Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Umfallerpartei, also die FDP, hat es geschafft – ein Novum in diesem Hause –,
(Oh-Rufe von der FDP/DVP – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Drei Prozentpunkte Mehrwert- steuererhöhung, Herr Kollege!)
Das hat noch keine andere Partei mit ihren Anfragen und Anträgen geschafft. Das hängt auch mit der Inhaltslosigkeit dessen zusammen, was sie nachfragt. Sie fragt nämlich nach, was eh schon in allen Zeitungen steht und bekannt ist.
Insoweit kann ich Herrn Staatssekretär Köberle gut verstehen, der sich immer wieder darüber beklagt, dass aus der Mitte des Hauses inhaltslose Anträge kämen und damit die Verwaltung ungerechtfertigterweise hoch belastet sei. Herr Köberle, ich kann das mitempfinden; vielleicht bringen Sie das nachher noch einmal zum Ausdruck.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Also, wenn es um Menschenleben geht, Kollege, ist Ihnen das keine Debatte wert!)
Nein, die Sache ist die, dass Sie von der FDP/DVP nachfragen, was in der Zeitung steht, und nicht den Mut haben,
(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Seit wann denn? – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Schon immer!)
Aber wir müssen auch aufpassen, dass wir die Mobilität nicht zu einem Grundrecht wie die Demonstrationsfreiheit oder wie andere Menschenrechte erhöhen, so wie Sie das mit der Formulierung „Mobilität ist Ausdruck individueller Freiheit“ indirekt machen.
Mobilität ist Mittel zum Zweck, um wirtschaftliche Erfolge zu erreichen, die Freizeit genießen zu können und anderes mehr. Dazu brauchen wir auch sichere Straßen; das ist unbestreitbar.
Lassen Sie mich zu zwei, drei Punkten Stellung beziehen. Die Straßen und dabei insbesondere die Landesstraßen sind – das wissen wir alle – in einem desolaten Zustand: kaum Umgehungsstraßen, Linienführungen, die oftmals an den Karrenwegen des 19. Jahrhunderts orientiert sind, kurvenreich und anderes mehr.
Natürlich kommen Unfälle vorrangig durch menschliches Fehlverhalten zustande, aber es ist auch die Verantwortung derer, die die Straßen bauen und unterhalten. Das ist das Land, das ist diese Regierung, die sich einem modernen, ordentlichen Straßenbau bei den Landesstraßen seit Jahren durch mangelnde Mittelausstattung verweigert.
(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Schauen Sie sich doch an, wie die Straßen dort aussehen, wo Sie regiert haben!)
Nach der Statistik sind in 16,2 % der Fälle die Straßenverhältnisse Unfallursache, und dieser Prozentsatz ist steigend. Das wichtigste Straßenverkehrsschild in diesem Land ist: „Vorsicht Straßenschäden“. Mit diesem Motto kommen Sie in Sachen Sicherheit nicht weiter. Da müssen Sie andere Schwerpunkte setzen.
Prävention ist wichtig, Prävention ist gut. Sie wird in diesem Land auch geleistet, und zwar an den Schulen und anderswo. Aber bedenken Sie bitte, dass diese präventiven Maßnahmen durch mediale Leitbilder auch konterkariert werden: von Autorennen, von PS-starken Autos, von James Bond und anderem mehr.
Das heißt, wir haben nicht nur das Leitbild Verkehrssicherheit, sondern wir haben auch andere Leitbilder, die gerade
für die jungen Menschen interessant sind. Wenn also jemand von Verkehrssicherheit redet, ohne dies zu bedenken, dann ist das so, als redete ich von jugendlicher Gewalt, ohne die Medien zu bedenken. Das ist ein Gesamtzusammenhang beim menschlichen Versagen. Wir haben auch falsche Leitbilder in dieser Gesellschaft.
Wir stehen auch zu Ihren Bußgeldern. Wenn Sie nachfragen, wie es denn in der Schweiz oder in Österreich ist, dann hätten Sie besser mich gefragt; dann hätten Sie Herrn Köberle die Arbeit sparen können. Ich kann Ihnen sagen: 26 Kilometer pro Stunde mehr auf der Autobahn kosten 250 Schweizer Fränkli. Das kann ich Ihnen sagen.
Natürlich aus eigener Erfahrung. Eines ist doch klar beim Autofahren: Wer ohne Fehl und Tadel ist, werfe den ersten Stein. Da muss sich doch jeder zunächst an die eigene Brust klopfen, bevor er mit dem Zeigefinger auf andere weist. Das ist doch völlig klar.
Wenn es darum geht, die Sicherheit zu erhöhen, sind wir an erster Stelle. Aber es ist auch klar, dass wir uns Gedanken über andere, über verbundene Formen der Mobilität machen müssen. Die heute total autozentrierte Mobilität lässt sich so nicht nahtlos 1 : 1 in die Zukunft fortschreiben. Für das anstehende Solarzeitalter brauchen wir besser vernetzte Systeme; damit werden wir auch mehr Sicherheit im Straßenverkehr erreichen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Zahlen liegen auf dem Tisch. Jedes Jahr stirbt in Deutschland eine Kleinstadt von der Größe Stockachs am Bodensee im Straßenverkehr. Eine weitere Kleinstadt – –
Frau Kollegin, eine weitere Kleinstadt – nehmen wir einen anderen Landesteil – von der Größe Tauberbischofsheims wird schwer verletzt, und eine Mittelstadt
Meine Damen und Herren, das muss uns allen Anlass sein, zu fragen, wie wir von dieser Situation wegkommen. In
Skandinavien ist die „Vision zero – null Verkehrstote“ das Leitmotiv der Verkehrspolitik. Dem sollten wir uns – denke ich – anschließen. Jeder Verkehrstote ist einer zu viel.
Meine Damen und Herren, wie können wir das erreichen? Ich glaube, das, was wir heute gehört haben, reicht dafür nicht aus. Herr Kollege Haller, wenn Sie die Statistik betrachten, stellen Sie fest, dass Straßenschäden zu einem sehr, sehr marginalen Anteil schuld an den Verkehrstoten sind.
Sie haben es gesagt: Es sind zu sehr, sehr großen Teilen Probleme, die wir Menschen uns nicht abgewöhnen können: Alkoholkonsum, zu schnelles Fahren, zu wenig Abstand. Das sind die Hauptursachen für die schweren Verkehrsunfälle. Wenn wir dagegen vorgehen wollen und es offensichtlich nicht so ist, dass der kleine Prozentsatz, der daran schuld ist, selbst zur Räson kommt, dann denke ich, dass wir um ordnungsrechtliche Maßnahmen nicht herumkommen.
Es hat mich sehr gefreut, Herr Kollege Bullinger, dass auch Sie der Auffassung sind, dass der Bußgeldkatalog viel schärfer gefasst werden muss, als es bisher der Fall ist; wobei ich sage: Das sollte nicht nur für die allerschwersten Delikte gelten, vielmehr müssen wir hier auf breiter Front eine höhere Abschreckungswirkung durch höhere Strafgebühren erzielen. Nur dann ist meiner Auffassung nach zu erwarten, dass hier eine positive Veränderung eintritt. Erster Punkt.