Protokoll der Sitzung vom 07.02.2007

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ein Ministerpräsident, von dem wir nach seiner Regierungserklärung erwartet haben, dass er auf ökologischem Gebiet endlich einmal die Gemeinwohlinteressen dieses Landes wahr nimmt – und die Interessen der gesamten Welt, für die wir eine Vorreiterrolle innehaben –, macht sich zum ganz banalen Lobbyisten der Autoindustrie. Das Erste, was ihm einfällt, ist, mit vollem Karacho gegen diese Anmahnung verbindlicher Vorgaben zu fahren. Sie sind da wirklich – ich muss diese Plattitüde leider benutzen – als Tiger gestartet und als Bettvorleger vor der Autoindustrie gelandet,

(Beifall bei den Grünen – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Unruhe)

und das auch noch mit dem Argument, diese Vorschrift würde zu enormen Arbeitsplatzverlusten führen.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Keine Ahnung!)

Das sind wirklich Argumente, die wir Grünen aus den Achtzigerjahren kennen. Ich dachte, das sei nun endlich vorbei. Es ist auch vorbei – nur nicht bei Ministerpräsident Oettinger.

Jetzt lese ich einmal ein Zitat aus der „WirtschaftsWoche“ vor, einem marktradikalen Blatt mit einem neoliberalen Chefredakteur, also nun wirklich einige Lichtjahre von uns entfernt. Ich zitiere aus einer ganz neuen Ausgabe vom 22. Januar 2007:

(Zuruf von der CDU: So etwas lesen Sie?)

200 000 Arbeitsplätze könnten in Deutschland entstehen, wenn die Emissionsgrenzwerte für den Straßenverkehr – wie von der EU angekündigt – verschärft werden. Profitieren würde davon etwa die nächste Generation von sauberen Dieselmotoren mit einem Marktvolumen von 6 Milliarden € in Europa.

Das sagen Leute, für die die Wirtschaft und nicht die Ökologie an erster Stelle steht. Selbst da rennen Sie noch in die entgegengesetzte Richtung und wärmen im 21. Jahrhundert das Märchen wieder auf, dass Umweltvorschriften Arbeitsplätze zerstörten. Das ist einfach unglaublich.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

In Wirklichkeit brauchen wir klare, faire Regeln und Vorgaben, mit denen wir unsere Autoindustrie zukunftsfähig machen, damit sie auch in Zukunft noch Autos verkaufen kann. Wenn man einen Blick nach Kalifornien wirft, wo auch jemand aus dem konservativen Lager regiert,

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das ist aber ein Öster- reicher!)

dann merkt man, dass einer die Zeichen der Zeit erkannt hat und dort mutig klare Vorgaben macht, um beim Klimawandel auf die Bremse zu treten.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Oi, Schwarzenegger als Vorbild für die Grünen!)

Angesichts der Erderwärmung nicht auf die Bremse zu treten bei der Entwicklung umweltverträglicher Autos, das ist derzeit die Ansage. Da sind Sie schwer eingeknickt, getoppt nur noch von der Bundeskanzlerin, die jetzt – das muss man sich einmal vorstellen – den EU-Ratsvorsitz führt. Sie kündigt härtesten Widerstand gegen diese Regeln an, nachdem sie zuvor gesagt hatte, sie werde unter ihrer Ratspräsidentschaft den Klimaschutz ins Zentrum der EU-Politik führen. Zum Schluss hat sie noch die Zielgruppe der Vollidioten entdeckt und macht die Ansage, man solle bitte nicht immer mit Vollgas fahren – was bekanntlich nur ein Vollidiot macht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Aber beim Be- schleunigen soll man Vollgas geben!)

Das ist Ihre Politik auf dem Gebiet der Ökologie. Angekündigt wird härtester Widerstand gegen europaweite Vorgaben, die wir dringend brauchen, Herr Ministerpräsident, gerade angesichts dessen, was wir von der Automobilindustrie wissen: Kampf gegen die Einführung von bleifreiem Benzin – das liegt schon Jahrzehnte zurück –, gegen die Einführung des Katalysators, gegen die Einführung des Rußfilters, und die Nichteinhaltung der freiwilligen Selbstverpflichtung. Jetzt ertönt nach den angekündigten EU-Vorgaben wieder die immer gleiche Melodie: „Das zerstört Arbeitsplätze, und das können wir nicht packen.“ Das hat die Autoindustrie immer gepackt. Die ganzen Vorschriften haben immer dazu geführt, dass die Autos modernisiert wurden, dass ihre Marktchancen gewachsen sind und dass die Wertschöpfung erhöht worden ist, vor allem in diesem Land.

Das ist die richtige Ansage an die Automobilindustrie. Man darf aber nicht wie Sie, Herr Ministerpräsident, beim ersten Wind, der aufkommt, gleich einknicken.

Außerdem wurde aus Arroganz die Entwicklung von Fahrzeugen mit Hybridantrieb verschlafen. Jetzt erobern die Japaner global Marktsegmente – obwohl wir auf dem US-Markt mit unseren Automobilen ohnehin schon schlecht vertreten sind.

Natürlich gehört die Bremse zu den wichtigsten Teilen im Auto, aber die Bremse bei der Autopolitik ist das Schlimmste, was es gibt, und auf die sind Sie, Herr Oettinger, leider kräftig getreten.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Gerade bei der gegenwärtigen Haushaltslage brauchen wir klare ordnungspolitische Vorgaben. Wir brauchen eine Rückkehr zu einer Politik, die klare, verbindliche und berechenbare Regeln aufstellt, weil nur dies einen fairen Wettbewerb global ermöglicht. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie sich an die Spitze dieser Bewegung stellen und nicht hinten im Bremserhäuschen sitzen. Diese Spitzenstellung heißt: Wir brauchen die dritte industrielle Revolution, wenn wir nicht in eine Klimakatastrophe hineinlaufen wollen. Wir brauchen die dritte industrielle Revolution, die den Schwerpunkt darauf legt, Ressourcen und Energie einzusparen und damit die ganze Weltwirtschaft umzuwälzen. Wir haben hier die dazu notwendige Forschungslandschaft, wir haben die Möglichkeiten, dies in unserem Land zu leisten und diese Technologien und Dienstleistungen überallhin zu exportieren, um einen globalen Beitrag für den Klimaschutz zu erbringen und gleichzeitig die Chance zu bekommen, unsere Produkte und Dienstleistungen auf den globalen Märkten unterzubringen und hier gute Jobs für unsere jungen Leute zu schaffen. Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen, und der werden Sie nicht gerecht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

„Wenn man schon nichts für ‚gescheite‘ Autos tut, dann muss man wenigstens zusehen, dass möglichst viele wieder auf das Auto umsteigen.“ Das ist ja die Logik bei der Kürzung der Regionalisierungsmittel.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ha noi!)

Nachdem man schon nichts für „gescheite“ Autos tut, streicht man jetzt auch noch drastisch bei den Regionalisierungsmitteln.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Wir streichen nicht bei den Regionalisierungsmitteln! – Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP: Wir streichen nicht bei den Regiona- lisierungsmitteln! Wir kriegen weniger!)

Jetzt sage ich Ihnen einmal, was das bedeutet: Allein die Streichungen bei der Strecke Tübingen–Stuttgart betreffen 1 000 Fahrgäste! Das muss man sich einmal vorstellen! Das ist Ihr Beitrag zum Klimaschutz: wieder Leute dazu zu bringen, aufs Auto umzusteigen. Das kann doch nicht wahr sein!

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Nachdem 15 Millionen € bei Stuttgart 21 frei geworden sind,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

hätten Sie die Möglichkeit gehabt, diese Mittel einzusetzen, um flächendeckende Streichungen von Zugverbindungen zu verhindern.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

1 000 Fahrgäste sind allein von den Streichungen bei der Strecke Tübingen–Stuttgart betroffen. Ich erinnere daran: In ganz Brandenburg sind gerade einmal 2 000 Personen von Streckenstreichungen betroffen. So viele Betroffene gibt es bei uns auf einer einzigen Strecke.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Völlig falsche Rich- tung!)

Neben der Tatsache, dass die Streichung von Zugverbindun gen ökologisch eine Katastrophe ist, führt sie auch dazu, die Staus im mittleren Neckarraum noch länger zu machen und damit noch mehr Hemmnisse für die wirtschaftliche Entwicklung zu erzeugen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Wolf- gang Drexler SPD: So ist es!)

Das ist die Industriepolitik, die ihr macht. Das kann doch nicht wahr sein! Ich appelliere noch einmal an alle Kolleginnen und Kollegen von der CDU, die diese Maßnahmen vor Ort ja genauso kritisieren wie wir,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja!)

hier noch einmal einen Schritt zu tun und wenigstens diesen Unfug zu beseitigen. Da brauchen Sie nur einmal Ihre Landräte zu fragen, was sie davon halten. Das kann doch wohl nicht wahr sein!

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Herr Oettinger, Sie sind ja in Ihrer Regierungserklärung noch viel weiter gegangen. Sie haben gefragt – ich darf zitieren –:

Wo sind die Grenzen des Wachstums? … Welchen Konsum können wir uns noch leisten?

Ich vermisse die Antworten auf die von Ihnen selbst gestellten Fragen. Ich kann Ihnen einmal eine Antwort auf die Frage geben, wo die Grenzen des Wachstums und des Konsums sind: bei der Billigfliegerei. Es kann doch nicht sein, dass wir angesichts der Klimakatastrophe aus unserem Haushalt auch noch Strukturen subventionieren, die das Billigfliegen noch befördern, das ja jetzt schon schlimm genug ist.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Es gibt keine Flugbenzinsteuer, keine Mehrwertsteuer auf internationale Flüge. Das Flugzeug wird also gegenüber den anderen Verkehrsträgern eh schon privilegiert.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Haben Sie es ge- schafft, während Rot-Grün im Bund an der Regierung war? – Gegenruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD: Darüber redet er doch gar nicht!)

Dann subventionieren wir über den Landeshaushalt auch noch Regionalflughäfen, die sich ganz auf die Billigfliegerei kaprizieren. Außerdem lassen Sie noch die Frage der zweiten Start- und Landebahn am Echterdinger Flughafen offen,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

obwohl eine zweite Start- und Landebahn dort ökonomisch unsinnig wäre,