeglichen werden muss. Wir werden im Laufe dieses Tages, glaube ich, eine spannende Debatte über Lotteriemonopole führen. Der Europaminister muss – das werden Sie zugestehen – auch ein bisschen auf die Winke hinweisen, die aus Brüssel kommen. Das gilt auch für die Apotheken.
Das heißt also, wer sich im Licht Europas aufhält und es weiterentwickeln will, muss natürlich dafür Sorge tragen, dass er in diesem Zug richtig fährt und richtig tickt, gegebenenfalls in Konfrontation mit Brüssel, und muss unter Umständen vielleicht auch da und dort eigene Positionen besprechen. Das hilft immer für das Weiterkommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin sehr froh, dass wir in Deutschland mit der Unternehmensteuerreform ein wichtiges Signal geben. Für Baden-Württemberg ist mir – das ist vorhin vom Kollegen Theurer bereits angesprochen worden – die Erbschaftsteuerreform das Allerwichtigste. Sie haben die Zahlen für Deutschland genannt. Ich nenne sie auch für Baden-Württemberg. Es sind pro Jahr sage und schreibe 13 000 Unternehmungen und Betriebe, die weitergegeben werden und dann eine Regelung brauchen, die nicht stranguliert, sondern im Grunde die Lissabon-Strategie auch künftig möglich macht.
Ich möchte zum Schluss noch einen Satz sagen: Es wird natürlich jetzt spannend im Zusammenhang mit der EU-Ratspräsidentschaft. Es wird einem fast angst, wenn man sieht, mit welchen Erwartungen die deutsche Ratspräsidentschaft von vornherein begleitet oder besser gesagt befrachtet ist. Aber es ist eine Chance. Bundesaußenminister Steinmeier hat es unlängst auch in einem EU-Ausschuss gesagt: Wir sollten es auch als Chance begreifen; wir sollten ein bisschen stolz sein, dass diese Verantwortung in den nächsten sechs Monaten jetzt den Deutschen obliegt.
Wenn man dies aber im Lichte des Lissabon-Prozesses sieht, gibt es in der Tat einiges zu tun. Die Entbürokratisierung wurde angesprochen. Ich sehe übrigens auch die Nachbarschaftspolitik und das Eröffnen neuer Märkte als ganz wichtigen Teil der Lissabon-Strategie an. Wir haben es alle miteinander in der letzten Landtagssitzung vermerkt, vielleicht zum Teil mit Staunen, dass die neuen Märkte in Osteuropa, auch durch den Beitritt osteuropäischer Staaten zur EU, mittlerweile, was das Exportvolumen Baden-Württembergs anbelangt, nach USA und Frankreich an dritter Stelle stehen. Für 9 Milliarden € werden in diese Staaten von Baden-Württemberg aus Güter exportiert. Das heißt al
so, eine Nachbarschaftspolitik, die in der Ukraine und in Weißrussland anfängt, die über Armenien bis in den Mittelmeerraum hinuntergeht, ist in der Tat – in der deutschen EU-Ratspräsidentschaft behandelt – auch ein Element, das in der Zukunft Wachstum und Arbeit bei uns sichern kann.
Kernenergie: Nichts weiter dazu. Nur stimmt es mich etwas traurig, dass es so aussieht, dass es in dieser Runde der – ab 1. Januar – 27 am Schluss 26 : 1 steht.
Ich will noch ein wichtiges Thema ansprechen: Ich denke, dass die europäische Gemeinschaft auch die Lissabon-Strategie noch mehr als Zwang sehen muss, eine gemeinsame äußere Sicherheit zu entwickeln.
Meine Damen und Herren, was die Sicherheit der Handelswege anbelangt, können Sie die ganze Lissabon-Strategie vergessen, wenn Sie weltweit nicht auch gesicherte Rohstoffe und gesicherte Handelswege haben.
Das muss auch einmal in den Kopf, weil das Ganze sonst einfach in der Denkweise zu kleinkariert ist.
Es gibt noch einiges zu sagen. Ich will Ihnen nur sagen: Die baden-württembergische Europapolitik ist sicherlich gut aufgestellt. Sie wird konstruktiv und kritisch von einem Europaausschuss und von vielen Fachausschüssen begleitet. Wir haben ja geliefert. Es war ja in der Hauptsache unser Bericht, der die Grundlage für den nationalen Bericht in Sachen Lissabon-Strategie nach Brüssel gebildet hat. Deswegen denke ich, dass wir mit unserer Mannschaft in den Ministerien wirklich optimal aufgestellt sind und dass unsere Leute dafür auch ein aufrichtiges Dankeschön verdient haben.
Auch wenn es dem einen oder anderen hier im Haus, insbesondere auf der linken Seite, vielleicht nicht gefällt: Es zeichnet sich doch ab, dass wir im Vergleich der weltweiten Wettbewerbe ganz klar sehen, dass die Erhaltung alter, überkommener Strukturen nicht gelingen kann. Sie kann selbst unter Einsatz größter Steuermittel nicht gelingen.
Schon der amerikanische Präsident Bill Clinton hat ja erkannt: „It’s the economy, stupid“, also frei übersetzt: „Es ist die Wirtschaft, Dummkopf“, auf die es in Zukunft ankommt, weil sie über die Überlebenschancen einzelner Menschen und über die Freiheitsmöglichkeiten einzelner Menschen entscheidet. Herr Walter – wo ist er denn? –, da brau
chen wir keine Nachhilfe von den Grünen; denn als die Grünen noch Umweltsozialismus vertreten haben, haben die Jungen Liberalen und die FDP bereits die ökologische Marktwirtschaft entwickelt,
Meine Damen und Herren, das ist auch vom Minister und von anderen Rednern angesprochen worden: Wir sind davon überzeugt, dass die Lissabon-Strategie eine Chance beinhaltet, die Entfesselung der Wachstumskräfte zu ermöglichen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es heute – so, wie Deutschland nach dem Krieg reicher wurde, ohne dass die USA ärmer wurden – möglich ist, dass China reicher werden kann, ohne dass Deutschland ärmer werden muss. Wenn wir uns das klarmachen, dann sind uns auch die Chancen klar, die in einem solchen Prozess liegen.
Die Lissabon-Strategie hat drei Ziele: Erstens die Chancen der Globalisierung nützen, zweitens den demografischen Wandel bewältigen und drittens den Abbau der Staatsverschuldung realisieren. Genau das sind auch die Themen, die für ein neues Leitbild der Politik in der Bundesrepublik und in Baden-Württemberg dienen können, ja dienen müssen.
Erstens: Der Umsetzung der Verwaltungsreform, der Haushaltskonsolidierung und der Einführung von E-Government kommt eine zentrale Bedeutung zu, weil das auch Mittel sind, um Bürokratie abzubauen und die Belastung der Bürger zu senken.
Zweitens: Wir müssen die EU-Fördermittel im Sinne einer Clusterbildung auf die Zukunftstechnologien und Zukunftsunternehmen und -branchen konzentrieren und können nicht beim Erhalt alter Strukturen stehen bleiben.
Drittens: Wir brauchen quer durch die ganze Landespolitik eine auf den demografischen Wandel ausgerichtete Politik. Wir brauchen Demografie-Checks und fordern, dies nun aus der Lissabon-Strategie konkret in die Einzelprogramme der Landespolitik zu überführen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ganz klar ist auch: Wenn viele Kolleginnen und Kollegen im Vorfeld dieser Debatte gar nicht wussten, was sich hinter der LissabonStrategie verbirgt, müssen wir auch mehr Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation in diesem Bereich machen. Das haben wir als FDP/DVP-Fraktion mit unserer Großen Anfrage getan. Ich glaube, dass das gut war. Ich meine, unser Haus sollte in regelmäßigen Abständen häufiger über diese
Strategie und vor allem über die Erfolge ihrer Umsetzung und auch über die Handlungsschwerpunkte, die noch anzupacken sind, berichten.
Meine Damen und Herren, die Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 14/212, ist mit dieser Aussprache erledigt.
Meine Damen und Herren, unter den Gästen auf der Zuhörertribüne gilt mein besonderer Gruß dem neuen französischen Generalkonsul in Stuttgart, Herrn Christian Dumon.