Protokoll der Sitzung vom 02.03.2011

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 111. Sitzung und damit die voraussichtlich letzte Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Urlaub für heute habe ich Frau Abg. Wonnay und Herrn Abg. Krögner erteilt.

Krankgemeldet sind Frau Abg. Brunnemer, Frau Abg. Hauß mann, Frau Abg. Heberer sowie die Herren Abg. Ehret und Stoch.

Dienstlich verhindert sind Herr Staatssekretär Drautz und Frau Staatsrätin Professorin Dr. Ammicht Quinn.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Wer ist das?)

Meine Damen und Herren, Herr Abg. Reichardt hat mir ges tern mitgeteilt, dass er mit Ablauf des 1. März 2011 auf sein Mandat verzichtet. Ich gebe Ihnen hiervon Kenntnis.

Meine Damen und Herren, heute hat Herr Staatssekretär Dr. Dietrich Birk Geburtstag. Lieber Herr Dr. Birk, im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich Ihnen sehr herzlich und wünsche Ihnen alles Gute.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich Ihnen noch bekannt geben, dass nach einstimmigem Beschluss der Frak tionen zwei neue Punkte, nämlich die Punkte 26 und 27, in die Tagesordnung aufgenommen werden sollen. Es geht da bei um Beschlussempfehlungen des Ständigen Ausschusses. Sie sind darüber informiert. – Dagegen erhebt sich kein Wi derspruch. Dann ist es so beschlossen.

Wir treten dann in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Der Baden-Württemberg-Weg: Län geres gemeinsames Lernen vom dritten bis zum zehnten Lebensjahr – beantragt von der Fraktion der CDU

Es gelten die üblichen Redezeiten: fünf Minuten für die ein leitenden Erklärungen und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hoffmann.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Wir haben diese Aktuelle Debatte be antragt, um deutlich zu machen, wo in Baden-Württemberg

Innovation in Sachen frühkindlicher Bildung gestaltet wird und wo nicht. Die letzten Jahre waren bei der CDU und im Kultusministerium geprägt vom erklärten Willen, der früh kindlichen Bildung einen starken Impuls zu geben und somit gemeinsames Lernen in einer Zeit stattfinden zu lassen, die für die frühkindliche Entwicklung sehr wichtig ist.

Wir sind hier nicht den Weg gegangen, von oben herab Kon zepte zu verordnen, sondern wir haben in einem Konsensver fahren zeitlich gestaffelte Modelle und Projekte initiiert, alle mit dem Ziel, den besten Weg für verschiedene Bereiche der frühkindlichen Bildung herauszufinden, und wir haben alle Modelle wissenschaftlich begleiten lassen. Ich will diese nen nen: der Orientierungsplan für unsere Kindergärten, das Bil dungshaus-Modell, die Projekte „Schulreifes Kind“ und „Schulanfang auf neuen Wegen“, die neue Einschulungsun tersuchung, die neue Sprachförderung. Alle Projekte – ich be tone dies aus gutem Grund – wurden ausgeschrieben, für al le Projekte haben sich die teilnehmenden Einrichtungen frei willig beworben, und bei allen Projekten gab es stets mehr Be werbungen, als Kontingente vorgesehen waren.

Wir haben uns gemeinsam mit den Kommunen in finanziell schwierigster Zeit zu einer Stärkung der frühkindlichen Bil dung bekannt. Gemeinsam mit den Kommunen wurden in ei nem letzten Schritt 200 Millionen € für die Umsetzung des Orientierungsplans eingesetzt. Das entspricht – ich kann das gar nicht oft genug sagen – 5 300 Vollzeitstellen, die vollstän dig in den Kinderbetreuungseinrichtungen ankommen. Wir lassen uns dieses finanzielle Engagement auch nicht kleinre den, auch nicht durch ständige Diskussionen über Mindestbe treuungsschlüssel.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Sehr gut!)

Sie wissen, dass wir wie kein anderes Bundesland auch auf die Ausbildung der Erzieherinnen setzen. In den letzten Jah ren wurden 38 000 Erziehungskräfte zum Thema Orientie rungsplan geschult. In den letzten drei Jahren wurden 700 Stu dienplätze zur frühkindlichen Pädagogik eingerichtet. Nun ist es an der Zeit, die Modelle, die initiiert worden sind, zusam menzuführen und die gewonnenen Erkenntnisse zu einem ge meinsamen Projekt zu vereinen. Wir wollen die lernaktivste Zeit, die es im Kinderleben gibt, nutzen. Das ist die Zeit im Kindergarten, vor der Grundschule. Diese Situation kann, glaube ich, niemand ernsthaft bestreiten, und es ist wohl auch jedem klar: Bildungsgerechtigkeit ab dem ersten Tag der Grundschule kann nur eintreten, wenn die Kinder vorher ih ren Möglichkeiten und ihren Kompetenzen entsprechend ge fördert werden. Es geht uns nicht um Vorschule, sondern es

geht uns um die Förderung von Kompetenzen, die bei den Kindern angelegt sind und die wir weiterentwickeln können.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wir haben mit den Bildungshäusern ein sehr erfolgreiches Projekt. Bildungshäuser sind – zumindest an den Orten, an denen es sie gibt – völlig unbestritten. Unsere Bildungshäu ser sollen die Zukunft der frühkindlichen Bildung in BadenWürttemberg zusammenführen. Bildungshäuser sind eine Kombination aus Kindergärten und Grundschulen. Sie stehen auf dem festen Grund des Orientierungsplans und des Bil dungsplans für die Grundschulen. Sie stoßen – ich betone dies ausdrücklich; ich kenne keine andere Aussage – an allen Mo dellstandorten auf uneingeschränkte Zustimmung.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: So ist es richtig!)

Die Bildungshäuser haben einen weiteren Vorteil: Sie bieten Gemeinden und Ortsteilen, gleich welcher Größe, die Mög lichkeit, Angebote für Kinder im Alter von bis zu zehn Jahren vorzuhalten. Alle, die in der Kommunalpolitik tätig sind und gegenüber sich selbst ehrlich sind, wissen, warum sich junge Eltern für ihren jeweiligen Wohnort entscheiden. Sie suchen sich ihren Wohnort nicht aus, weil es dort eine Werkrealschu le, eine Realschule oder ein Gymnasium gibt. Vielmehr ist die erste Wahl der Eltern mit der Frage verknüpft: Gibt es gute Betreuungsmöglichkeiten, und gibt es eine Grundschule vor Ort? Dies ist die elementare Entscheidung, die Eltern treffen. Wir meinen, dass wir mit dem Thema Bildungshaus hier exakt richtig liegen.

Was will ein Bildungshaus? Ein Bildungshaus will in Zukunft alle Angebote, die Kinder für eine individuelle Förderung brauchen, an einer Stelle vereinen. Es ist nicht mehr so, dass ein Kind zur Förderstunde in eine externe Einrichtung gehen müsste. Vielmehr werden alle Kinder gefördert. Wer darüber hinaus besondere Förderung braucht, bekommt diese, und zwar auch im Bildungshaus.

Das Thema Sprachförderung ist einbezogen. Aber wir wollen nicht nur eine Sprachförderung für alle Kinder – ich betone: eine Sprachförderung für alle Kinder –, sondern wir wollen auch die Eltern einbeziehen und die Bildungshäuser zu Fami lienzentren entwickeln.

Eines ist interessant: Wir haben ein Kompetenzteam der SPD vorgestellt bekommen. In diesem spielt eine Dame aus Mann heim eine nicht unerhebliche Rolle, lieber Herr Dr. Mentrup. Ich hätte gedacht, dass vielleicht Sie oder Herr Zeller dabei eine Rolle spielen; aber nun spielt die Schulbürgermeisterin der Stadt Mannheim eine Rolle.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Sie spielen auch keine Rolle!)

Die Stadt Mannheim gilt als innovative Bildungsstadt. Bei den ersten 33 Standorten, an denen Bildungshäuser eingerichtet wurden, war Mannheim dabei. Sie hat die Gerhart-Haupt mann-Schule zum Bildungshaus gemacht, und zwar gleich in der ersten Runde. Die Stadt spricht von hervorragenden Er fahrungen. Offensichtlich findet die Stadt Mannheim unsere Idee mit den Bildungshäusern so gut, dass sie gleich noch

mehr Anträge auf Einrichtung von Bildungshäusern gestellt hat.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Haben Sie etwas dage gen?)

Inzwischen haben wir zwei weitere Projekte – das Projekt Ne ckarschule mit einem kleinen Kinderhaus und ein weiteres Projekt – als Bildungshäuser genehmigt. Das Engagement Ih res Mitglieds im Kompetenzteam sagt aus, dass Bildungshäu ser so gut zu sein scheinen, dass sich eine Bewerbung lohnt. Ich bin gespannt, wie Sie mit diesem Thema umgehen.

Was sagt unsere Opposition zu diesem Thema? Ihnen, der Op position, sage ich: Es ist sehr spannend, sich die Wahlpro gramme von den Grünen und der SPD anzuschauen. Im Wahl programm der Grünen steht:

Die Grundschule hat den Auftrag, die Kinder dort abzu holen, wo sie in ihrem jeweiligen Entwicklungsstand ste hen,...

Das ist zu wenig, liebe Grüne.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Wir wollen die Kinder nicht in ihrem jeweiligen Entwick lungsstand abholen,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr gut!)

sondern wollen den Kindern einen guten Entwicklungsstand für die Grundschule ermöglichen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr gut!)

Die SPD geht einen Schritt weiter. Sie bezieht sich aber nicht auf die Grundschulen, sondern sagt in ihrem Wahlprogramm, sie wolle die Kindergärten – nicht die Grundschulen – zu Zen tren ausbauen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Aha! – Zu ruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Das ist sehr spannend. Aber auch dies ist kein innovativer Schritt. Natürlich kann ich den Kindergärten immer mehr Per sonal und Angebote zur Verfügung stellen.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das wäre innovativ?)

Aber wo ist die Innovation? Wo ist das, was wir alle für rich tig befunden haben, nämlich den Kindern einen guten Start zu bieten?

Sie blähen auf, aber Sie verändern nicht. Sie bilden nicht die Grundschule ab.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Peter Hofelich SPD: Na, na, na!)

Interessant ist – ich will es noch einmal sagen; denn es hat mir schon zu denken gegeben –: In der letzte Woche war ich mit Herrn Dr. Mentrup auf der „didacta“. Dort haben wir mit den Trägern katholischer und evangelischer Kinderbetreuungsein richtungen diskutiert. Ein Satz hat mich schockiert; denn er zeigt, wie zwiespältig dieses Thema innerhalb der SPD offen

sichtlich diskutiert wird. Die SPD sagt zu G 8: Nicht mehr ge nug ehrenamtliche Arbeit sei möglich, die Vereine würden lei den und die Kinder seien zu wenig im ehrenamtlichen Bereich tätig. Die gleichen Reden hält man, wenn man beispielswei se bei der Ehrenamtskonferenz oder bei auf dem Ehrenamt basierenden Vereinen Grußworte hält: „Aha, das Ehrenamt leidet unter der Schule, unter der Bildung sowie unter der Aus weitung der Bildung.“

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sind wir jetzt bei G 8 oder bei der Vorschule?)