Über einen solchen Ausbauplan haben wir heute leider sehr wenig Konkretes gehört. Das liegt in erster Linie daran, dass Sie zur Finanzierung nichts wirklich Substanzielles sagen können. Sie reden von 20 bzw. 40 Millionen € im Hochschulbereich in den nächsten zwei Jahren. Unklar ist, ob dieser Betrag gezielt in den Ausbau von Lehrkapazitäten geht oder ob mit diesem Betrag auch die anderen zusätzlichen Hochschulaufgaben geschultert werden müssen, die ja auch anstehen, Stichworte: Kofinanzierung der Exzellenzinitiative, wachsende Personalkosten für Altersversorgung oder für die Ärztegehälter – ganz zu schweigen von der großen Baustelle der Sanierung im Hochschulbereich. Wir haben 3 Milliarden € Sanierungsstau im Hochschulbereich. Darüber fällt ja heute gar kein Wort.
Wenn man sich anschaut, was der Wissenschaftsrat und die Hochschulrektorenkonferenz zum Umfang des Finanzierungsbedarfs sagen, und das auf Baden-Württemberg he
runterbricht, dann kommt man auf eine Zahl von mindestens 350 Millionen €, die stufenweise aufzubauen und dann aber auch zu halten sind. Es geht ja nicht darum, für ein Programm zur Bewältigung der Spitzenbelastung zwei Jahre lang das Geld auszugeben, und dann ist wieder alles in Ordnung, sondern es geht um einen Aufwuchs, der mindestens bis 2020 zu halten ist. Wenn man sich diese Dimension anschaut und dann die Zahlen, die Sie hier vorlegen, dann sieht man: Das steht in keinem Verhältnis zueinander. Damit können Sie die Zukunftsaufgabe, wie Sie sie beschrieben haben, nicht bewältigen.
Der Ausbauplan braucht ein finanzielles Fundament, und das haben Sie heute nicht vorgelegt. Dafür wäre das richtige Stichwort der neue Solidarpakt gewesen, der zum nächsten Jahr ansteht. Sie verlieren leider kein Wort zum Thema Solidarpakt.
Deswegen möchte ich Ihnen an dieser Stelle den Vorschlag der Fraktion GRÜNE präzisieren, den wir vor einer Weile auch der Öffentlichkeit präsentiert haben. Wir fordern einen Bildungspakt 2016. Wir wollen mit diesem Bildungspakt einen präzisen Plan festlegen, wie man die Herausforderungen im Hochschulbereich, aber auch im Schulbereich schultern kann. Wir sagen, stufenweise müssen in den nächsten fünf Jahren zusätzliche Mittel im Umfang von 3 000 Personalstellen allein für die Hochschulen aufgebracht werden und gezielt in Lehrprofessuren, Lecturer und wissenschaftlichen Mittelbau gesteckt werden. Diese Investition ist machbar, wenn man sie refinanziert aus dem demografisch bedingten Lehrerstellenrückgang, der ab 2010 verstärkt einsetzt. Wir legen uns mit diesem Plan fest, dass die Spielräume, die künftig im Schulbereich entstehen werden, reinvestiert werden und heute schon aufgebracht werden für Schule und für Hochschule. Damit haben wir ein machbares konkretes Modell, und wir legen uns fest, dass die Bildung Priorität hat, und zwar in einer Perspektive von mindestens zehn Jahren.
Ich bin fest davon überzeugt: Nur wenn man in Sachen Finanzen einen präzisen Plan vorlegt, kann man auch die Hochschulen mitnehmen, damit sie sich positiv an dieser Gestaltungsaufgabe beteiligen und nicht fürchten müssen, dass alles sozusagen nur auf ihre Knochen geht.
Jetzt noch ein Stichwort zur Qualität: Ich finde, der Aufbau dieser neuen Studienplätze ist eine große quantitative Herausforderung. Aber er ist insbesondere auch eine Chance, qualitativ etwas Neues anzustoßen, neue Formen des Studierens, neue Inhalte, neue Formate auf den Weg zu bringen. Deshalb haben wir den Vorschlag gemacht, einen neuen Akteur, der sich zum Ziel gesetzt hat, wirklich innovative Impulse in dieser Hochschullandschaft zu setzen, zu installieren. Wir schlagen vor, die „Offene Hochschule Baden-Württemberg“ zu gründen, die in Kooperation mit den bestehenden Hochschulen diese neuen Ideen, Formate und Inhalte voranbringt. Wir sind davon überzeugt, dass wir einen Akteur brauchen, der sich Innovation auf die Fahnen geschrieben hat, damit sie nicht im täglichen Klein-Klein unter die Räder kommt.
Wir freuen uns, dass Sie – Sie haben es kurz erwähnt – da auch positive Ideen in unserem Konzept finden. Wir freuen uns, dass Sie unser Konzept zur Kenntnis genommen haben. Noch mehr freuen wir uns, wenn Sie das Konzept umsetzen. Wir stehen da gerne zu Gesprächen zur Verfügung.
Wir sind davon überzeugt, dass Sie mit einer solchen Konzeption, wie Sie sie angehen – „jetzt machen wir die billigen, kleinen Angebote, die man schnell anstoßen kann, die Innovation kommt in zwei oder drei Jahren“ –, in der Sackgasse landen werden, weil Innovation natürlich Akteure braucht, weil sie Planungssicherheit und ein präzises Fundament braucht, damit sie angegangen wird. Wenn Sie – so wie Sie das formulieren – „auf Sicht fahren“, dann wird auf Sicht auch in zwei Jahren nur wieder Billig-Billig und Schnell-Schnell herauskommen. Deswegen: Lassen Sie sich darauf ein, auch jetzt schon dieses mittelfristige Konzept auf den Weg zu bringen und abzusichern!
Wir sehen die Zukunft als Chance. Sorgen muss nur der haben, der heute zu wenig für die Zukunft tut. Sie kommen mir mit Ihrer Regierungserklärung ein bisschen vor wie jemand, der heute Radieschen sät und Sorge hat, morgen keine Ananas zu ernten.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wir hier heute erleben, ist eines der seltenen Ereignisse, wie sie Stefan Zweig in einem seiner Bücher als „Sternstunden“ bezeichnet hat.
Die Landesregierung ist aufgebrochen, unser Land nicht nur auf seiner Spitzenposition als dynamischster wissensbasierter Wirtschaftsraum in Deutschland zu halten, sondern diese Spitzenstellung durch ein in Deutschland einmaliges Förderprogramm für die Hochschulen auszubauen. Wir unterstützen sie auf diesem Weg.
Vieles ist bereits gesagt. Deswegen möchte ich nur drei Kernpunkte hervorheben, die uns als Liberalen besonders wichtig sind.
Punkt 1: „Hochschule 2012“ ist ein Masterplan, der sich ausschließlich an dem Kernbedürfnis der Studierenden orientiert, nämlich dem Bedürfnis, das im Studium erlernte Wissen auch im Leben nach dem Studium nutzen zu können. Taxifahrer mit juristischer Vorbildung oder Kellner mit breitem kunstgeschichtlichem Wissen, liebe Frau Bregenzer, sind nicht die Traumberufe unserer Abiturienten.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Carla Bregenzer SPD: Das ist aber nicht das Thema! Thema verfehlt!)
Die stehen mit beiden Beinen im Leben und wollen in dem Fach, das sie studiert haben, später auch Arbeit finden. Deshalb wurde das Programm „Hochschule 2012“ nicht in irgendeinem Elfenbeinturm, sondern im Dialog von Wirtschaft und Wissenschaft entwickelt.
Den Studienanfängern aber gibt es die Chance, nach ihrem Studium beste Aussichten auf einen Arbeitsplatz und damit auf eine gesicherte Zukunft zu haben.
Punkt 2: „Hochschule 2012“ ist ein Programm, das unser Land für den härter werdenden Wettbewerb der Zukunft rüstet. Sein Schwerpunkt liegt im Bereich der Ingenieurund Naturwissenschaften. Wissen in diesem Bereich ist es, das unsere Unternehmen dringend benötigen, wollen wir auch in Zukunft am Weltmarkt konkurrenzfähig sein. Unsere Stellung als Exportland ist nämlich nicht gottgegeben. Sie ist hart erarbeitet und muss jeden Tag neu erarbeitet werden, erarbeitet durch eine ständige qualitative Verbesserung unserer Produkte im Vergleich zur Konkurrenz. Und diese Konkurrenz schläft nicht. In China oder Indien verlassen Jahr für Jahr weit mehr Ingenieure oder Naturwissenschaftler die Universitäten als bei uns, ja als in ganz Westeuropa zusammen. Wir werden nur mithalten können, solange unsere Wissenschaftler und unsere Universitäten, Hochschulen und Berufsakademien exzellent sind. Deshalb war es uns als Fraktion besonders wichtig, dass ein Schwerpunkt im Bereich der Ingenieur- und Naturwissenschaften gesetzt wird. Ich habe diese Position im Rahmen der regionalen Dialoge mit Nachdruck vorgetragen und bin Ihnen, Herr Minister Professor Frankenberg, und Ihrem Haus ausdrücklich dankbar, dass dieser Punkt berücksichtigt ist.
Übrigens heißt dies durchaus nicht, wie einige behaupten, dass wir die Geisteswissenschaften vernachlässigen würden. Dort wird nicht nur kein einziger Studienplatz abgebaut, sondern in Bereichen mit großer Nachfrage nach Absolventen werden sogar neue Kapazitäten geschaffen. Die Universität Konstanz hat bewiesen, dass die Geisteswissenschaften auch im Bereich der Exzellenzinitiative bei uns durchaus mithalten können.
Es ist für meine Fraktion selbstverständlich, die qualitative Verbesserung des Angebots im Bereich der Natur- und der Geisteswissenschaften gleichermaßen zu fördern. Wir weigern uns aber strikt, am Bedarf der Wirtschaft und an den Berufschancen der jungen Menschen vorbei auszubilden.
Deshalb haben wir das Programm im Dialog von Wirtschaft und Wissenschaft entwickelt, und deshalb trägt es dem Bedarf unserer wissensbasierten Industrien und industrienahen
Dienstleistungen Rechnung. In diesem Wachstumssektor – Herr Professor Frankenberg hat die Zahlen genannt – entscheidet sich, ob Baden-Württemberg seine Lokomotivfunktion für das Wachstum in Deutschland beibehält oder ob wir zum Bremserhäuschen durchgereicht werden.
Punkt 3: Baden-Württemberg hat die Chance, die mit den starken Abiturjahrgängen verbunden ist, als erstes Land begriffen und aufgegriffen. Der Masterplan „Hochschule 2012“ ist der erste seiner Art in Deutschland. Umso bedauerlicher ist es, dass der Bund mit dem „Hochschulpakt 2020“ immer noch in der Hochschulpolitik mitmischt. Das unwürdige Gefeilsche hätte mit der Föderalismusreform ein für allemal ein Ende finden können und sollen. Hätten wir in Baden-Württemberg unseren fairen Anteil an dem Geld erhalten, hätten wir es schon zu verwenden gewusst.
Jetzt wird wieder ein überdurchschnittlicher Teil dieses Geldes dort landen, wo schon beleuchtete Kuhwiesen geplante und nicht realisierte Gewerbegebiete kennzeichnen und wo leere Züge auf nagelneuen Hochgeschwindigkeitsstrecken fahren, während wir zwischen Stuttgart und Ulm weiter auf der „Schwäb’schen Eisenbahn“ während der Fahrt Blumen pflücken können.
Kennen Sie z. B. Greifswald? Dort gibt es wundervolle Strände und eine immer weniger berührte Landschaft, weil die Menschen sie nämlich fluchtartig verlassen. Dort gibt es eine Universität, die nicht ausgelastet ist, weil eine rot-rote Regierung das Land ruiniert hat.
(Abg. Werner Pfisterer CDU: Unglaublich! Uner- hört! – Abg. Reinhold Gall SPD: Jetzt sagen Sie doch einfach einmal etwas zum Inhalt der Regie- rungserklärung!)
Die Überschrift auf der offiziellen Website der Stadt lautet: „Universität mit Stadt“. Was es dort weit und breit nicht gibt, sind Unternehmen, deren Wissenschaftler mit vertretbarem Zeitaufwand einen Lehrauftrag wahrnehmen können oder die Absolventen später Arbeitsplätze bieten.
Man kann das – wie es die Homepage der Stadt Greifswald tut – natürlich auch positiv formulieren – ich zitiere –:
Die enge Verflechtung von Lehre, Forschung und Wirtschaft bietet gute Chancen, schon als Student die Idee eines eigenen Unternehmens in die Tat umzusetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir Deutschland wieder an die Spitze bringen wollen, muss endlich Schluss sein mit der „Kinderlandverschickung“ von Studenten. Die ZVS gehört ebenso in das Haus der Geschichte wie die Kultusministerkonferenz und das Bundesbildungsministerium.
Wir Liberalen haben ein ganz einfaches Modell für die Steuerung – lieber Herr Kollege Kretschmann, ich erkläre Ihnen das jetzt –: Jeder Student erhält von seinem Land einen Bildungsgutschein für sein Studium – Herr, schmeiß Hirn ra, Kollege Kretschmann –, den er an einer Universität, Hochschule oder Berufsakademie seiner Wahl einlösen kann. Wir haben nicht den Hauch eines Zweifels, dass unsere Universitäten, Hochschulen und Berufsakademien bei diesem Modell, bei dem jeder dorthin gehen kann, wohin er möchte, zurückfallen würden; im Gegenteil. Beschränken wir die Studenten nicht länger – frei nach Schiller – auf die Gedankenfreiheit. Geben wir ihnen auch die Freiheit der Wahl des Studienortes. Dann kommen sie nach Baden-Württemberg.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Baden-Württemberg ist dank Ihnen, Herr Minister Dr. Frankenberg, und dank Ihrem Haus für den Wettbewerb um die besten Köpfe gerüstet. Mit dem Masterplan „Hochschule 2012“ stellen wir die Weichen in die Zukunft, und die Ergebnisse wird man bald sehen können.