Protokoll der Sitzung vom 09.11.2006

Aber ich appelliere an alle Länder – auch an meine Ministerkollegen –, dass sie ihre Aufgaben für ihre Hochschulen in der Verantwortung, die ihnen die Verfassung gibt, wirk

(Minister Dr. Peter Frankenberg)

lich ernst nehmen und dass es zu einer Finanzierung prioritär durch die Länder und dann begleitend durch den Bund kommt. So ist unsere Verfassung gedacht – und eben nicht umgekehrt.

Wir haben deutschlandweit die politische Verantwortung, diese 90 000 Studienanfängerplätze zu schaffen. Wir haben dazu unsere Hausaufgaben im Land gemacht. Der Ausbau der Hochschulen darf allerdings nicht zulasten der Qualität von Forschung und Lehre gehen. Es darf auch keine Reduktion der Qualität der Forschung geben, denn die Zukunft unseres Landes hängt nicht nur von den Köpfen ab, die wir ausbilden, sondern auch von der Forschung, die wir für dieses Land, für die Gesellschaft und für die Wirtschaft in unseren Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen leisten.

Wenn man auf die Dimension der Herausforderungen blickt, sieht man, dass 16 000 zusätzliche Studienanfängerplätze für Baden-Württemberg mehr Studienanfängerplätze bedeuten, als derzeit alle Fachhochschulen des Landes anbieten. Im Grunde genommen ist es die Herausforderung, das Fachhochschulsystem des Landes noch einmal zu erfinden.

Wir beginnen mit den 3 000 bis 4 000 Studienanfängerplätzen. Wir haben im nächsten Doppelhaushalt 2007/2008 20 Millionen bzw. 40 Millionen € zusätzlich eingestellt – bei gleichzeitigem Solidarpakt für alle Hochschulen.

Damit dieses Ziel erreicht werden kann, müssen Stellen geschaffen werden und können nicht nur Personen befristet beschäftigt werden. Dieses Problem kann nur über ein Programm von k.w.-Stellen gelöst werden: Man richtet neue Stellen ein und lässt dann Stellen wegfallen, wenn die Zahl der Studierenden wieder reduziert ist. Wir treffen auch bei der mittelfristigen Finanzplanung die Vorsorge, um die gesamte Planung bis zum Jahr 2012 und darüber hinaus finanziell abzusichern.

Ich möchte auch ausdrücklich unserem Finanzminister und dem Finanzministerium für die sehr konstruktive Zusammenarbeit bei der Realisierung des Programms „Hochschule 2012“ danken. Denn ich weiß, wie schwierig es in manchen Ländern ist, im Verhältnis zwischen Wissenschaft und Finanzen ein solches Programm zu erstellen. Ich bin mir mit dem Finanzminister einig, dass wir beide Ziele erreichen müssen: mehr Mittel für die Hochschulen, weil wir mehr Studienplätze benötigen, und gleichzeitig die Nullneuverschuldung im Jahre 2011. Beides sind die wichtigsten Ziele der Vorsorge für die Zukunft unseres Landes.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wären wir nun im Senat von Rom – also nicht im Senat von Washington –,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

dann könnte ich mit Ovid sagen: „Mihi cura futuri.“

(Abg. Oswald Metzger GRÜNE: Was interessiert mich die Zukunft?)

Nein, nicht „Was interessiert mich die Zukunft?“, Herr Metzger, sondern „Ich mache mir Sorgen um die Zukunft“.

(Heiterkeit)

Das Regierungshandeln ist geleitet von der Sorge der Landesregierung um die Zukunft der jungen Menschen in unserem Land. Diese jungen Menschen sind unsere Chance. Es ist eben nicht die Politik der Landesregierung, zu sagen: „Was interessiert mich die Zukunft?“ Es kann sein, dass andere so denken und dies so aussprechen. Unsere Politik ist die Sorge um die Zukunft dieses Landes und die Sorge um die Zukunft der jungen Menschen. Aber es ist eine positive Sorge, weil wir in ihnen die Chance für unsere Zukunft sehen.

Ich bitte Sie alle um Unterstützung für dieses Programm

(Abg. Reinhold Gall SPD: Wir sorgen uns da auch!)

für die jungen Menschen und die Zukunft unseres Landes.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, für die Aussprache über die Regierungserklärung hat das Präsidium eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Das Wort erteile ich Frau Abg. Bregenzer.

Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Unbestritten, wir brauchen zur Sicherung einer guten Zukunft für unser Land möglichst viele höchst qualifiziert ausgebildete junge Menschen. Unbestritten ist auch: Es liegt in unserer Verantwortung, dass die dafür notwendigen Grundlagen geschaffen werden. Ein „Masterplan 2012“ muss dafür sorgen, dass Studierwillige und Studierfähige auch in den besonders kritischen Jahren ausreichend Studienplätze und exzellente Studienbedingungen vorfinden.

(Beifall bei der SPD)

Ein „Masterplan 2012“ muss sicherstellen, dass junge Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung nicht deshalb in Ausbildungsberufe ausweichen, weil sie keinen Studienplatz finden. Wir müssen den Verdrängungswettbewerb um Ausbildungsplätze verhindern, bei dem Förder- und Hauptschüler völlig auf der Strecke bleiben. Diesen Zielen wird der von Ihnen, Herr Minister, vorgelegte Masterplan nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD)

Ich will es einmal kurz zusammenfassen: wenig Plan auf tönernen Füßen, schon gar nicht Master, und für 2012 kann es einem angst werden.

(Beifall bei der SPD)

Ich will diese Bewertung im Folgenden begründen. Ihre Lobhudelei und die Hinweise auf Defizite anderer Länder sind fehl am Platz. Denn wenn unsere Anstrengungen nicht ausreichen, für unsere jungen Menschen genügend Studienplätze zur Verfügung zu stellen, dann hilft es denen gar nichts, wenn andere Länder angeblich nichts tun.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Statt Eigenlob hätten wir von Ihnen heute gern Klartext gehört. Tatsächlich aber sind Sie mit Ihren Ausführungen noch hinter dem Text der Abschlusskonferenz zurückgeblieben. Was Sie heute als Regierungserklärung vorgetragen haben, enthielt nichts, was man nicht schon konkreter in der Zeitung gelesen hat. Ihre Regierungserklärung trägt nichts zur konkreten Diskussion in diesem Parlament bei.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Gar nichts!)

Wir haben weder etwas über Entscheidungskriterien gehört noch etwas zur Gewinnung der notwendigen Lehrkräfte oder gar Räumlichkeiten, nichts zur Berücksichtigung von privaten Hochschulen, kein Wort über Gründungen an neuen Standorten. Das war schwach, Herr Minister!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Schwacher Applaus!)

Aber eigentlich ist Ihr schwacher Auftritt nicht verwunderlich. Es schwirrt Ihnen als zuständigem Fachminister ja der Kopf angesichts der beispiellosen Blamagen im Zusammenhang mit dem Verkauf von Handschriften,

(Oh-Rufe von der CDU)

bei denen die SPD-Fraktion und nationale wie internationale Historiker Ihnen rechtzeitig in den Arm gefallen sind.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Deshalb brauchen Sie jetzt einen Arbeitskreis, um zu klären, was Sie überhaupt untersuchen wollen! Das finde ich gut! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Da liegen die Nerven natürlich blank, wenn unter den Augen des Wissenschaftsministers Professoren durch eigene Initiative nachweisen, dass Herr Oettinger mithilfe von Sponsoren und des SWR für x Millionen ankaufen will, was uns eigentlich schon längst gehört.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE)

Sie haben andere Sorgen, Herr Minister, als die Hochschule 2012. Das hat man heute gemerkt.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man einen Arbeitskreis! – Ge- genruf des Abg. Reinhold Gall SPD – Gegenruf des Abg. Stefan Mappus CDU: Wenn ihr es geklärt habt, sagt ihr es uns mal!)

Aber nun zur kritisch-konkreten Betrachtung. Erstens zur Frage nach den tatsächlich notwendigen zusätzlichen Studienanfängerplätzen. 16 000 sind zu wenig. Das Statistische Landesamt selbst rechnet in seiner Monatsschrift vom Juli 2006 mit nahezu 87 000 Studienberechtigten im Jahr 2012. Sie legen eine Studierquote von 75 % zugrunde. Dann fehlen im Jahr 2012 fast 25 000 Studienplätze. Da aber in den vergangenen Jahren in Baden-Württemberg immer 82 % der Studienberechtigten ein Studium aufgenommen haben und schon heute 5 000 Studienplätze fehlen, wird es noch schlimmer. Wir brauchen mehr Akademikerinnen und Akademiker, um international mithalten zu können. Wir unternehmen Anstrengungen, um dies auch zu erreichen. Daher

ist schon heute klar: 16 000 sind zu wenig, von exzellenten Studienbedingungen ganz zu schweigen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Zweitens zur Frage der Finanzierung dieser Studienplätze: Entgegen der ursprünglichen Aussage, die notwendigen 300 Millionen € kämen aus dem Landeshaushalt, scheinen 150 Millionen € wohl das Äußerste zu sein, was der Finanzminister, der an vorderster Front mal wieder Bildungspolitik macht, Ihnen zubilligt. 150 Millionen € sollen Hochschulen und Wirtschaft bringen. Sie haben zwar wortreich über den „Hochschulpakt 2020“ berichtet, mit dem der Bund die Länder unterstützen will, aber kein Wort dazu gesagt, ob das Geld für diesen Bereich zusätzlich in den Landeshaushalt kommt oder gar schon in den 150 Millionen € enthalten ist.

Der Beitrag der Hochschulen soll wieder einmal aus den viel beschworenen Effizienzreserven kommen. Klar lässt sich an den Hochschulen noch manches sparen. Aber die Hochschulen haben ja in den vergangenen Jahren schon mit dem Solidarpakt der Universitäten einen massiven Personalabbau und Mittelkürzungen, z. B. bei der Halbierung der Sachmittel der Fachhochschulen, hinnehmen müssen. An den Universitäten ist schon jetzt fast jeder zweite Studienplatz NC-bewehrt, an den Fachhochschulen sind es 98 % der Studienplätze. Und wie die doch eher kleinen Einrichtungen der Fachhochschulen und Berufsakademien einen zweistelligen Millionenbetrag einspielen sollen, das ist nicht nur dort ein Rätsel.

Deshalb ist es richtig, auch von der Wirtschaft einen Solidarbeitrag für den Ausbau der Hochschulen einzufordern. Sie profitiert schließlich von gut ausgebildeten Fachkräften.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP/DVP)

Aber Sie betteln die Wirtschaft ja dauernd an: Sie betteln um die Gewährung von Stipendien zur sogenannten Abfederung der sozialen Folgen der Studiengebühren. Sie betteln fürs Kinderland. Sie betteln um Millionen, um das Haus Baden vor der Insolvenz zu bewahren und Handschriften und Kunstwerke zu erwerben.